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Aktueller Online-Flyer vom 07. Mai 2024  

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Inland
Peter Handke reicht den Berliner Heinrich Heine-Preis weiter
„An die serbischen Enklaven“
Von Rolf Becker

"...und es fehlt nicht an gelehrten Hunden,
die das blutende Wort als gute Beute heranschleppen."

Heinrich Heine

"Eigensinnig wie Heinrich Heine verfolgt Peter Handke in seinem Werk seinen Weg zu einer offenen Wahrheit. Den poetischen Blick auf die Welt setzt er rücksichtslos gegen die veröffentlichte Meinung und deren Rituale." Mit dieser Begründung erkannte die Jury dem Schriftsteller Peter Handke den Düsseldorfer Heinrich-Heine-Preis zu. Doch sofort reagierten einflussreiche Medien und einzelne Politiker mit heftigen Attacken, die dazu geführt haben, dass die Düsseldorfer Stadtratsfraktionen von SPD, FDP und Grünen die Vergabe des Preises verweigern und verhindern.

Der Fall erinnert an die mehrjährigen Auseinandersetzungen, deren es bedurfte, um die Benennung der Düsseldorfer Universität nach Heinrich Heine durchzusetzen. Der in Düsseldorf geborene Dichter und Journalist, der für die Ideen der französischen Revolution Partei nahm, wurde zeitlebens und über den Tod hinaus von deutschen Zensurbehörden verfolgt. Weil er Tatsachen berichtete und, was er als Wahrheit erkannte, nicht preisgeben wollte, blieb ihm nur das Exil in Paris.

Peter Handke mahnt seit Jahren immer wieder "Gerechtigkeit für Serbien" an. Er hat den ihm als Unverfrorenheit ausgelegten Mut, auch auf die serbischen Opfer des Krieges hinzuweisen, die in der deutschen Öffentlichkeit nach wie vor kaum wahrgenommen werden, da die Medien und die führenden Politiker fast unisono den Serben kollektiv die Täterrolle zuschreiben.

Am 18. März sagte Peter Handke in Pozarevac bei der Beerdigung von Slobodan Milosevic: "Die Welt, die vermeintliche Welt, weiß alles über Slobodan Milosevi?. Die vermeintliche Welt kennt die Wahrheit. Eben deshalb ist die vermeintliche Welt heute nicht anwesend, und nicht nur heute und hier. Ich kenne die Wahrheit auch nicht. Aber ich schaue. Ich begreife. Ich empfinde. Ich erinnere mich. Ich frage. Eben deshalb bin ich heute hier zugegen." Diese Worte drücken ein anderes Verhältnis zur Wahrheit aus als Rudolf Scharpings frei erfundene Kriegsgründe, Joseph Fischers Auschwitzvergleiche und das bedauernde Lächeln des NATO-Pressesprechers Jamie Shea über "Kollateralschäden". Keiner der Verantwortlichen wurde für die Manipulationen und die Kriegspropaganda zur Rechenschaft gezogen, noch gab es jemals eine öffentliche Debatte darüber (auch nicht nach der verdienstvollen WDR-Sendung "Es begann mit einer Lüge" anderthalb Jahre nach dem Beginn der NATO-Bombenangriffe auf Jugoslawien), aber über den Heinrich-Heine-Preis an Peter Handke ereifern sich Medien und Politiker, die verbergen wollen, was er aufzudecken bemüht ist: "Denn was weiß man, wo eine Beteiligung beinah immer nur eine (Fern-)Seh-beteiligung ist? Was weiß man, wo man vor lauter Vernetzung und Online nur Wissensbesitz hat, ohne jenes tatsächliche Wissen, welches allein durch Lernen, Schauen und Lernen, entstehen kann? Was weiß der, der statt der Sache einzig deren Bild zu Gesicht bekommt, oder, wie in den Fernsehnachrichten, ein Kürzel von einem Bild, oder, wie in der Netzwelt, ein Kürzel von einem Kürzel?"

