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Arbeit und Soziales
Eine Gewerkschafterin und Verkäuferin, die Rechtsgeschichte schrieb
Emmely ist gestorben
Von Gregor, Jörg, Willi und Peter Kleinert
Barbara Emme, in der Öffentlichkeit bekannt als "Emmely", ist in der Nacht vom 23. auf den 24. März im Alter von 57 Jahren überraschend an Herzversagen gestorben. Sie hatte 1977 begonnen, bei der HO (Handelsorganisation) zu arbeiten, und war einer breiteren Öffentlichkeit und in den Medien ab 2008, kurz nach dem Streik im Einzelhandel als Supermarktkassiererin bekannt geworden, nachdem sie – unterstützt von ver.di – einen nach zwei Jahren am Ende erfolgreichen Kündigungsschutzprozess gegen die Kaiser’s-Tengelmann AG in Berlin-Hohenschönhausen geführt hatte. (1)
An Emmelys Fall wurden Bagatell- und Verdachtskündigungen breit diskutiert und kritisiert. In mehreren Städten der BRD fanden dazu Veranstaltungen statt. Zahlreiche vergleichbare Fälle wurden in den Medien aufgegriffen. Ihr Erfolg vor dem Bundesarbeitsgericht war für alle erfahrenen Beobachter völlig überraschend gekommen. Unmittelbar danach gewannen mehrere gekündigte ArbeiterInnen ihre Bagatellkündigungen vor Arbeitsgerichten, die zuvor immer zu Gunsten der Arbeitgeber geurteilt hatten. ArbeitsrechtlerInnen beobachteten danach auch einen Rückgang von Bagatellkündigungen, aber auch eine andere Anpassung der Arbeitgeber: Die Zunahme von Abmahnungen auf Vorrat und die Hortung von abgelaufenen Abmahnungen in Parallelakten, um ArbeiterInnen weiterhin prozessfest kündigen zu können. Und dies obwohl sogar der damalige Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) die ersten Urteile gegen Emmely „barbarisch“ und „asozial“ genannt hatte. (PK)
Die Autoren Gregor, Jörg und Willi gehörten zum Komitee "Solidarität mit Emmely"
Online-Flyer Nr. 504 vom 01.04.2015
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Arbeit und Soziales
Eine Gewerkschafterin und Verkäuferin, die Rechtsgeschichte schrieb
Emmely ist gestorben
Von Gregor, Jörg, Willi und Peter Kleinert
Barbara Emme, in der Öffentlichkeit bekannt als "Emmely", ist in der Nacht vom 23. auf den 24. März im Alter von 57 Jahren überraschend an Herzversagen gestorben. Sie hatte 1977 begonnen, bei der HO (Handelsorganisation) zu arbeiten, und war einer breiteren Öffentlichkeit und in den Medien ab 2008, kurz nach dem Streik im Einzelhandel als Supermarktkassiererin bekannt geworden, nachdem sie – unterstützt von ver.di – einen nach zwei Jahren am Ende erfolgreichen Kündigungsschutzprozess gegen die Kaiser’s-Tengelmann AG in Berlin-Hohenschönhausen geführt hatte. (1)
Emmely 2010 vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt, nachdem ihre Kündigung aufgehoben worden war
Fotos: NRhZ-Archiv
Die Kaiser’s-Tengelmann AG hatte Emmely im Februar 2008 kurz nach dem Streik im Einzelhandel gekündigt, nachdem sie für ihre Gewerkschaft ver.di die Streikliste in ihrer Filiale in Berlin-Hohenschönhausen angeführt hatte. Die Kaiser’s-Tengelmann AG hatte Emmely nach dem Streik wegen des Verdachts, sie habe Pfandbons zu insgesamt 1,30 Euro, die ein Kunde im Laden verloren hatte, zu Unrecht eingelöst.
Ihre Gewerkschaft hatte ihr immer wieder geraten, eine Abfindung zu akzeptieren, aber Emmely ging trotz zwei verlorener Verfahren beim Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht in Berlin vor das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Die Gerichte gingen zunächst davon aus, dass sie die Pfandbons zu Unrecht eingelöst hatte. Doch Emmely hat diesen Vorwurf immer bestritten. Schließlich gab das Bundesarbeitsgericht im Juni 2010 ihrer Klage gegen die Kündigung statt, indem es die Kündigung als unverhältnismäßig einstufte, und sie erhielt ihren Arbeitsplatz zurück.
