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Krieg und Frieden
SiKo 2016: Waffenstillstands-Verhandlungen vor der Kriegstagung
Pyromanen spielen Feuerwehr
Von Wolfgang Blaschka

Am 13. Februar um 13 Uhr war es soweit: Die Herrschaften von der Creme de la Creme der Welt-Kriegselite wurden umzingelt. Von ihrer eigenen Politik. Und von deren Auswirkungen. Es galt Sicherheitsstufe 1, passend zu einer "Sicherheits"-Konferenz, die dem Planeten und seinen Bewohnern die größte Unsicherheit seit dem Ende des Kalten Krieges bescherte. Wer das auch nur klar beim Namen zu nennen wagte wie der russische Regierungschef Dmitri Medwedew, dem wurde Verunsicherung vorgeworfen; allein seine Feststellung fassten die westlichen Kriegsstrategen als "Drohung" mit einem Weltkrieg auf. Dabei ist die Konfrontations-Politik der NATO-Staaten gegen Russland nicht zu übersehen, weder in Syrien noch in der Ukraine. Die Rüstungsspirale ist längst im Gange.

Rund viertausend Menschen formierten sich zu einer Demonstration und zeitgleich zu einer Protestkette durch die Fußgängerzone in Richtung Marienplatz, wo die Abschlusskundgebung stattfand. Bereits zum Auftakt der symbolischen Umzingelung wurde am Stachus schon deutlich, worum es derzeit geht: Die Auswirkungen der transatlantischen Krisen- und Kriegspolitik zwingen immer mehr Menschen zur Flucht. Das Mittelmeer wird so zum Massengrab, die Länder entlang der Balkanroute igeln sich ein, die EU schottet sich ab. Das Elend der gewaltsamen kapitalistischen Globalisierung soll möglichst draußen bleiben, nur das große Kapital darf grenzüberschreitend Unheil anrichten. Ein mobiler Stacheldraht-Zaun visualisierte dieses gnadenlose Grenzregime, welches die Profiteure von Banken und Konzernen vor dem Anblick der "Leichen" schützen soll, über die sie gegangen sind. Eine lange "Blutspur der NATO" zog sich eindrucksvoll durch die Kaufingerstraße und gab manch shoppendem Passanten sinnfällig zu denken.

Ohne Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden

Bereits am Aschermittwoch war endgültig Schluss mit Lustig. Kaum war der angeblich leere Geldbeutel des Stadtkämmerers im Fischbrunnen gewaschen, erwischte es den Bayerischen Hof umso kälter: Direkt vor der Eingangstür der Nobelherberge, die als Tagungsort der Kriegsstrategen ausersehen war, lagen Leichen auf der Fahrbahn. Sie demonstrierten jene "Blutspur der NATO", die sich seit Jahrzehnten quer über den Globus zieht: Von Korea bis Vietnam, von Jugoslawien nach Afghanistan, über Irak und Libyen nach Syrien, nach Mali, in den Jemen. Der "Doorman" in Cut und Zylinder stand verdeckt hinter einem Banner mit der Aufschrift: "Krieg beginnt hier. War starts here". So blutbeschmiert hatte er seinen Arbeitsplatz wohl noch gar nie wahrgenommen. Sogar ein Papst kommentierte das Die-In verhalten kritisch-lakonisch: "No Justice – No Peace". Ohne Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden.


München, 13.2.2016 (Foto: arbeiterfotografie.com)

Generell steht der weiß gekleidete Pontifex gern für Frieden und Gerechtigkeit ein, zumal in seinen Volksansprachen. Nur kürzlich in Mexiko ging es mit ihm durch. Da forderte er plötzlich verschärften Kampf – gegen Drogen! Verständlich: Neben dem Opium des Volkes, der Religion, soll es keine weiteren Rauschmittel geben als den Messwein. Ab sofort ist Fastenzeit. Und in München galt ab dem Tag darauf der Ausnahmezustand. Nicht einmal der Pontifex wäre noch durch die Absperrungen gelangt, selbst Seehofer wurde bei der Einfahrt gefilzt. Das hermetisch abgeriegelte nordwestliche Altstadtviertel wurde zur Hochsicherheitszone, bewacht von 3400 Polizisten. Im Tagungshotel riss die Bundeswehr das Hausrecht an sich und probte mit Scharfschützen den Einsatz im Inneren.

Noch vor dem Beginn der so genannten Sicherheitskonferenz in München verhandelten die USA mit Russland über eine sofortige Waffenruhe in Syrien. Nachdem sie fünf Jahre lang den Bürgerkrieg befeuert und die "Rebellen" von "gemäßigt" bis "islamistisch" aufgerüstet hatten, hallte nun unüberhörbar ein gellender Schrei nach Frieden über die Flure des Bayerischen Hofes. Die Reporter kriegen sich gar nicht mehr ein vor lauter Erregung darüber, dass die Weltöffentlichkeit jetzt auf München blicke in diesen Tagen, ob diese SiKo nicht ausnahmsweise doch mal was anderes im Programm hätte als die Verkündung des aktuellen Schlachtplans für Tod und Zerstörung, Elend und Verstümmelung. Eigentlich geschäftsschädigend so etwas in diesen Kreisen, wo Generäle wie Außen- oder Kriegsminister, Wirtschaftsbosse und Rüstungslobbyisten das jeweils nächste Blutbad propagieren. Aber die Zeit drängte: Seit die russische Luftwaffe auf Bitten der syrischen Regierung in die Kämpfe gegen die Dschihadisten eingegriffen hat und die Regierungstruppen zunehmend Geländegewinne erzielen, hat man es in Washington besonders eilig. Zwei Außenminister rangen diplomatisch um die Vorherrschaft auf dem Schlachtfeld Syrien; US-Kerry umwarb plötzlich den Russen Lawrow. Ein ähnliches Szenario wie in der Ukraine, als dort die Donbass-Kämpfer in die Offensive kamen. Dem musste "Minsk II" einen Riegel vorschieben. Egal ob Einstellung der Kämpfe, zeitweiser Waffenstillstand, vorübergehende Waffenruhe oder einfach nur mal kurze Feuerpause: Hauptsache schnell sollte es gehen. Bis zum 1. März dauerte es viel zu lang, besser schon in einer Woche, am liebsten sofort noch in derselben Nacht!