Peter Handke: 'Gerechtigkeit für Serbien'
Peter Handke
Foto: © Isolde Ohlbaum


Völkerverständigung kann nicht auf Propaganda gedeihen, sondern nur auf Aufklärung. Ein trauriges Beispiel hierfür ist Kosovo - wo die angebliche "humanitäre Intervention" der NATO ein System geschaffen hat, in dem Serben, Juden und Roma, soweit sie trotz Massenvertreibung noch dort ausharren, sich nicht frei bewegen können. "Gerechtigkeit für Serbien" - 1996, drei Jahre vor dem NATO-Krieg, hat Peter Handke diese Zeile auf einer Jugoslawienreise notiert, ahnend, was drohte: Krieg, unter deutscher Beteiligung, als Folge der Zerschlagung der Bundesrepublik Jugoslawien, zu der die deutsche Außenpolitik maßgeblich beigetragen hat. 1999 war Peter Handke wieder in Serbien, während des Krieges, miterlebend und -erleidend, wovor er vergeblich gewarnt hatte.

Der Heinrich-Heine-Preis gehört Peter Handke! Nicht der Preis der Stadt Düsseldorf, der entwertet ist, sondern der Berliner Heinrich-Heine-Preis, verbunden mit einem Preisgeld in Höhe von 50.000 Euro, verliehen von allen, die Peter Handke einer Auszeichnung im Namen Heinrich Heines für würdig halten.

Die Unterzeichner übernehmen gern die Kriterien des Düsseldorfer Heinrich-Heine-Preises, mit dem Persönlichkeiten geehrt werden sollen, "die durch ihr geistiges Schaffen im Sinne der Grundrechte des Menschen, für die sich Heinrich Heine eingesetzt hat, den sozialen und politischen Fortschritt fördern, der Völkerverständigung dienen oder die Erkenntnis von der Zusammengehörigkeit aller Menschen verbreiten".

Unterzeichnet haben bisher:
Elmar Altvater, Wulf-Holger Arndt, Andreas Arnold, Manfred Auerswald, Friedrich-Martin Balzer, Hartmuth Barth-Engelbart, Ludwig Baumann, Ben Becker, Johannes M. Becker, Jürgen Becker, Meret Becker, Rolf Becker, Hermann Beil, Esther Bejarano, Ingrid Belgart-Nebel, Joachim Bennewitz, Valerija Berdi, Peter Betscher, Rule von Bismarck, Veronika Bitter, Alois Blanke, Eva Böller, Martina Bornstein, Sergej Boyko, Volker Bräutigam, Barbara Brenner, Antonie Brinkmann, Klaus-Dieter Brügmann, Helmut Buck, Wolfgang Buckwar, Patrick Büttner, Ernst Busche, Gudrun Christan, Jörn Christan, Daniela Dahn, Snjezana Desnica, Deutscher Freidenker-Verband, Gruppe "Dialog von unten", Reiner Diederich, Jutta Ditfurth, Werner Doblies, Brigitte Domes, Fredeke Drewes, Hartmut Drewes, Guenther Drommer, Eva Elsner, Jürgen Elsner, Richard Engel, Petra Engel-Kelling, Ingrid Engelbart, Volker Erhardt, Jutta Fliege, Roland Floegel, Ulrich Franz, Ewa Fischer, Renate Flohr, Vesna Floric, Anna Maria Forstner, Hans Fricke, Dieter Frielinghaus, Gisela Frielinghaus, Reinhard Gebhardt, Klaus Gietinger, Carsten Glienke, Annemarie Görne, Olivera Götz, Peter Götz, Dieter Götze, Wolfgang Gombocz, Ludwig Groenefeld, Ingen Grosseit, Tariq Habib Guddat, Walter Haehnel, Christian Harde, Evelin Hartmann, Klaus Hartmann, Ralph Hartmann, Klaus Heinemann, Jürgen Heiser, Edith Helbing, Barbara Heller, Susanne Hendeß, Jutta Hercher, Bärbe Herling, Wolfgang Herling, Katrin Herrmann, Uwe-Jens Heuer, Annemarie Hildebrand, Ljubica Höpfl-Bogdanovic, Elisabeth Höfl-Hilscher, Hartwig Hohnsbein, Irm Hollnagel, Johannes Hollnagel, Andrea Hoppmann, Initiative Nordbremer Bürger Bürger gegen den Krieg, Inge Ivanovic, Ekkehard Jänicke, Stefan Janosevic, Ulla Jelpke, Diana Johnstone, Edith Jovanovic, Michael Junick, Regine Kaatz, Adelgunde Kahl, Hans-Joachim Kahlke, Marlis Kaltenbacher, Conny Kampffmeyer, Harald Kampffmeyer, Jürgen Karbe, Ursula Karusseit, Birgit Kessel, Bernd Kevesligeti, Dietrich Kittner, Peter Kleinert, Hermann Klenner, Arno Klönne, Alfred Klose, Monika Köhler, Otto Köhler, Kurt Köpruner, Yvonne Klomke, Uwe Koopmann, Carl-Walter Kottnik, Ingeborg Kramer, Uta Kretzler, Hans Krieger, Helmut Benno Kroeger, Sabine Kruse, Claus Küchenmeister, Wera Küchenmeister, Lieselotte Kunisch, Joochen Laabs, Frank Laubenburg, Manni Laudenbach, Marion Leonhardt, Hermann Lorenz, Manfred Lotze, Wolf-Dieter Mach, Walter Malzkorn, Ursula Mattheuer, Ludwig Mertel, Harald Meyer, Otto Meyer, Jürgen Michallek, Roland Mink, Gerd Minnerop, Vera Misovic-Spreizer, Werner Mittenzwei, Hans-Georg Modrow, Klaus Mucha, Annette Mueller, Olaf Mueller, Monika Nehr, Bernhard Nolz, Otto Papp, Claus Peymann, Wolfgang Popp, Wolfgang Quambusch, Dusan Radakovic, Jürgen Rahne, Jeanette Rassmann, Ulf Rassmann, Käthe Reichel, Renate Richter, Ilse Rötter, Gerd-Rolf Rosenberger, Helmut Roth, Karl Heinz Roth, Hans-Georg Ruf, Ulrich Scheller, Tilo Veselin Schinke, Albrecht Schmiedel, Uwe Schnabel, Dagmar Schneider, Hans-Michael Schneider, Kurt Schucker, Ralf Schrader, Cathrin Schütz, Katharina Schulze, Sigurd Schulze, Hansjörg Schupp, Werner René Schwab, Martin Schwander, Gabriele Senft, Hans See, Rachel Seifert, Frank Siegel, Ortwin Spender, Eckart Spoo, Lydia Spoo, Sibylle Spoo, Klaus Stein, Michael Storeck, Ursula Sundmacher, Angelo Taurino, Nike Thönges, Rhea Thönges-Stringaris, Hans-Joachim Töpfer, Ursula Töpfer, Peter Urban, Hanne Vack, Klaus Vack, Jörg Vaintzettel, Biljana Vandeloo, Jan Vandeloo, Werner Voigt, Gisela Vormann, Vesna Vujat, Karl-Heinz Walloch, Michael Weber, Manfred Wekwerth, Jörg Wollenberg, Marita Wudtke, Marianne Zillgen, Gerold Zobel, Nina Zober, Ingrid Zwerenz, Gerhard Zwerenz

