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Kommentar
Zur Rezeption des US-Imperiums
Endlich Antiamerikanismus!
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Endlich ist es so weit! Das US-Imperium ist als das erkannt, was es ist. Selbst Linke und Mitglieder der Friedensbewegung dürfen es sagen, ohne des Antiamerikanismus bezichtigt zu werden. Widerwärtige, propagandistische Äußerungen des US-Präsidenten dürfen verurteilt werden. Endlich! Antiamerikanismus ist urplötzlich up-to-date. Was hat zu diesem Wandel geführt?

„Ich sage es ganz deutlich: Irans Atom- und Raketen-Aktivitäten stellen eine reale Bedrohung dar – nicht nur für die Vereinigten Staaten, sondern auch für Irans Nachbarn und unsere Bündnispartner... Wenn die iranische Bedrohung eliminiert ist, werden wir eine stärkere Sicherheitsbasis haben...“ tönt es aus Präsidentenmund (1)(2). Schließlich steht der Iran seit 1984 bis heute auf der US-Liste der "Schurkenstaaten". Mit der angeblich vom Iran ausgehenden Bedrohung begründet der Repräsentant des US-Imperiums den so genannten AEGIS-Raketenabwehrschirm, bei dem es sich in Wirklichkeit um ein System handelt, das einen Atomkrieg gegen Russland führbar machen soll, und verpackt es in die Worte: „Die Tschechische Republik und Polen haben Mut bewiesen, indem sie der Stationierung eines Verteidigungssystems gegen diese Raketen zustimmten.“ (1)(2)

Wie der US-Präsident gefeiert wird

Wie ist die Reaktion auf diese plumpe Propaganda? Eigenartig! Die Friedensbewegung hat gegen diese aggressiven Töne kaum protestiert. Nein! Sie hat die Rede, aus der die gegen den Iran gerichteten Töne stammen, nahezu gefeiert. Der US-Präsident habe eine „Welt ohne Atomwaffen“ beschworen. Das waren noch Zeiten! Es war nicht die Zeit eines Donald Trump. Es war die Zeit von Barack Obama. Im "Friedensforum – Zeitschrift der Friedensbewegung" wird die US-Propaganda regelrecht bejubelt: „Barack Obama hat die Vision einer besseren Zukunft. Sein politisches Gestaltungsprinzip ist die Hoffnung.“ Die USA habe „die Vision einer atomwaffenfreien Welt“ – die „Vision Null-Lösung“. Es ist Otfried Nassauer, wesentlicher Lieferant von Informationen zum Thema Atomwaffen, von dem diese Lobpreisungen stammen – in der Friedensforum-Ausgabe vom Juni 2009 (3).

Am 19. März 2011 heißt es dann aus Präsidentenmund: „Guten Abend allerseits. Heute habe ich die Streitkräfte der Vereinigten Staaten bevollmächtigt, eine begrenzte militärische Aktion in Libyen zu beginnen... Die Aktion hat soeben begonnen.“ (4) Das war der Beginn eines Krieges, der das Land innerhalb weniger Monate ins Chaos gestürzt und um Jahrzehnte zurückgeworfen hat – mit dem Ziel, eine Kraft auszuschalten, die für sich und womöglich für ganz Afrika eine Unabhängigkeit vom US-Imperium anstrebte. In Verdrehung der Tatsachen heißt es aus Reihen der Linken und der Friedensbewegung: „Natürlich ist es völlig richtig, das mörderische Treiben von Gaddafi zu stoppen; da sind wir uns hier alle einig.“ (5) Oder: „Mit großer Sorge beobachten wir das brutale und mörderische Vorgehen des Gaddafi-Regimes gegen die eigene Bevölkerung. Wir verurteilen dieses Vorgehen entschieden.“ (6) Oder: „Mit einer ungeheuren Brutalität versuchen gegenwärtig die Truppen des Diktators Muammar al Gaddafi den Aufstand in Libyen niederzuschlagen... Muammar Gaddafi ist ein Verbrecher und er gehört vor Gericht – besser früher als später.“ (7) Mit derartigen Äußerungen wurde die Kriegspropaganda Obamas verinnerlicht und gleichzeitig potenziert - statt zu sagen: Obama ist ein Verbrecher und er gehört vor Gericht – besser früher als später.

