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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Aktuelles
Zum Tod des Schriftstellers und Friedensutopisten Karl C. Fischer
Ach, Karl!
Von Michaela Steinbrück, Ralf Rohrmoser von Glasow und Anneliese Fikentscher

"Weil alle Menschen es wollten sind Geld und Kriege abgeschafft und jeder hat Anspruch auf Wohlstand, weil er ein Mensch ist." Das war das Lebensmotto von Karl C. Fischer, dem aus Frankfurt stammenden und in Köln wirkenden praktischen Menschen, für den zum Frieden auch ein soziales Auskommen selbstredend dazu gehörte. Als Gewerkschafter und Mitglied im Verband Deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller vertrat Karl C. Fischer seinen persönlichen, streitbar konstruktiven Standpunkt. Bei der Neuen Rheinischen Zeitung war er von Anfang an dabei. Es folgen hier zunächst drei Nachrufe von KollegInnen, FreundInnen, MitstreiterInnen...


Aus der Arbeiterfotografie-Ausstellung "Kriegskinder"


Karl! Du bist gestorben. Ich habe die Nachricht zu spät gelesen und deshalb Dein Begräbnis versäumt. Würdest Du noch leben, wärest Du darüber nicht gekränkt. Aber schade ist es doch, denn ich hätte mich lieber mit den anderen Freund/innen und Kolleg/innen von Dir verabschiedet als allein. Karl, Du warst so ein lieber, so ein sperriger, so ein widerständischer, so ein empörter – und so ein zerbrechlicher Knochen. Ich bin von Herzen froh (auch wenn es mir gleichzeitig schwer ist), vor Weihnachten noch bei Dir gewesen zu sein. Das war so ein schöner Nachmittag! Extra feinen Tee hast du mir zubereitet und in einer besonderen Tasse serviert. Und Wiener MannerSchnitten hast du mir geschenkt. Weil Du, wie Du mehrfach betontest, mir eine Freude machen wolltest. Und das ist Dir gelungen. Überhaupt war unsere Beziehung eine Freude – nach anfänglichen Schwierigkeiten; denn Du hast mich einem politischen Lager zugeordnet, dem ich zwar angehörte – vor langer Zeit – , das ich aber auch vor langer Zeit verlassen habe, damals ohne eine politische oder soziale Alternative gesehen und gehabt zu haben, mit großer Einsamkeit danach. Als ich vor vier Jahren durch meinen Eintritt in den VS (Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller) mit Dir in Berührung kam, war das der leider viel zu späte Kontakt, den ich immer schon wollte. Deshalb traf mich Deine Unterstellung so heftig. Und für einen Augenblick stand unsere geplante Zusammenarbeit für den 1. Mai auf dem Spiel. Aber so wie ich Dir, so hast auch Du mir zugehört – und plötzlich sagtest Du, es täte Dir leid: manchmal würdest Du Menschen falsch beurteilen, weil Du sie mit bestimmten Erinnerungen in Verbindung brächtest, die dann stärker seien als die reale Wahrnehmung. Nachdem das geklärt war, war es wirklich gut mit uns. Die Zusammenarbeit für die 1. Mai-Reportage, unser beider Wunsch, dem 1. Mai seine Geschichte wiederzugeben, die Versammlung vor dem Abmarsch mit literarischer Qualität in Berührung zu bringen, den Versammelten überhaupt einen Begriff von unserer Existenz zu geben: wir trafen uns in dem Wunsch, auch über den 1. Mai hinaus eine Verbindung herzustellen zwischen Arbeiter/innen, Gewerkschaft und Schriftsteller/innen. Du warst ja Jahrzehnte im Werkkreis Literatur der Arbeitswelt, hast dort viel veröffentlicht. An unserem letzten Nachmittag hast Du mir noch – sehr interessant – von den Arbeits-, Organisations- und Distributionsformen des Werkkreis erzählt, weil ich ja mittlerweile mit der Wiener „Tarantel“ zu tun habe, die Dir bekannt war und ein Magazin des Werkkreises ist. Dein Tod, lieber Karl, reißt eine schmerzhafte Lücke in unseren VS und in mein Leben. Mach’s gut! Wir machen weiter.