Für Emmely brachte der Kampf gegen die Kündigung einerseits viel Unterstützung durch die Öffentlichkeit, neue Bekanntschaften in ganz Deutschland und viele neue Erfahrungen, aber auch eine hohe nervliche Belastung: Ständig wollte die Presse mit ihr sprechen, Juristen der Arbeitgeberseite bezeichneten sie als „notorische Lügnerin“, sie musste in eine kleinere Wohnung ziehen, und der Ausgang des Verfahrens war lange ungewiss. Ihre Bekanntheit war ein hohes Risiko: Wer will schon eine engagierte Gewerkschafterin einstellen, die ihre Renitenz sogar in der TV-Show von Johannes B. Kerner bekräftigte?
Es war beeindruckend, mit welcher Energie und welchem Trotz sich Emmely gegen die Anschuldigungen gegen sie und den Verlust ihres Arbeitsplatzes gewehrt hat. Noch am selben Tag, an dem sie ihren zweiten Prozess verloren hatte und unter Tränen auf Fragen von Journalisten antwortete, fuhr sie mit ihrem Anwalt Benno Hopmann nach Hamburg, um dort abends im Fernsehen aufzutreten. Niemand von den erfahrenen AktivistInnen, die sie unterstützt haben, hätte dazu den Mut gehabt. Sogar das Komitee "Solidarität mit Emmely" hatte ihr davon abgeraten, doch Emmely hatte keine Scheu davor. „Jetzt erst recht.“ – das war die Haltung, die sie ausstrahlte.
Ihre Gewerkschaft hatte ihr immer wieder geraten, eine Abfindung zu akzeptieren, aber Emmely ging trotz zwei verlorener Verfahren beim Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht in Berlin vor das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Die Gerichte gingen zunächst davon aus, dass sie die Pfandbons zu Unrecht eingelöst hatte. Doch Emmely hat diesen Vorwurf immer bestritten. Schließlich gab das Bundesarbeitsgericht im Juni 2010 ihrer Klage gegen die Kündigung statt, indem es die Kündigung als unverhältnismäßig einstufte, und sie erhielt ihren Arbeitsplatz zurück.
Für Emmely brachte der Kampf gegen die Kündigung einerseits viel Unterstützung durch die Öffentlichkeit, neue Bekanntschaften in ganz Deutschland und viele neue Erfahrungen, aber auch eine hohe nervliche Belastung: Ständig wollte die Presse mit ihr sprechen, Juristen der Arbeitgeberseite bezeichneten sie als „notorische Lügnerin“, sie musste in eine kleinere Wohnung ziehen, und der Ausgang des Verfahrens war lange ungewiss. Ihre Bekanntheit war ein hohes Risiko: Wer will schon eine engagierte Gewerkschafterin einstellen, die ihre Renitenz sogar in der TV-Show von Johannes B. Kerner bekräftigte?
Es war beeindruckend, mit welcher Energie und welchem Trotz sich Emmely gegen die Anschuldigungen gegen sie und den Verlust ihres Arbeitsplatzes gewehrt hat. Noch am selben Tag, an dem sie ihren zweiten Prozess verloren hatte und unter Tränen auf Fragen von Journalisten antwortete, fuhr sie mit ihrem Anwalt Benno Hopmann nach Hamburg, um dort abends im Fernsehen aufzutreten. Niemand von den erfahrenen AktivistInnen, die sie unterstützt haben, hätte dazu den Mut gehabt. Sogar das Komitee "Solidarität mit Emmely" hatte ihr davon abgeraten, doch Emmely hatte keine Scheu davor. „Jetzt erst recht.“ – das war die Haltung, die sie ausstrahlte.
Emmely umgeben von solidarischen Genossen – rechts Bodo Ramelow, DIE LINKE
Nach ihrem Erfolg vor dem Bundesarbeitsgericht erhielt Emmely erst einmal ihren Urlaub und den Lohn für mehr als 2 Jahre und konnte so im Jahr 2010 an der Weltfrauenkonferenz in Venezuela teilnehmen. An ihrem alten neuen Arbeitsplatz erhielt sie weiterhin viel Zuspruch von KundInnen und auch von MitarbeiterInnen. Oft erhielt sie kleine Geschenke oder wurde
nach Autogrammen gefragt.
