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Kultur und Wissen
Rezension von Wolfgang Bittners Buch „Das andere Leben“
Starke Geschichten
Von Ulrich Klinger
Wahrhaft feines Gefühl für Sprache – Wolfgang Bittner
Foto: NRhZ-Archiv
Umso schöner für den Leser/die Leserin, dass der Horlemann Verlag jetzt mit „Das andere Leben“ einen Teil seiner Erzählungen wieder zugänglich macht. Es sind starke Geschichten aus den letzten Jahrzehnten: von Menschen, die sich im wahrsten Sinn des Wortes nach dem anderen Leben sehnen – und es dann auch tun. Nicht am Schreibtisch oder auf der Parkbank zu Hause, verträumt, resigniert, sondern es wagen, zu Hause ihre Träume umzusetzen oder in ferne Länder reisen und dort ihre Erfahrungen machen.
Kein Wunder, dass bei Bittners Vorliebe für Kanada uns gleich die erste Geschichte „Das Haus in den Mackenzie-Bergen“ dorthin führt. (Ein großer Teil seiner Jugendromane spielt dort, er hat die Wildnis mehrere Male bereist und wochen- bzw. monatelang dort gelebt.) Der Protagonist läßt sich mit einem Wasserflugzeug im kanadischen Norden absetzen, er folgt der Einladung eines flüchtigen Bekannten, der dort in der Wildnis lebt. Aber er trifft nicht auf die Stille, sondern auf eine Gruppe Großstadtmenschen, die Selbsterfahrung suchen. Welten treffen aufeinander. Hier der Jäger und Fischer, dort die eingeschworenen (aber ach so toleranten) Vegetarier. Das kann nicht gutgehen, das Ende dieser Reise ist programmiert.
Erinnert an Altmeister Hemingway
Soweit der, zugegeben, etwas grobe Inhalt. Die Art, wie diese Geschichte geschrieben ist, die macht es in Wirklichkeit aus. Genau beschreibend, sowohl Landschaft, Tätigkeiten und die Menschen, das ist es, was Wolfgang Bittner auszeichnet. Ohne vergleichen zu wollen, erinnert dies im Stil an die besten Stories von Altmeister Hemingway. Und auch Bittner ist es wichtig, dass er nur über Dinge schreibt, die er aus persönlicher Erfahrung kennt. Er hat dieses Leben zeitweise selbst geführt, kennt sich mit dem Jagen und Fischen aus, und das spürt man in jeder Zeile.
Aber nicht nur in ferne Länder führen uns seine Erzählungen, sondern die Suche nach dem wahren Leben findet auch in unserer Gesellschaft statt. Als Beispiel sei nur „Ein ungewöhnlicher Sozialfall“ angeführt. Nicht ohne Grund wurde sie zuerst in der gewerkschaftseigenen „Welt der Arbeit“ veröffentlicht. Etwas ganz alltägliches wird erzählt. Eine Sozialhilfeempfängerin wird angezeigt und der Sozialarbeiter kommt und überprüft die reale Situation. Banal, nicht wahr? Aber er entdeckt das Leben hinter der Fassade, trifft auf offene Menschen. Die Geschichte endet mit den Worten: „Als die Haustür zugefallen war und er sich umblickte, bemerkte er, dass er sich wieder in der Vorstadt befand“.
Kleinbürgerlichkeit triumphiert. Deutschland pur!
Vom Scheitern der ganz eigenen Art handelt „Ein Verwaltungsakt“. Ein Mann will seine Obstbäume schneiden, einen kleinen Traum, seinen Traum verwirklichen. Doch es kommt anders. Eine Strasse soll gebaut werden – mitten durch seinen Garten. Das Ehepaar will sich wehren, aber sämtliche Aufregung bleibt nach innen gerichtet. Richtige (wahre) Sätze fallen – über den Zustand der Gesellschaft, über Verwaltungswillkür und das Verhältnis von oben zu unten – große Aufregung, doch als er sich endlich zum Widerspruch entschließt, sind alle Fristen verstrichen. Und als die ganze Aufregung überstanden ist, der Garten vernichtet aber immerhin mit einem goldenen Handschlag veredelt wird, da wird dann halt dies als Erfolg gewertet. Vom ursprünglichen Ziel, vom ursprünglichen Traum bleibt in diesem Fall nichts mehr übrig, Kleinbürgerlichkeit triumphiert. Deutschland pur! Ganz simpel erzählt – und deshalb so meisterhaft.
Und so springen die Erzählungen mit Ihren jeweiligen Handlungsorten hin und her, zeigen uns die Vielfalt der Welt, erzählen von Hoffnungen und Erwartungen der Menschen oder eben auch vom Scheitern.
Sie machen Mut und – ganz profan gesagt – Spaß beim Lesen. Denn was Bittner auszeichnet, ist nicht nur ein wahrhaft feines Gefühl für Sprache, sondern die Fähigkeit, alltägliche Dinge genau zu betrachten und zu beschreiben. Das ist faszinierend, wenn es sich um uns unbekannte Lebenszusammenhänge handelt, das wird absolut ersichtlich, wenn er Personen oder Geschehen beschreibt, die praktisch vor unserer Haustür leben.
