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Ausstellung des Kubaners Antonio Guerrero mit Werken aus US-Gefangenschaft
Häftling 50741-004
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Am 23. Januar 2015 wurde – veranstaltet vom DGB Mülheim, Essen, Oberhausen und der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba, Regionalgruppe Essen – die Ausstellung »Wie ich gelebt habe, sterbe ich« im Essener Gewerkschaftshaus eröffnet. Sie läuft noch bis 12. Februar und zeigt Aquarelle von Antonio Guerrero. Er ist einer der Cuban 5 (MIAMI 5), die am 17. Dezember 2014 aus US-Gefangenschaft befreit worden sind. Die ausgestellten Arbeiten sind Zeugnisse seiner 16jährigen Haft in US-Gefängnissen – als Häftling 50741-004. Es sind, wie Antonio Guerrero sagt, „Erinnerungen an die ungerechte und grausame Behandlung, die wir vom ersten Tag an erfahren haben, es waren Momente des Überlebens, isoliert in den Strafzellen des so genannten Lochs des Federal Detention Centers von Miami“.


Das zweite Loch – Aquarell von Antonio Guerrero, einer der Cuban 5 (MIAMI 5), die am 17. Dezember 2014 aus US-Gefangenschaft befreit worden sind: „Auf diesem Bild versuche ich, die Gebäude des Geländes vom Federal Detention Center (FDC)… darzustellen.“
(Alle Fotos: arbeiterfotografie.com)


Anette Chao García, Leiterin der Außenstelle Bonn der Botschaft der Republik Cuba


Nummer – Aquarell von Antonio Guerrero: „Sie nehmen Dir nicht nur die Freiheit weg, sondern sie wandeln Dich in eine Nummer um, die Du zwangsläufig in Englisch lernen musst, denn sie fragen Dich danach jedes Mal, wenn Du irgendwohin überführt wirst, sei es in das Gericht oder wohin auch immer Du gehst. Sie fragen niemals nach Deinem Namen.“


Dieter Hillebrand, Vorsitzender DGB Stadtverband Essen: „Ich freue mich, dass die Menschen (die Cuban Five) in Freiheit sind und ein Stück weit Entspannung eintreten kann... Was ich von außen wahrnehme, macht mir Hoffnung und Zuversicht, dass sich für die Menschen in Kuba einiges zum Guten verändern wird... Ich glaube, dass eine Neuorientierung auf Kuba immer auch mit Vorbehalt und mit Aufpassen belegt ist, dass man sich nicht den amerikanischen Kapitalismus ins Land holt – dass Großkonzerne dahin kommen...“


Die nächtlichen Runden – Aquarell von Antonio Guerrero: „Auf diesem Bild erscheinen viele Augen…Beamte benutzen Taschenlampen, um in der Nacht das Innere der Zellen zu beobachten… In dem Loch hast Du keine Kontrolle über das Licht Deiner Zelle… Die nächtlichen Runden der Beamten haben ihre festen Zählzeiten, sie können aber auch jederzeit am Tag und in der Nacht stattfinden.“


Heinz-W. Hammer, Vorsitzender der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba – Regionalgruppe Essen: „Und nicht zuletzt sei daran erinnert, dass bei der Verhaftung der Gruppe cubanischer Kundschafter im September 1998 insgesamt 10 Personen inhaftiert wurden; fünf von ihnen sind auf einen Deal mit den US-Behörden eingegangen, haben ihr Land verraten und wurden dafür mit minimalen Strafen, aber mit neuen Identitäten und Startgeldern belohnt. Den MIAMI 5 wurde dies ebenfalls immer wieder angeboten. Ja, sie wurden sogar mit der Aussicht auf Familienbesuche und Hafterleichterungen offen erpresst – ohne Erfolg. Als Zusatzstrafe wurden sie mit monatelanger Isolationshaft gefoltert: DAS ist eine Haltung! Antonio [Guerrero], der nach dem Willen der US-Regierung noch bis 2020 im Knast bleiben sollte, hat dies in seinen Bildern zum Ausdruck gebracht...“


Die Ketten – Aquarell von Antonio Guerrero: „Jedes Mal, wenn Du aus der Isolationshaft (Loch) herausgenommen wurdest, egal aus welchen Gründen, bekamst Du Hand- und Fußfesseln. Jedes Mal, wenn wir in den Gerichtssaal oder zu unseren Anwälten in jenes ‘zweite Loch’ überführt wurden, wo die Beweismittel gelegt wurden, waren wir die ganze Fahrt angekettet und mit Handschellen gefesselt…“


Daniel Rodríguez, Gitarre und Gesang, trägt vertonte Gedichte von Antonio Guerrero vor


Shake Down – Aquarell von Antonio Guerrero: „Das ist die gewöhnliche bzw. die Gefängnis-Arbeitsweise, wie man die Durchsuchungen nennt... Das ist ein Blick auf die Zelle, auf dem man das eiserne Etagenbett ohne Matratze, ohne irgendetwas, sehen kann… Die ‘Shakedowns’ werden ohne vorherige Ankündigung durchgeführt, vor allem, wenn Du in Isolationshaft (in dem so genannten Loch) bist.