Nach ihrem Erfolg vor dem Bundesarbeitsgericht erhielt Emmely erst einmal ihren Urlaub und den Lohn für mehr als 2 Jahre und konnte so im Jahr 2010 an der Weltfrauenkonferenz in Venezuela teilnehmen. An ihrem alten neuen Arbeitsplatz erhielt sie weiterhin viel Zuspruch von KundInnen und auch von MitarbeiterInnen. Oft erhielt sie kleine Geschenke oder wurde
nach Autogrammen gefragt.
Emmely blieb weiter politisch engagiert, hat regelmäßig ihren Bildungsurlaub auf einer von GewerkschafterInnen organisierten Reise nach Frankreich verbracht und lernte so viele AktivistInnen kennen, die wie sie gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung kämpften. Im Einzelhandelsstreik 2013 hat Emmely sich an Aktionen beteiligt, bei denen Berliner Beschäftigte KollegInnen in Brandenburg mit der Blockade einer Supermarktfiliale unterstützten.
Bei den Betriebsratswahlen 2014 wurde sie bei Kaiser's in den Betriebsrat gewählt. Wenige Monate später verkündete Kaiser's Tengelmann das Aus für die Lebensmittelkette, die nun zwischen Edeka und Rewe aufgeteilt werden soll. Emmely klagte häufig über lange zehnstündige Schichten, die sie sehr erschöpft haben. Zuletzt hat sie sich in einem Bündnis von GewerkschafterInnen gegen das Tarifeinheitsgesetz engagiert. Ihr Bildungsurlaub in Frankreich im April dieses Jahres wurde nach langem Hin und Her mit dem Arbeitgeber genehmigt. Doch nun kann sie ihn nicht mehr antreten und hinterläßt drei Töchter.
Bei den Betriebsratswahlen 2014 wurde sie bei Kaiser's in den Betriebsrat gewählt. Wenige Monate später verkündete Kaiser's Tengelmann das Aus für die Lebensmittelkette, die nun zwischen Edeka und Rewe aufgeteilt werden soll. Emmely klagte häufig über lange zehnstündige Schichten, die sie sehr erschöpft haben. Zuletzt hat sie sich in einem Bündnis von GewerkschafterInnen gegen das Tarifeinheitsgesetz engagiert. Ihr Bildungsurlaub in Frankreich im April dieses Jahres wurde nach langem Hin und Her mit dem Arbeitgeber genehmigt. Doch nun kann sie ihn nicht mehr antreten und hinterläßt drei Töchter.
An Emmelys Fall wurden Bagatell- und Verdachtskündigungen breit diskutiert und kritisiert. In mehreren Städten der BRD fanden dazu Veranstaltungen statt. Zahlreiche vergleichbare Fälle wurden in den Medien aufgegriffen. Ihr Erfolg vor dem Bundesarbeitsgericht war für alle erfahrenen Beobachter völlig überraschend gekommen. Unmittelbar danach gewannen mehrere gekündigte ArbeiterInnen ihre Bagatellkündigungen vor Arbeitsgerichten, die zuvor immer zu Gunsten der Arbeitgeber geurteilt hatten. ArbeitsrechtlerInnen beobachteten danach auch einen Rückgang von Bagatellkündigungen, aber auch eine andere Anpassung der Arbeitgeber: Die Zunahme von Abmahnungen auf Vorrat und die Hortung von abgelaufenen Abmahnungen in Parallelakten, um ArbeiterInnen weiterhin prozessfest kündigen zu können. Und dies obwohl sogar der damalige Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) die ersten Urteile gegen Emmely „barbarisch“ und „asozial“ genannt hatte. (PK)
Online-Flyer Nr. 253 vom 11.06.2010
Erfolg beim Bundesarbeitsgericht
"Emmely" schreibt Rechtsgeschichte
Von Peter Kleinert und Uwe Pohlitz
"Emmely" schreibt Rechtsgeschichte
Von Peter Kleinert und Uwe Pohlitz
Die Autoren Gregor, Jörg und Willi gehörten zum Komitee "Solidarität mit Emmely"
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