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Kommentar
Internationale Konferenz "NATO-Aggression – Never to forget – 1999-2019", Belgrad, 22.-23.03.2019
„Serbien wird nie in die NATO gehen!“
Von Rudolf Hänsel

„Peace and Progress instead of Wars and Poverty“ lautete der Titel der Internationalen Konferenz zum 20. Jahrestag der NATO-Aggression gegen die Bundesrepublik Jugoslawien (FRY) in Belgrad. Veranstalter waren das „Belgrader Forum für eine Welt von Gleichberechtigten“, der „Serbische Club der Generäle und Admiräle“ und die „Serbische Gastgesellschaft“ in Kooperation mit dem „Weltfriedensrat“ (World Peace Council, WPC). Vertreter aus nahezu 50 Ländern brachten in der zweitägigen Konferenz ihre uneingeschränkte Solidarität mit Serbien und den unzähligen Opfern des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs zum Ausdruck. Neben vielen anderen Stellungnahmen ist auch die Erklärung des serbischen Verteidigungsministers Aleksandar Vulin erwähnenswert: „Serbien wird nie in die NATO gehen!“


Serbiens Verteidigungsminister Aleksandar Vulin (Fotos: arbeiterfotografie.com)


Ein Krieg, der nicht zu Ende geht

Die Bombardierung Serbiens 1999 dauerte 78 Tage. 1.031 Soldaten wurden getötet, 5.173 Soldaten und Polizisten verwundet, 2.500 Zivilisten umgebracht – darunter 78 Kinder – und über 6000 Zivilisten verwundet. Als besonders verheerend für Mensch, Tier und Umwelt erwies sich der Einsatz hochgiftiger und radioaktiver Urangeschosse der US-geführten NATO (10 bis 15 Tonnen). (1) Für die unabhängige amerikanische Geowissenschaftlerin und internationale Expertin für Strahlung und Öffentliche Gesundheit, Leuren Moret, war dieser Angriffskrieg unter dem zynischen Codenamen „Barmherziger Engel“ die Blaupause für die nachfolgenden Angriffskriege in den 90er Jahren. Deutschland als Nato-Partner war nach Moret einer der größten Nutznießer der Zerschlagung Jugoslawiens und der Kolonialisierung des Balkans. (2)

In einem Fachartikel „Uranmunition: Trojaner des Atomkriegs“ schreibt Morat über bestürzend ähnliche Parallelen zwischen den Kriegen im Irak, in Jugoslawien und Afghanistan: „In allen Städten wurden die Fernseh- und Radiosender sowie die Ausbildungsstätten bombardiert. (…) Kulturelle Antiquitäten und historische Kostbarkeiten wurden in allen drei Ländern als Ziele erfasst und zerstört, eine Art kulturelle und historische Reinigung, ein kollektives und nationales psychisches Trauma. Die permanente radioaktive Kontamination und Umweltverwüstung aller drei Länder ist noch nie da gewesen und beispiellos, gefolgt von einer hohen Zunahme an Krebs und Geburtsdefekten auf diese Angriffe. Diese werden auf Dauer zunehmen mit unbekannten Auswirkungen aufgrund chronischer Belastung und steigender innerer Bestrahlungs-Belastungen durch Uranstaub. Die genetischen Auswirkungen werden übertragen auf künftige Generationen. Ganz klar, das war von Anfang an ein Plan zur Volksvernichtung, zum Genozid.“ (3)

In Serbien haben multiple Krebserkrankungen inzwischen ein epidemisches Ausmaß erreicht. Nach Angaben des serbischen Gesundheitsministeriums erkranken jährlich etwa 33.000 Menschen. Das gesamte Land ist verseucht. Durch die Schädigung des Erbguts (DNA) werden Generation um Generation missgebildete Kinder zur Welt kommen. Es gibt keine Familie ohne bösartige Erkrankungen.