Nachbemerkung vom 28.6.2006 zur Verwendung des Preisgelds:

Peter Handke schrieb den Initiatoren dieses Aufrufs: "Wer verdient solch einen Aufbruch in die Freund- und Freundschaftlichkeit? Ich bin berührt von Ihrer Geste, zugleich möchte ich aber beiseitestehen und sie, die Geste, vorbeilassen für etwas anderes, für ein Zeichengeben über mich hinaus. Warum also nicht ein Preisgeld, wenn es zustandekäme, an die serbischen Enklaven, die letzten, im Kosovo, übermitteln, an Dörfer, die, allseits umzingelt, im Elendstrichter von Europa vegetieren müssen, beschützt und bewacht von jenen Staaten, den westeuropäischen, die ihnen mit Bombengewalt den eigenen Staat = Jugoslawien geraubt, geraubschatzt haben? So oder so: danke! Und, bitte, kein Preis oder Alternativpreis für mich."

Handke bekräftigt damit die Haltung, die in unserem Aufruf gewürdigt wird. Ganz in seinem Sinne wird das Preisgeld verschwiegenen und vergessenen Opfern des Angriffskriegs gegen Jugoslawien zugute kommen; wir unterstützen sein Anliegen, "ein nicht nur episodisches Aufmerksamwerden" für sie zu bewirken.

Siehe auch NRhZ Nr. 46, 47, 48, 49.
Weitere Informationen: www.berliner-heinrich-heine-preis.de
Treuhandkonto: Rolf Becker/ Berliner Heine-Preis
Hamburger Sparkasse, BLZ 20050550
Konto-Nr: 1001212180
Kontostand 10.08.2006: 24.944,00

Online-Flyer Nr. 57  vom 15.08.2006

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