Und noch im August 2011 – als der Krieg gegen Libyen tobte, der den dort unter Gaddafi über Jahrzehnte mühsam aufgebauten Wohlstand mit einem Schlag vernichtet hat – ist bei einer Veranstaltung der Friedensbewegung zum Jahrestag der US-Verbrechen von Hiroshima und Nagasaki zu hören: „Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass ein amerikanischer Präsident die Vision einer atomwaffenfreien Welt vertritt!“ Damit werde deutlich, dass die Bewegung gegen Atomwaffen viel erreicht habe. (8)

„Genauso wie wir im 20. Jahrhundert für die Freiheit eingetreten sind“, indem wir die Welt mit Terror überzogen haben, der Millionen Menschen den Tod gebracht hat – das sagt er nicht – „müssen wir uns heute“, indem wir mit Krieg und False-Flag-Operationen auf dem Globus Angst und Schrecken verbreiten – auch das sagt er nicht – „für das Recht der Menschen überall auf der Welt einsetzen, im 21. Jahrhundert frei von Angst zu leben... Daher bekunde ich heute klar und mit Überzeugung, dass die Vereinigten Staaten entschlossen sind, sich“ mit dem AEGIS-Raketensystem, das einen Atomkrieg gegen Russland führbar machen soll, „für den Frieden und die Sicherheit einer Welt ohne Atomwaffen einzusetzen.“ Diese Sätze stammen bis auf die Einschübe – wie die eingangs zitierten – aus der Rede, die US-Präsident Obama am 5.4.2009 in Prag gehalten hat und die ihn in der Friedensbewegung zu einer Art Friedensengel haben werden lassen. (1)(2)

Wie der US-Präsident gebrandmarkt wird

Doch das alles gehört der Vergangenheit an. Heute ist der Bann gebrochen. Antiamerikanismus hat in der Linken freie Bahn. Endlich! Einige Beispiele aus der "jungen Welt". In einem Artikel mit der Überschrift „Brandstifter“ heißt es am 20.09.2017: „Nationalistische Soße über militärischen Wahnwitz gegossen – das wird in Washington nach acht Monaten Trump als Außenpolitik angeboten.“ (9) Am 21.09.2017 ist von einer „Kriegsrede“ und einem „rhetorischen Amoklauf des US-Präsidenten Donald Trump“ die Rede. (10) Und am 22.09.2017 wird Trump vorgehalten, er kokettierte „in der Manier eines Kleinkindes“. (11) Das sind Töne, wie sie bei Obama selten waren.

Anlass für diese Kommentare ist die in der Tat verheerende Rede, die US-Präsident Trump am 19. September 2017 vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York gehalten hat, in der er den Begriff Schurkenstaat wieder belebt und insbesondere gegen Nordkorea und den Iran hetzt, indem er z.B. sagt:

„Aber wir müssen noch sehr viel mehr tun. Es ist Zeit, dass alle Nationen zusammenarbeiten und das Regime Kim isolieren, bis es sein feindseliges Verhalten aufgibt. Nicht nur in Nordkorea sehen wir uns einer derartigen Entscheidung gegenüber. Die Zeit ist schon lange gekommen, einer anderen skrupellosen Regierung die Stirn zu bieten, die offen über Massenmord spricht und den Tod der Vereinigten Staaten sowie den Untergang vieler führender Politiker und hier vertretener Nationen beschwört. Die iranische Regierung versteckt eine korrupte Diktatur hinter der Maske der Demokratie. Sie hat ein vermögendes Land mit einer reichen Geschichte und Kultur zu einem ökonomisch ausgezehrten Schurkenstaat herabgewirtschaftet, dessen Hauptexportgüter Gewalt, Blutvergießen und Chaos sind. Die am längsten leidenden Opfer des iranischen Regimes sind tatsächlich seine eigenen Bürgerinnen und Bürger. Statt seine Ressourcen zu nutzen, um die Lebensbedingungen der Iranerinnen und Iraner zu verbessern, werden die Gewinne aus dem Ölgeschäft zur Finanzierung der Hisbollah und anderer Terroristen verwendet, die unschuldige Muslime töten und ihre friedlichen arabischen und israelischen Nachbarn angreifen. Mit diesem Reichtum, der rechtmäßig der iranischen Bevölkerung gehört, werden außerdem die Diktatur Baschar al-Assads gestützt, der Bürgerkrieg im Jemen geschürt und der Frieden im gesamten Nahen Osten untergraben. Wir dürfen nicht zulassen, dass ein mörderisches Regime diese destabilisierenden Aktivitäten fortsetzt und gleichzeitig gefährliche Raketen baut...“ (12)(13)

Wenn auch die Verurteilung derart aggressiver Propaganda gerechtfertigt und geboten ist, bleibt die Frage, warum Trump, der noch keinen neuen Krieg begonnen hat – im Gegensatz zu seinen Vorgängern – weiterhin vonseiten des herrschenden transnationalen Großkapitals und ihrer Medien unter Dauerbeschuss steht. Die Antwort ist nicht schwierig. Trump gilt nach wie vor als unsicherer Kandidat, bei dem immer noch nicht ausgeschlossen ist, dass er seine Versprechungen in Richtung Frieden und Verständigung insbesondere mit Russland wahr machen könnte. Trump ist – wie es "Swiss Propaganda Research" klar darlegt – kein Kandidat des "Council on Foreign Relations". (14) Deshalb werden die Angriffe solange weitergehen, bis die Gefahr auf die eine oder andere Weise beseitigt ist. Trumps Rede vor den Vereinten Nationen ist ein Erfolg der diese Gefahr bekämpfenden Kräfte.