Mischi Steinbrück (Schauspielerin, Sängerin, Autorin)


Karl ist tot. Karl C. Fischer ist 80 Jahre alt geworden. Er war ein Gerader, ein Unbeugsamer, ein Sozialdemokrat. Einer, wie wir uns heute mehr wünschen würden. Der für seine Ansichten einstand. Karl war kein intellektueller Linker, auch wenn er ein kluger Kopf war. Er war mit dem Herzen Linker, schon mit jungen Jahren, und er ist es geblieben. Schon in Frankfurter Zeiten hat er als Jungsozialist für bessere Zeiten gekämpft. Als Drucker wusste er um die Macht des Wortes. Und das beherrschte er geschliffen. Seine Sprache war klar und lakonisch, das hat er als Autor bewiesen. Keine verschnörkelten Weisheiten hat er niedergeschrieben, sondern seine Wahrheit, aus der Arbeits- und Betriebswelt, aus seinem politischen Leben. Solidarität hat er gelebt und war damit ein Vorbild für uns Jüngere. Immer hat er den Austausch gesucht, nie müde werdend, dazu zu lernen. Aber jemand nach dem Munde reden war sein Ding nicht. Er hat gestritten und disputiert, nie um des Selbstzwecks willen, sondern immer um die Sache.  Wir waren einige Jahre engagierte Partner in der Friedensbewegung und haben mehrfach den Ostermarsch Rheinland organisiert. Es war stets engagiertes Arbeiten, zielorientiert, auf dem Weg zu einer besseren Welt, an die er glaubte. Wir haben viele Stunden miteinander verbracht. Faszinierend waren seine Texte, die er mit seiner angenehmen, ruhigen Stimme vortrug. Da war es still. Sie waren authentisch und lösten so manche Diskussion aus. Ja, er war streitbar. Auf der wunderschönen Feier zu seinem 80. Geburtstag in den Räumen der Arbeiterfotografie hatte er sie noch einmal um sich versammelt, Freundinnen und Freunde, Weggefährten und Mitstreiterinnen. Und er hat sich mit einem verschmitzten Lächeln in seinem Sessel zurückgelehnt, als seine Gäste eine heftige Diskussion begannen. Das war, was er mochte: Impulse geben, Anstöße geben, um der Wahrheit näher zu kommen, ob als Friedenskämpfer, Autor, Mitglied im Werkkreis Literatur der Arbeitswelt oder als Sportler im RKB Solidarität. Karl ist tot. Er wird uns fehlen, solche wie ihn gibt es nur selten. Wir werden seine kompromisslose Art und sein Einfühlungsvermögen vermissen, seine Bereitschaft, für sich und andere einzustehen. Er liegt jetzt neben seiner Hanni. Mach’s gut, alter Freund.

Ralf Rohrmoser-von Glasow (Reporter)