Wolf im Schafspelz

Dann hätte die SiKo allen Kritikern und Demonstranten zum Trotz tatsächlich eine echte Friedenstat vorweisen können: München als Pazifizierungs-Metropole für Nah- und Mittel-Ost! Der Wolf im Schafspelz, der noch niemals den Einsatz von militärischer Gewalt irgendwo ausschließen mochte, sah sich wohl schon mit dem Friedensnobelpreis geadelt: Wolfgang Ischinger als Friedensstifter, ein Witz!

Doch daraus wurde nichts. Denn es macht wenig Sinn ohne Assad zu verhandeln. Immerhin ist er der ordentlich gewählte Präsident Syriens. Ein Diktator ohne Frage, aber nach wie vor im Amt. Ohne ihn zu fragen dürfte es keine Waffenruhe geben. Prompt kam die Absage aus Damaskus: Humanitäre Hilfslieferungen für Aleppo ja, aber keine Aussetzung der Kampfhandlungen, jetzt wo sie doch so erfolgreich verlaufen für die Regierungstruppen und zu Ungunsten der "Freien Syrischen Armee", die mehr oder weniger in Auflösung begriffen scheint. Auch wenn sich US-Amerikaner und Russen mühsam einigen konnten: Die Rechnung war ohne den Wirt gemacht.


München, 13.2.2016 (Foto: arbeiterfotografie.com)

So musste sich die SiKo bescheiden mit dem, was sie immer war: Ein Treffen vornehmlich westlicher Protagonisten, die ihre längst gescheiterte Strategie zur Eroberung des Globus für den westlichen Kapitalismus durch immer neue martialische, aber letztlich untaugliche Anstrengungen auf militärischem Gebiet zur Spitze treibt, bis es kracht: Durch Modernisierung ihrer Atomwaffen-Arsenale, durch provokante NATO-Manöver an der Grenze zum Konkurrenten Russland, mit Truppenverlegungen in den pazifischen Raum gegen den Perspektiv-Feind China, abgesichert von einem Raketen-Abwehrschirm als Garantie für atomaren Erstschlag, kurzum: Für perpetuierte Unsicherheit der Menschheit, aber für die Sicherheit der globalen Handelswege, gesicherten Zugriff auf Rohstoffe und Kontrolle der Märkte.

"Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört habt"

Die heutigen und künftigen Opfer dieser Marschrichtung werden am Ende nicht nur die Kriegsflüchtlinge, Armutsmigranten und Klima-Vertriebenen sein, sondern auch die Bewohner der Festung Europa (und der USA), die sich noch halbwegs sicher wähnen in der zusehends bröckelnden "Wohlstands"-Burg, in der sie bereits heute zu einem Viertel aller Jobs nur noch marginal beschäftigt sind und bald noch Verstärkung der Arbeitskraft-Reservearmee erhalten werden durch immer neue Heere von durch Krieg und Armut Entwurzelten und Schutzsuchenden. Gegen diese nun ausgerechnet die NATO ins Gefecht zu führen, ist nur eines der hilflosen Rezepte, mit denen die desaströs gescheiterte Jugoslawien-, Afghanistan-, Irak-, Libyen- und Syrien-Politik der reichen und mächtigen Staaten des "Westens" auf dem Rücken der unmittelbar Betroffenen nun "ausgebügelt" werden soll. "Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört habt", sagten die Non Citizens auf dem Rindermarkt in München. Nun wollen AfD-Rassisten auf solche scharf schießen lassen, auch auf Frauen und Kinder. Die NATO-Truppen tun das schon seit langem in deren verlorenen Heimatländern. Gerade deshalb sind sie hier.
 
Und viele werden bleiben. So wie auch der massenhafte Protest gegen diese Art von Sicherheit, wie sie auf der so genannten Münchner Sicherheitskonferenz Jahr um Jahr propagiert wurde und wird. "Wer Krieg sät, erntet Terror. Wer Angst sät, erntet Hysterie. Wer Waffen sät, erntet Flüchtlinge. Hört auf zu säen für Not und Tod!" hieß es auf einem der Schilder in der Protestkette, die sich nächstes Jahr hoffentlich noch dichter um den Unsicherheitsfaktor im Bayerischen Hof ziehen wird.


Top-Foto:
Protest gegen die so genannte Münchner Sicherheitskonferenz, 13.2.2016 (Foto: arbeiterfotografie.com)


Siehe auch:

Fotogalerie der Arbeiterfotografie von den Protesten gegen Krieg anlässlich der so genannten Münchner "Sicherheitskonferenz"
Kriegsallianz NATO: Bedrohung für die Menschheit
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22542

Konstantin Wecker bei den Protesten anlässlich der so genannten Münchner Sicherheitskonferenz
Wir müssen aufhören uns zu zerfleischen
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22550

Online-Flyer Nr. 550  vom 24.02.2016

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