Wolfgang Bittner „Das andere Leben“, Erzählungen, Horlemann Verlag 2007, 152 Seiten, € 12,90
Online-Flyer Nr. 88 vom 28.03.2007
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Rezension von Wolfgang Bittners Buch „Das andere Leben“
Starke Geschichten
Von Ulrich Klinger
Wahrhaft feines Gefühl für Sprache – Wolfgang Bittner
Foto: NRhZ-Archiv
Umso schöner für den Leser/die Leserin, dass der Horlemann Verlag jetzt mit „Das andere Leben“ einen Teil seiner Erzählungen wieder zugänglich macht. Es sind starke Geschichten aus den letzten Jahrzehnten: von Menschen, die sich im wahrsten Sinn des Wortes nach dem anderen Leben sehnen – und es dann auch tun. Nicht am Schreibtisch oder auf der Parkbank zu Hause, verträumt, resigniert, sondern es wagen, zu Hause ihre Träume umzusetzen oder in ferne Länder reisen und dort ihre Erfahrungen machen.
Kein Wunder, dass bei Bittners Vorliebe für Kanada uns gleich die erste Geschichte „Das Haus in den Mackenzie-Bergen“ dorthin führt. (Ein großer Teil seiner Jugendromane spielt dort, er hat die Wildnis mehrere Male bereist und wochen- bzw. monatelang dort gelebt.) Der Protagonist läßt sich mit einem Wasserflugzeug im kanadischen Norden absetzen, er folgt der Einladung eines flüchtigen Bekannten, der dort in der Wildnis lebt. Aber er trifft nicht auf die Stille, sondern auf eine Gruppe Großstadtmenschen, die Selbsterfahrung suchen. Welten treffen aufeinander. Hier der Jäger und Fischer, dort die eingeschworenen (aber ach so toleranten) Vegetarier. Das kann nicht gutgehen, das Ende dieser Reise ist programmiert.
Erinnert an Altmeister Hemingway
Soweit der, zugegeben, etwas grobe Inhalt. Die Art, wie diese Geschichte geschrieben ist, die macht es in Wirklichkeit aus. Genau beschreibend, sowohl Landschaft, Tätigkeiten und die Menschen, das ist es, was Wolfgang Bittner auszeichnet. Ohne vergleichen zu wollen, erinnert dies im Stil an die besten Stories von Altmeister Hemingway. Und auch Bittner ist es wichtig, dass er nur über Dinge schreibt, die er aus persönlicher Erfahrung kennt. Er hat dieses Leben zeitweise selbst geführt, kennt sich mit dem Jagen und Fischen aus, und das spürt man in jeder Zeile.
Aber nicht nur in ferne Länder führen uns seine Erzählungen, sondern die Suche nach dem wahren Leben findet auch in unserer Gesellschaft statt. Als Beispiel sei nur „Ein ungewöhnlicher Sozialfall“ angeführt. Nicht ohne Grund wurde sie zuerst in der gewerkschaftseigenen „Welt der Arbeit“ veröffentlicht. Etwas ganz alltägliches wird erzählt. Eine Sozialhilfeempfängerin wird angezeigt und der Sozialarbeiter kommt und überprüft die reale Situation. Banal, nicht wahr? Aber er entdeckt das Leben hinter der Fassade, trifft auf offene Menschen. Die Geschichte endet mit den Worten: „Als die Haustür zugefallen war und er sich umblickte, bemerkte er, dass er sich wieder in der Vorstadt befand“.
Kleinbürgerlichkeit triumphiert. Deutschland pur!
Vom Scheitern der ganz eigenen Art handelt „Ein Verwaltungsakt“. Ein Mann will seine Obstbäume schneiden, einen kleinen Traum, seinen Traum verwirklichen. Doch es kommt anders. Eine Strasse soll gebaut werden – mitten durch seinen Garten. Das Ehepaar will sich wehren, aber sämtliche Aufregung bleibt nach innen gerichtet. Richtige (wahre) Sätze fallen – über den Zustand der Gesellschaft, über Verwaltungswillkür und das Verhältnis von oben zu unten – große Aufregung, doch als er sich endlich zum Widerspruch entschließt, sind alle Fristen verstrichen. Und als die ganze Aufregung überstanden ist, der Garten vernichtet aber immerhin mit einem goldenen Handschlag veredelt wird, da wird dann halt dies als Erfolg gewertet. Vom ursprünglichen Ziel, vom ursprünglichen Traum bleibt in diesem Fall nichts mehr übrig, Kleinbürgerlichkeit triumphiert. Deutschland pur! Ganz simpel erzählt – und deshalb so meisterhaft.
Und so springen die Erzählungen mit Ihren jeweiligen Handlungsorten hin und her, zeigen uns die Vielfalt der Welt, erzählen von Hoffnungen und Erwartungen der Menschen oder eben auch vom Scheitern.
Sie machen Mut und – ganz profan gesagt – Spaß beim Lesen. Denn was Bittner auszeichnet, ist nicht nur ein wahrhaft feines Gefühl für Sprache, sondern die Fähigkeit, alltägliche Dinge genau zu betrachten und zu beschreiben. Das ist faszinierend, wenn es sich um uns unbekannte Lebenszusammenhänge handelt, das wird absolut ersichtlich, wenn er Personen oder Geschehen beschreibt, die praktisch vor unserer Haustür leben.
Wolfgang Bittner „Das andere Leben“, Erzählungen, Horlemann Verlag 2007, 152 Seiten, € 12,90
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