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Kultur und Wissen
NRhZ-Serie zum Independent-Filmprojekt HOTEP
Teil 9: Light & Magic
Von Falko Jakobs und Gerrit Wustmann

Drei Menschen. Drei Schicksale. Ein mysteriöses Hotel. Eine Nacht, in der sich alles ändert… Das Spielfilmprojekt HOTEP erzählt eine spannende Geschichte, wie Peter Kleinert in seiner Rezension (NRhZ 142) bemerkte. In seiner Machart will der Film neue, ungewöhnliche Wege einschlagen. Die NRhZ begleitet das Projekt in einer Artikelserie, und auf die Premiere am 1. November darf man schon jetzt gespannt sein.

„Mehr Licht, mehr Farben, mehr Kontraste – im Hotel HOTEP existiert kein natürliches Licht.“
(Falko Jakobs in: „HOTEP. Das Buch zum Film“)
Diesem Motto sind wir treu geblieben. Aber wie sah die Lichtsetzung beim HOTEP-Dreh praktisch aus, und wie konnten wir in Anbetracht des Budgets von weniger als tausend Euro diese selbst gesetzte Vorgabe erfüllen?

Das Licht spielt in HOTEP eine immens wichtige Rolle. Es untermalt buchstäblich die Figuren und ihre Entwicklung, ändert sich, je nachdem in welche Richtung eine Szene sich bewegt, und beschreibt nicht zuletzt den surrealen Charakter des Hotels und der Handlung. Das Lichtequipment bestand aus einem „1000er Arri“, der uns kostenlos zur Verfügung gestellt wurde, zwei Baustrahlern, die wir im Baumarkt gekauft haben, drei 500-Watt-Leuchten mit Spotlightfunktion (günstig erstanden aus der Ausrüstungsauflösung eines verstorbenen Auslands-Korrespondenten von Arte), sowie entsprechenden Stativen, die immer ein Jota zu klein waren.

Licht, das bedeutet zugleich auch Farbe und Farbwirkung. Was damit gemeint ist, soll im Folgenden erläutert werden. In HOTEP entsteht eine Symbiose aus Hell und Dunkel, aus satten, kräftigen, kontrastreichen Farben im Zusammenspiel mit dunklen, matten Bildern. Je nach Szene sollten die Farben entweder surreal, ja übertrieben, beziehungsweise unaufdringlich-realistisch wirken. Zwischen den einzelnen Episoden unterscheiden sich Licht und Farben teilweise drastisch.

hotep Rami Abu-Issa Sandra Kouba
Feeling blue? Das Licht spielt eine Rolle –
Rami Abu-Issa und Sandra Kouba in HOTEP

Unser Ziel war es, eine jeweils ganz eigene Atmosphäre zu erzeugen und damit die Anleihen bei verschiedenen Genres zu unterstreichen. Da wir, von drei Drehtagen abgesehen, stets bei Tag arbeiten mussten, standen wir vor dem Problem, trotz Sonnenlicht eine überzeugende Nachtatmosphäre zu simulieren. Dafür haben wir die Rollläden im „Hotel“ fast gänzlich abgesenkt und die Fenster mit Effektfolien abgedeckt. Oft reichte dann das von außen einfallende Tageslicht aus, um – durch die Folien gebrochen – auch uns selbst in einen nächtlichen Zustand zu versetzen. Das war letzthin gar nicht mal schlecht: Falko und ich sind Nachtmenschen, aus irgendeinem Grund ist unsere Produktivität des Nachts am höchsten.

Die erste Episode, in der der Kleinkriminelle „Falko“ (gespielt von Rami Abu-Issa) im HOTEP nach und nach seiner Vergangenheit auf den Grund geht, beginnt mit einem Sonnenuntergang und intensiven Gelb- und Rottönen – als es Nacht wird im Zimmer 3, nimmt die Farbintensität ab und geht in dunkle Blautöne über. Der Sonnenuntergang bereitete uns anfangs ernsthafte Schwierigkeiten. Im Eingangsbereich gab es keine Probleme: Wir klebten die Fenster mit der Effektfolie „California Sun“ ab und bauten davor einen Baustrahler auf (zum Glück reichten die Verlängerungskabel bis in den Keller).

hotep von außen beleuchtetes Fenster Foto: Skyroad Films
„Zimmer 3" – von außen beleuchtet      
Bei Zimmer 3, das im ersten Stock direkt vor einer Garagensenke lag, also gut 15 Meter über dem Boden, taugte diese Taktik nicht. Unser höchstes Stativ maß knapp 2,5 Meter. Wir mussten, wie so oft, improvisieren. Mittels einiger starker Kabel und Drähte gelang es uns, einen der Baustrahler auf einem Stativ außen vor das Fenster zu hängen und innen zu befestigen. Wer genau hinschaut, wird im Film die Drähte erkennen, die unter dem nicht gänzlich geschlossenen Fensterrahmen hindurch ins Zimmer verlaufen. Solche Filmfehler, die aber in der Regel nur den ganz genauen Beobachtern auffallen, sind bei einem Projekt dieses Budgets nicht zu vermeiden, passieren aber auch den ganz großen Produktionen. Ein Beispiel: In James Camerons „Titanic“, dem bisher erfolgreichsten Film aller Zeiten (der gerade von Christopher Nolans brillantem „The Dark Knight“ überrundet zu werden droht), gibt es eine Szene, in der sich die gesamte Crew in einer Glastür spiegelt – der Zuschauer bemerkt so etwas fast nie...