Nachwuchs Kubas


Beim Angeln – Aquarell von Antonio Guerrero: „Die ‘Angelleine’ ist einfach eine lange Schnur. Die Sachen im ‘Loch’ entdeckst Du allmählich und so werden sie Teil vom Überleben der Gefangenen unter diesen Bedingungen… Diese Schnur war in der Regel aus einem Stück des Bettlakens. Natürlich haben wir nicht lange gebraucht, um festzustellen, dass dies der übliche Weg war, damit die Gefangenen sich Zeitschriften und viele andere Sachen übermitteln. Manchmal haben mehrere Gefangene gemeinsam versucht, jemandem etwas zu senden, der weiter entfernt war. Allerdings konnte alles misslingen, wenn ein Beamter unerwartet reinkam.“


Büchertisch der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba


Das Schachspiel – Aquarell von Antonio Guerrero: „Ich erinnere mich daran, dass, als wir isoliert waren, jeder in einer Isolationszelle, wir uns den Schachzug durch die Fuge der Tür schrien. Ich hatte ein ‘Schachspiel’ gebaut, indem ich Stücke von Pappe des Milchbehälters mit der Hand geschnitten hatte…“


Stand der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba


Skulptur im Foyer des Gewerkschaftshauses – Daniel Eckhardt (14.10.1836 bis 26.1.1896), Essener Bergarbeiter, Streikführer und Gewerkschafter


Die Pfeife hat ihren Beitrag geleistet: die Cuban Five sind frei


Heinz-W. Hammer, Vorsitzender der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba – Regionalgruppe Essen: „Auf unserem Plakat dort steht »Die MIAMI 5 sind frei«. Wieso diese Aussage, wenn am 17. Dezember doch nur drei von ihnen (Antonio, Ramón und Gerardo) befreit wurden und die anderen beiden (René und Fernando) schon seit Mai 2013 bzw. Februar 2014 nach Verbüßung ihrer kompletten, ungerechten Strafen frei waren? Ganz einfach: René und Fernando hatten nach ihrer Freilassung übereinstimmend betont: Solange nicht der letzte von uns in Cuba ist, werden alle Fünf nicht frei sein. DAS ist eine Haltung! Während all der langen 16 Jahre ihrer Inhaftierung hat die cubanische Regierung, gestützt auf diverse Parlamentsbeschlüsse, nicht den geringsten Zweifel daran gelassen, dass die Freilassung der Fünf eine nicht verhandelbare Voraussetzung für die Normalisierung der bilaterale Beziehungen zu den USA wäre.“


Kubanische Cocktails – Mojito


Heinz-W. Hammer, Vorsitzender der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba – Regionalgruppe Essen: „Am Ziel [der USA], die cubanische Revolution zu zerstören, wird weiter festgehalten. Nun sollen nur andere Methoden angewandt werden. Obama hat in seiner Rede vom 17. Dezember, sich an das cubanische Volk richtend, gesagt: »Somos todos Americanos – Wir sind alle Amerikaner«. Nun Mr. President, man könnte darauf antworten: »Si, pero no somos todos locos – Ja, aber wir sind nicht alle Trottel«. Wir werden doch nicht plötzlich vergessen, WOFÜR die Fünf in die USA gegangen sind und wofür sie 16 lange Jahre der ungerechten Haft ertragen haben!“


Mischi Steinbrück, Schauspielerin und Kabarettistin, Rezitation


Auftritt von Daniel Rodríguez und Mischi Steinbrück


Beim Auftritt von Daniel Rodríguez und Mischi Steinbrück


Beim Auftritt von Daniel Rodríguez und Mischi Steinbrück


Ingrid Hunold, Vorsitzende der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba – Regionalgruppe Köln


Beim Auftritt von Daniel Rodríguez und Mischi Steinbrück


Stand der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba


Im Gespräch


Stand der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba


Büchertisch der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba


Kubanische Cocktails


Antonio Guerrero, einer der fünf befreiten Cuban Five und Autor der ausgestellten Werke


Kubanische Cocktails


Anette Chao García, Mischi Steinbrück, Daniel Rodríguez, Dieter Hillebrand und Heinz-W. Hammer mit den fünf befreiten Cuban Five

Weltweiter Druck und prominente Proteste führten im Dezember 2014 zur Freilassung der drei noch Inhaftierten Cuban Five. In deutschen (und anderen) Systemmedien wurde dieser Vorgang lapidar als Freilassung von „Spionen“ thematisiert, „im Austausch“ und als noble Geste des obersten US-Repräsentanten Obama. Wozu eine Niederlage offen eingestehen, wenn die Taktik der Niederringung der kubanischen Revolution lediglich eine Änderung der Vorgehensweise, eine Anpassung an zeitgemäße Formen des Regimes Changes mit vorchristlichen Methoden des Meisters Sunzi nahe legt: Wenn Du Deine Feinde nicht vernichten kannst, dann umarme sie. Kuba indes hat Grund diesen herausragenden Erfolg zu feiern, und es verfügt über einen „ganzen Besteckkasten voll langer Löffel“, die es braucht, um mit dem Teufel zu essen.