Laut neueren Statistiken erkranken in Serbien etwa doppelt so viele Kinder wie im restlichen Europa, das heißt 355 Kleinkinder pro eine Million Einwohner, während es im übrigen Europa 165 pro eine Million Einwohner sind. Vor 1999 waren es 160 Kinder. Bei Kindern zwischen dem fünften und neunten Lebensjahr nimmt vor allem die Leukämie zu. Laut dem Onkologen Professor Slobodan Cikaric ist der Anteil der Leukämie-Kranken um 110 Prozent höher als vor der Bombardierung. (4)

Die schwerwiegenden radioaktiven Verstrahlungen von Menschen und anderen Lebewesen und die Verseuchung der Umwelt sind nicht rückgängig zu machen. Aber dringend angesagt wäre eine Entschuldigung beim serbischen Volk für die begangenen Verbrechen sowie eine materielle und immaterielle Wiedergutmachung: Dazu gehören die Offenlegung der Einsatzorte und der Zusammensetzung der verwendeten Waffen, die Reinigung des Erdreichs und der Gewässer, die finanzielle Entschädigung aller Opfer sowie die medizinische Betreuung der Familien. Für die serbischen Spitäler sind zusätzliche Fachärzte, Pflegepersonal und medizinische Geräte sowie Medikamente bereitzustellen. Die zerstörte Infrastruktur sowie die vernichteten Industriearbeitsplätze sind wiederherzustellen. Die Verantwortlichen der US-NATO-Aggression müssen sich vor einem internationalen Gericht verantworten. Kriegsverbrechen und Völkermord verjähren nicht.

Doch alle beteiligten NATO-Länder lehnen eine Wiedergutmachung generell ab. Aber nicht nur das: das serbische Volk wird von einem führenden NATO-Vertreter auch noch beleidigt und die Opfer des Krieges werden verhöhnt: Am 18.10.2018 äußerte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor Studenten der Belgrader Universität öffentlich, die NATO-Bombardierung Jugoslawiens 1999 wäre „zum Schutz der Bevölkerung und zur Verhinderung der weiteren Handlungen des Regimes von Milosevic“ geschehen. (5)

Einhellige Verurteilung der Kriegsverbrechen und des Genozids der US-NATO

Unter den geladenen Rednern und Gästen der Konferenz waren Wissenschaftler verschiedener Disziplinen, ehemalige Minister und mehrere Abgeordnete der russischen Duma. Sie alle verurteilten den mörderischen Angriffskrieg der US-geführten NATO und die schwerwiegenden Konsequenzen für das serbische Volk auf das Schärfste. Unter anderem wurde geäussert: „Wir können vergeben, aber wir können nicht vergessen!“ oder „Wir müssen aus der Lektion der Vergangenheit lernen!“ Ein russischer Abgeordneter meinte: „Alle slawischen Menschen erinnern sich daran, was sich vor 20 Jahren ereignete.“ Ein Jurist sagte: „Der militärische Einsatz von Depleted Uranium (DU) ist eine Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen Gott.“ Ein weiterer russischer Redner forderte: „Es ist die Zeit gekommen, den USA die ’Rote Karte‘ zu zeigen!“

Angesichts dieser einhelligen Stellungnahmen schämte man sich als deutscher Kongressteilnehmer vor den serbischen Gastgebern, als bekannt wurde, dass der deutsche Außenminister Heiko Maas in einem Zeitungsbericht die deutsche Beteiligung am völkerrechtswidrigen NATO-Angriffskrieg ohne UN-Mandat als „verantwortungsvolles Handeln“ bezeichnete. Im NATO-Hauptquartier in Brüssel werden die Sektkorken geknallt haben.

Eindeutige Stellungnahme des serbischen Verteidigungsministers Aleksandar Vulin


Als positiv hervorzuheben ist das abgegebene Versprechen des serbischen Verteidigungsministers unter lang anhaltendem Beifall der Kongressteilnehmer: „Serbien wird nie in die NATO gehen!“ Zuvor hat er in einer bewegenden Rede zum Ausdruck gebracht, dass es für ihn erschütternd sei, dass serbische Kinder und serbische Zivilisten als „Kollateralschäden“ des schrecklichen Kriegsverbrechens bezeichnet wurden. Das sei wohl einzigartig in der Welt.