Eine weitere Hürde waren die Schatten. Während in einigen Szenen des Films das Spiel mit den Schatten ganz bewusst und zielgerichtet ist, war es an anderen Stellen mehr als schwierig, sie in den Griff zu bekommen. Das Zimmer und der Gang, in dem das Gros der Szenen spielt, bieten beide nur begrenzten Spielraum, da sie nicht Kulisse, sondern Räume eines realen Wohnhauses sind. Im Zimmer, in dem zumeist drei Leuchten aktiv und noch dazu der Dolly im Einsatz waren, wurde es nicht selten äußerst eng.

hotep Rami Abu-Issa
Rami Abu-Issa in HOTEP (Szenenfoto), starkes Licht und Schattenspiel

Die Leuchten hatten einerseits eine atmosphärische Aufgabe, andererseits eine rein praktische: Aufgrund der heruntergelassenen Rollläden (das Tageslicht hätte die Illusion zerstört) war es im Zimmer schlicht dunkel – der von der Kamera erfasste Bereich musste zusätzlich ausgeleuchtet werden. Es dauerte anfangs lange, bis wir herausgefunden hatten, wie wir die Leuchten platzieren mussten, um nicht doppelte und dreifache überlappende Schatten im Fokus zu haben. Dazu kam, dass wir die Lichtposition bei beinahe jeder neuen Einstellung anpassen mussten.

Bei Close-Ups von Gesichtern verwendeten wir zumeist die Effektfolie „Chocolate“ – ein weiches Braun, das vor allem die Haut angenehm hervorhebt. In Szenen, in denen bei Close-Ups Wasser- oder Feuerflackern in Gesichtern sichtbar sein sollte, bedienten wir uns eines denkbar einfachen Mittels: Wir hielten den Darstellern eine mit Silberfolie beschichtete Reflektorplatte unter das Gesicht, die während der Aufnahme leicht bewegt und geschwenkt wurde und so dem entsprechenden Licht Dynamik verlieh.

hotep Tim Olrik Stöneberg Foto: Skyroad Films
Tim Olrik Stöneberg in HOTEP: ein bisschen Leone und ganz viel „Johnny"

In der zweiten Episode, der des abgehalfterten Rockmusikers Johnny (gespielt von Tim Olrik Stöneberg) ist das Bild überwiegend in einem Sepiaton gehalten – eine Reminiszenz an den Stil der 70er Jahre und an die Leone-Western. Körnigkeit und blasse Farben lassen das Bild älter erscheinen, dazu gesellen sich intensivere Schatten, wiederum angelehnt an Filme wie „Für eine Handvoll Dollar“, „Midnight Express“, „Die Unbestechlichen“, Halloween“ oder „Dirty Harry“, was unseres Erachtens zu Johnnys Charakter passt. Nicht umsonst trägt Johnny seinen Namen.

Die dritte Episode, in der Mira (Evi Amon) ganz unverhofft im HOTEP erwacht und dort seltsame Dinge erlebt, ist die düsterste. Der gesamte Abschnitt ist in einem starken, von hell zu dunkel variierenden Blauton gehalten. Hier verwendeten wir die Effektfolien „Tokio Blue“ (ein dunkles Blau mit Lila), das sehr intensive „Full CT Blue“, sowie ein Hellblau, das einem gedämmten Tageslicht ähnelt. Die Wende der Handlung bringt auch einen Farbwechsel hin zu Sepia mit sich, wodurch ein Film-Noir-Stil entstehen soll.  

hotep Außendreh in Niederbolheim Foto: Skyroad Films
Beim Außendreh in Niederbolheim | Alle Fotos: Skyroad Films

Die Außenaufnahmen in Niederbolheim bei Düren fanden größtenteils tatsächlich bei Nacht statt. Die dafür von uns in Beschlag genommene Straße vor dem Haus, das das HOTEP von außen zeigt, mussten wir mehrmals für passierende Fahrzeuge räumen. Das Licht und der Kamerakran mussten also öfter als sonst völlig neu ausgerichtet werden. Das war aber noch das Geringste – es kam, wie es kommen musste und wurde ein Drehtag, den wir so schnell nicht vergessen. Mitten im Dreh stürzte der Hauptstrahler um und brannte durch, was wir durch Improvisation beheben konnte. Mit dem zweiten stürzenden Strahler verabschiedete sich durch einen Kurzschluss dann die Hauptsicherung, zu der wir keinen Zugang hatten – glücklicherweise in einem Zusatz-Take der letzten Szene des Abends. Lediglich das Zusammenräumen der Ausrüstung dauerte bei völliger Dunkelheit noch eine Weile...
(CH)

Sehen Sie auch den Filmclip in dieser Ausgabe der NRhZ, in dem Falko Jakobs die „magischen Lichter" in HOTEP erklärt.


In Teil 10 der HOTEP-Serie in der NRhZ gibt es einen Rückblick auf zwei Jahre Arbeit, bevor HOTEP am 1. November 2008 um 20 Uhr im Kino Broadway in Trier Premiere feiert.

Htop - Buchtitel




Falko Jakobs und Gerrit Wustmann:
„HOTEP – Das Buch zum Film“
herausgegeben von Skyroad Films,
1. Auflage 2007,
pernobilis edition, Leipzig,
9,95 Euro
ISBN: 978-3-86703-595-8

Online-Drehtagebuch: www.hotep-derfilm.blogspot.com
Offizielle Filmwebsite: www.hotep.skyroadfilms.com


Die HOTEP-Serie in der Neuen Rheinischen Zeitung:HOTEP – Buchrezension von Peter Kleinert
Teil 1: Von Anfang an...
Teil 2: Auszug aus dem Originaldrehbuch
Teil 3: Die Hauptdarsteller
Teil 4: Nebenrollen und Special Guest
Teil 5: Die Dreharbeiten
Teil 6: Dreharbeiten in Trier
Teil 7: Drehbuchauszug – Die Barszene
Teil 8: Die Filmmusik


Online-Flyer Nr. 163  vom 10.09.2008

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