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Aktueller Online-Flyer vom 20. April 2024  

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Inland
Richterin stoppt CDU/FDP-Beschluß im Petitionsausschuß
Serifs Abschiebung erneut verschoben
Von Christel Mertens

Obwohl die CDU im Petitionsausschuss des hessischen Landtags mit Hilfe der FDP am 19. Juli beschlossen hatte, dass der junge Kurde Serif Akbulut abgeschoben werden sollte, fand die für den Abend des 20. Juli festgelegte Abschiebung doch nicht statt. Nach einer Solidaritätskundgebung vor der Wiesbadener JVA verschob die zuständige Richterin am Verwaltungsgericht Frankfurt einen Eilantrag um eine Woche. Der Darmstädter Regierungspräsident setzte die Abschiebung daraufhin vorläufig aus. Siehe NRhZ 52 und 53.

Wie das Hanauer Bündnis für Bleiberecht mitteilt, hatten CDU und FDP im Petitionsausschuss einem Antrag des hessischen Innenministeriums stattgegeben, den 20jährigen, der zur Zeit in Wiesbaden in Abschiebehaft sitzt, am nächsten Abend abzuschieben. "Mit dieser Entscheidung im Petitionsausschuss wird die Verschärfung der lebensbedrohlichen Lage von Fatma Akbulut, der Mutter von Serif, bewusst in Kauf genommen", erklärte dazu der Sprecher des Bleiberechtbündnisses, Herwig Putsche. Frau Akbulut reagiere auf jedes als Bedrohung wahrgenommene Geschehnis mit Panikattacken und Epilepsie-ähnlichen Anfällen, verbunden mit plötzlichen Stürzen und entsprechenden Verletzungen. Hinzu komme die von Ärzten festgestellte latente Selbstmordgefahr, "die schnell in eine akute umschlagen kann", so Putsche weiter.

Serif Akbulut (rechts) nach dem Sieg im
Serif Akbulut (rechts) nach dem Sieg im "Antirassistischen Fußballturnier"
Foto: Jutta Ditfurth


Diese Einschätzung der gesundheitlichen Situation Frau Akbuluts, die in der Türkei offensichtlich Opfer von Folter geworden ist, war dem Petitionsausschuss in einer 19 Seiten umfassenden Eingabe vorgelegt worden. Diese zitiert im Detail aus etwa 30 Attesten  verschiedener Ärzte, die Frau Akbulut bisher behandelt haben und unisono zu dem Schluss kamen, dass sie "nicht reisefähig" sei, also nicht abgeschoben werden dürfe. Einer zentralen Forderung der mehr als dreißig Unterzeichner der Petition, dass der Main-Kinzig-Kreis eine amtsärztliche Überprüfung der gesundheitlichen Situation Fatma Akbuluts vornehmen möge, wird jetzt auf Anweisung des zuständigen Dezernenten André Kavai nachgekommen. Diese Untersuchung war bisher verweigert worden.

Serif Akbulut droht nach seiner Abschiebung die Einziehung zum türkischen Militär. Und das kann nach Auffassung seiner Unterstützer im Hanauer Bündnis bedeuten, dass er im Grenzgebiet zum Irak eingesetzt wird. Dort kommt es nach Presseberichten immer wieder zu Gefechten mit kurdischen Guerillagruppen, wobei auch vor Angriffen auf irakisches Gebiet nicht Halt gemacht wird.

Da die Bundespolizei, der ehemalige BGS, Serifs Abschiebeflug für den 20. Juli, 20.20 Uhr gebucht hatte, kündigte das Bündnis für Bleiberecht weitere Proteste am Schalter der ungarischen Airline MALEV im Terminal 2 des Frankfurter Flughafens an. Diese konnten  nach der Entscheidung der Frankfurter Verwaltungsrichterin zunächst abgesagt werden.

Demo gegen die Abschiebung von Serif Akbulut
Demo gegen die Abschiebung von Serif Akbulut

Foto: Jörg Schmidt

Auf vorangegangenen Kundgebung vor der JVA Wiesbaden, in der Serif Akbulut seit dem 10. Juli eingesperrt ist, erklärten Rednerinnen und Redner, Innenminister Bouffier habe sich wiederholt öffentlich für eine Bleiberechtsregelung, insbesondere für geduldete Kinder und Jugendliche ausgesprochen, die hier geboren seien oder seit Jahren hier lebten. Die aktuelle Politik der Hess. Landesregierung stehe dazu jedoch im krassen Widerspruch, wenn junge Menschen wie Serif Akbulut, die bestens integriert sind, kurz vor dem Beschluss der Innenministerkonferenz abgeschoben würden. Sein Schicksal sei kein tragischer Einzelfall, sondern stehe exemplarisch für die Politik der Landesregierung, volljährig gewordene Kinder alleine abzuschieben, wenn dies hinsichtlich der anderen Familienmitglieder beispielsweise wegen Erkrankung nicht möglich sei..

Freunde von Serif richteten persönliche Grußworte an den Inhaftierten. Unter großem Applaus der Anwesenden rief ein Freund von Serif in Richtung Gefängnisgebäude: "Serif, Du hast nichts ausgefressen. Du gehörst nicht ins Gefängnis. Du sollst Fußball spielen!"

Übereinstimmend forderten die KundgebungsteilnehmerInnen eine großzügige Bleiberechtsregelung für die 200.000 Geduldeten in Deutschland.



Online-Flyer Nr. 54  vom 25.07.2006

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