Serbiens Verteidigungsminister Aleksandar Vulin mit Dia Nader de El-Andari (Diplomatin der Bolivarischen Republik Venezuela in Serbien)

Inwieweit der Verteidigungsminister sein Versprechen in Zukunft einhalten kann, wird sich angesichts des enormen Drucks der USA und der EU, Serbien in die EU und damit in die NATO zu integrieren beziehungsweise zu zwingen, zeigen. Eine Information aus zuverlässiger Quelle soll das verdeutlichen: So plante das serbische Militär zum 20. Gedenktag der NATO-Aggression in Belgrad oder Nis eine Militärparade. Diese durfte jedoch auf Druck der USA nicht stattfinden (!). Offiziell wurde sie einfach abgesagt.

Trotz des traurigen Anlasses herrschte während der zwei Konferenztage eine positive Grundstimmung. So vergaß man auch nicht, sich mit Ländern wie Syrien, Jemen, Palästina und Venezuela solidarisch zu erklären. Deshalb wird vom Kongress in Belgrad, der Hauptstadt Serbiens, eine die Völker verbindende Botschaft des Friedens ausgehen.


Quellenangaben und Anmerkungen:

(1) Siehe NRhZ Nr. 631 vom 04.10.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24205
(2) Siehe NRhZ Nr. 633 vom 18.10.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24243
(3) A.a.O.
(4) Siehe Interview des Autors in serbischer Tageszeitung „Novosti“ vom 24.02.2019
(5) Siehe NRhZ Nr. 677 vom 10.10.2018
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25289


Dr. Rudolf Hänsel ist Erziehungswissenschaftler und Diplom-Psychologe.




Siehe auch:

Wird in Belgrad ein serbischer "Majdan" vorbereitet?
Hände weg von Serbien!
Von Rudolf Hänsel
NRhZ 700 vom 13.04.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25815

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In Erinnerung an die NATO-Aggression gegen Jugoslawien vor 20 Jahren
Das imperiale Lügenkonstrukt zerbrechen
Von Arbeiterfotografie
NRhZ 698 vom 29.03.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25766

Fotogalerie
Ausstellung im Rahmen der Internationalen Konferenz "NATO-Aggression – Never to forget – 1999-2019", Belgrad, 22.-23.03.2019
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Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 699 vom 03.04.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25790

Filmclip
Internationale Konferenz "NATO-Aggression – Never to forget – 1999-2019", Belgrad, 22.-23.03.2019
Peter Handke – ein Freund Serbiens – zur NATO-Aggression 1999 vor 20 Jahren
Von Arbeiterfotografie
NRhZ 698 vom 29.03.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25764

Filmclip
Serbiens Verteidigungsminister Aleksandar Vulin im Rahmen der Internationalen Konferenz "NATO-Aggression – Never to forget – 1999-2019", Belgrad, 22.-23.03.2019
Serbien wird nicht der NATO beitreten
Von Arbeiterfotografie
NRhZ 699 vom 03.04.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25792

Internationale Konferenz "NATO-Aggression – Never to forget – 1999-2019", Belgrad, 22.-23.03.2019
Never to forget – Niemals vergessen: 1999-2019
Abschlusserklärung der Konferenz
NRhZ 698 vom 29.03.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25763

Internationale Konferenz "NATO-Aggression – Never to forget – 1999-2019", Belgrad, 22.-23.03.2019
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NRhZ 698 vom 29.03.2019
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NRhZ 698 vom 29.03.2019
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NRhZ 698 vom 29.03.2019
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Fulvio Grimaldi - interviewt von Anneliese Fikentscher
NRhZ 699 vom 03.04.2019
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http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25770

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Rainer Rupp – interviewt von Anneliese Fikentscher
NRhZ 700 vom 10.04.2019
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Online-Flyer Nr. 698  vom 29.03.2019



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