Erst wenn die Gefahr, die von Trump ausgeht, gebannt ist, wird der momentan grassierende Antiamerikanismus ausgedient haben. Antiamerikanismus ist ein Instrument des US-Imperiums zu seinem Schutz und nicht zu seiner Bekämpfung. Zurzeit dient er der Bekämpfung eines für das Imperium unkalkulierbaren Präsidenten, der für das Imperium nicht zur Gefahr werden darf.


Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 22 (September 2017) – Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens – bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.



Mehr dazu und wie es sich bestellen lässt, hier: http://www.das-krokodil.com/



Fussnoten:

1 Rede von US-Präsident Barack Obama, Prag, 05.04.2009
https://obamawhitehouse.archives.gov/the-press-office/remarks-president-barack-obama-prague-delivered
http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Atomwaffen/obama4.html

2 "Eine atomwaffenfreie Welt"
Deutsche Version der Rede von US-Präsident Barack Obama, Prag, 05.04.2009
https://de.usembassy.gov/de/eine-atomwaffenfreie-welt/
http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Atomwaffen/obama4.html

3 Vision Null
Otfried Nassauer im Friedensforum, Ausgabe 3 / Juni 2009
http://www.bits.de/public/articles/friedensforum/ff03-09.htm

4 Ansprache von US-Präsident Barack Obama zum Angriff auf Libyen, 19.3.2011
https://obamawhitehouse.archives.gov/the-press-office/2011/03/19/remarks-president-libya

5 Jan van Aken, Mitglied im außenpolitischen Ausschuß für die Partei 'Die Linke' am 18.3.2011vor dem Bundestag
"Kein Krieg gegen Libyen - Gaddafi kann anders gestoppt werden!"
http://www.jan-van-aken.de/bundestag.html?newid=57

6 "Kein Krieg in Libyen"
Erklärung der Arbeitskreise "Antimilitarisierung" und "Nahost" des "Aachener Friedenspreis e.V." vom 6.3.2011
www.aachener-friedenspreis.de/uploads/media/Kein_Krieg_gegen_Libyen.pdf [existiert nicht mehr]

7 "Libyen: Intervention im Namen des Volkes?"
IMI-Analyse 2011/06 vom 3.3.2011 von Jürgen Wagner, Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
http://www.imi-online.de/2011/03/11/libyenintervention/

8 Fotogalerie zu Hiroshima-Nagasaki-Tagen 2011 in Köln
Tribunal für General Tibbets
NRhZ 314 vom 10.08.2011
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16818

9 Brandstifter - Trumps erste Rede vor Vereinten Nationen
Arnold Schölzel in "junge Welt" vom 20.09.2017, Seite 8
https://www.jungewelt.de/artikel/318529.brandstifter.html

10 Amokpaarlauf - Trump hält Kriegsrede vor der UNO. Nur Netanjahu jubelt
Knut Mellenthin in "junge Welt" vom 21.09.2017, Seite 7
https://www.jungewelt.de/artikel/318590.amokpaarlauf.html

11 Trump kontra Iran - Wird die USA das Atomabkommen mit Teheran sprengen? Präsident der Vereinigten Staaten zu keiner klaren Aussage fähig
Knut Mellenthin in "junge Welt" vom 22.09.2017, Seite 1
https://www.jungewelt.de/artikel/318630.trump-kontra-iran.html

12 Rede von US-Präsident Donald J. Trump bei der 72. Vollversammlung der Vereinten Nationen, New York, 19.09.2017
https://www.whitehouse.gov/the-press-office/2017/09/19/remarks-president-trump-72nd-session-united-nations-general-assembly

13 Deutsche Übersetzung der Rede von US-Präsident Donald J. Trump bei der 72. Vollversammlung der Vereinten Nationen, New York, 19.09.2017
https://de.usembassy.gov/de/us-praesident-trump-bei-der-vollversammlung-der-vereinten-nationen/

14 Wie die negative Berichterstattung über US-Präsident Trump zu erklären ist
Trump, die Medien, und die Geopolitik
Von Swiss Propaganda Research, in NRhZ 625 vom 23.08.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24068


Siehe auch:

"Unsere Streitkräfte bald so stark sein wie noch nie zuvor"
Rede des US-Präsidenten Donald Trump vor der UN-Vollversammlung, New York, 19.9.2017
NRhZ 630 vom 27.09.2017
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24175

Online-Flyer Nr. 630  vom 27.09.2017

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