Orange, Grau und die Abwesenheit von Blau

Zeugnisse der „Umarmung“ brachte Antonio Guerrero als künstlerische Produkte in fünfzehn in der Haft entstandenen Aquarellen zum Ausdruck. Sie sind Widerspiegelung von weißer Folter, die ohne direkte körperliche Gewalt vorrangig über die Psyche den Gefangenen zu brechen trachtet. 15 Bilder – entsprechend der bis dahin 15jährigen Haftzeit – entstanden im „Loch“ der Isolationshaft im Federal Detention Center von Miami. Sie sind der Beweis, dass das Durchhaltevermögen einen übermächtigen Gegner zur Strecke bringen kann. (Wer wird denn gleich an Vietnam denken?) Allen Versuchen, die fünf Anti-Terror-Aufklärer auf die Seite des Imperiums zu locken, hielten sie stand. Antonio dichtete, skizzierte Ideen und ließ daraus die bereits mehrfach (in Bremen, Dortmund, Chemnitz) ausgestellten Bilder entstehen. Die einzige Farbe darin ist orange. Orange steht für den Körper, für den Mensch und ist gleichzeitig Symbol der Häftlingskleidung wie sie auch in Guantanamo üblich ist.

Zu jedem der gegenständlich realistisch angelegten Motive formuliert Antonio Guerrero eine Legende. Er berichtet von Durchsuchungen und Demütigungen. In Gefangenschaft wird der Mensch zur Nummer, rechtlos. Wenn schon überleben in Feindesland, dann ungebrochen allen Schikanen widerstehend. So zeigen Antonios Bilder Ketten und Fluchtpunkte, Phantasie und Spiel und den Widerstand gegen Unterdrückung  von Kommunikation und (geistiger) Betätigung. Gabriel García Márquez ist der gedankliche Vater eines Würfelspiels, das Gerardo in der Gefangenschaft gebaut und Antonio hat Bild werden lassen.

Mit Kunst „Terrorismus“ dechiffrieren

Der Nobelpreisträger Gabriel Garcia Márquez war der Überbringer der Nachricht im Auftrag Fidel Castros an Bill Clinton von Ermittlungs- und Aufklärungserfolgen „über terroristische Pläne gegen Cuba, unter anderem ein Attentat gegen die zivile Luftfahrt“ schreibt Wilkie Delgado Correa in CUBA LIBRE 3-2008 zu einem Zeitpunkt, als die Haftzeit neun Jahre betrug: „Die Mission der Cuban Five hatte eine höhere Konnotation als die einfache Überwachung und die Verhinderung von terroristischen Aktionen. Sie war vielmehr darauf ausgerichtet, mögliche Vorfälle zu verhindern, die als Vorwand für eine bewaffnete Aggression der USA gegen Cuba dienen könnten.“

Rätselhaftes Buch mit sieben Siegeln

Wo befinden sich die überreichten Unterlagen heute? „Welches Beweismaterial haben die Cuban Five seit Anfang der 90er gesammelt und dem FBI 1998 überreicht, das kurz vor der „Zeitenwende 9/11“ im Juni 2001 – im Rahmen des Prozesses zu 80 % nach dem „CIPA Act“ (CIPA, Classified Information Protection Act / Gesetz zum Schutz als geheim eingestufter Informationen) zum Regierungsgeheimnis erklärt wird?“ heißt es in einem NRhZ-Artikel (in Flyer 447 vom 26.02.2014) zur Internationalen Untersuchungskommission zum Fall der Cuban Five in London [http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=20082].

Die Cuban Five, Antonio Guerrero und seine „Brüder“ beabsichtigen die weitere künstlerische Aufarbeitung ihrer Erlebnisse. Man darf gespannt sein. (PK)


Angaben zur Ausstellung
Antonio Guerrero
»Wie ich gelebt habe, sterbe ich«
Cubanische Kunst aus dem US-Gefängnis
Gewerkschaftshaus Essen, Teichstraße 4, 45127 Essen
von Montag, 26.01.2015, bis Donnerstag, 12.02.2015
geöffnet an Werktagen von 9:00 bis 17:00 Uhr

Die Ausstellung wird im Rahmen des diesjährigen Programms "25 Jahre Galerie Arbeiterfotografie 2015" auch in Köln zu sehen sein.


Hinweis:
Rede von Heinz-W. Hammer, Vorsitzender der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba – Regionalgruppe Essen
http://www.cubafreundschaft.de/Home/2015-01-23,%20Vernissage%20-%20Redemanuskript%20hwh.pdf

Online-Flyer Nr. 496  vom 04.02.2015

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