Ach, Karl! Was warst Du nur für ein liebenswerter besonderer Mensch! Jetzt bist Du gegangen und mit Dir viele Erinnerungen, Erfahrungen und Dein Wissen, von dem Du noch so viel – auch an junge Menschen – weiterzugeben gehabt hättest! Jetzt können wir Dich nicht mehr befragen... Im politischen – Kölner – Spektrum sind wir uns immer wieder über den Weg gelaufen. Beim Aufbau der Neuen Rheinischen Zeitung unter Federführung von Peter Kleinert (dem Du vielleicht in einer anderen besseren Welt begegnen kannst – zusammen mit Karl Marx?) warst Du von Anfang an dabei. Als Schriftsteller hast Du Dich immer wieder auch an junge Menschen gewandt. Herausragend dafür waren Deine Lebenserinnerungen, die so tragisch, aber schließlich aufbauend überwältigend in Deiner "Anklage des Jungen Christian gegen die Kriege dieser Welt" sich widerspiegeln. "Erwachsene Kinder" heißt Dein – wenn ich das so sagen darf – Hauptwerk, in dem sich grundlegende Erfahrungen eines – von den Eltern – ungeliebt gefühlten Kindes mit starken Prinzipien nachvollziehbar machen. Was warst Du nur für ein kleiner, starker, aufrichtiger Kerl, der den Erwachsenen ihre "Anpassungsfähigkeit" nach der Katastrophe des deutschen Faschismus im "III. Reich" nicht verziehen hat. Das verletzliche erwachsene Kind bist Du Zeit Deines Lebens geblieben. Und das war gut so, weil es Dich befähigt hat, die üblen Zustände und Entwicklungen in dieser Welt nicht einfach hinzunehmen. Besonders froh bin ich darüber, Dich in die "Kriegskinder"-Galerie der Arbeiterfotografie aufgenommen haben. Deine Vision "Weil alle Menschen es wollten sind Geld und Kriege abgeschafft und jeder hat Anspruch auf Wohlstand, weil er ein Mensch ist" soll uns Deinem Vorbild gemäß weiter motivieren, unseren persönlichen Beitrag zur Erlangung dieses Zustandes zu leisten. Ischvermissdisch!

Anneliese Fikentscher (Arbeiterfotografie, NRhZ, Freidenkerin)


siehe auch:

Online-Flyer Nr. 612  vom 10.05.2017
Veröffentlicht zum 80. Geburtstag des Kölner Schriftstellers
Weißer Jahrgang
Von Karl C. Fischer

Online-Flyer Nr. 611  vom 03.05.2017
Eine Anklage des Jungen Christian gegen die Kriege dieser Welt
Erwachsene Kinder (6)
Von Karl C. Fischer

Online-Flyer Nr. 610  vom 26.04.2017
Eine Anklage des Jungen Christian gegen die Kriege dieser Welt
Erwachsene Kinder (5)
Von Karl C. Fischer

Online-Flyer Nr. 609  vom 19.04.2017
Eine Anklage des Jungen Christian gegen die Kriege dieser Welt
Erwachsene Kinder (4)
Von Karl C. Fischer

Online-Flyer Nr. 608  vom 12.04.2017
Eine Anklage des Jungen Christian gegen die Kriege dieser Welt
Erwachsene Kinder (3)
Von Karl C. Fischer

Online-Flyer Nr. 606  vom 29.03.2017
Eine Anklage des Jungen Christian gegen die Kriege dieser Welt
Erwachsene Kinder (2)
Von Karl C. Fischer

Online-Flyer Nr. 605  vom 22.03.2017
Eine Anklage des Jungen Christian gegen die Kriege dieser Welt
Erwachsene Kinder (1)
Von Karl C. Fischer

Online-Flyer Nr. 561  vom 11.05.2016
Erster Mai – Kampftag der Arbeiterklasse
"Zeit für mehr Solidarität"
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Online-Flyer Nr. 560  vom 04.05.2016 - filmclip
Fiktive Reportage zum 1. Mai 1886 in Chicago
Knights of Labor – Heraus zum ersten Mai!
Von Arbeiterfotografie

Online-Flyer Nr. 540  vom 09.12.2015
25 Jahre Galerie Arbeiterfotografie: Meine Zeit – Meine Welt
Krieg braucht Killer – Frieden braucht uns

Online-Flyer Nr. 535  vom 04.11.2015
Arbeiterfotografie-Ausstellungspremiere bei der Nürnberger Linken Literaturmesse
Kriegskinder

mehr Beiträge über die NRhZ-Suchfunktion unter Eingabe:
Karl C. Fischer

Online-Flyer Nr. 644  vom 24.01.2018

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