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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Globales
Belgische Staatssicherheit präsentiert ihre “Erkenntnisse“ im Fall Luk Vervaet
Geheimdienstbericht oder Verdächtigungsessay?
Von Dr. Maryam Dagmar Schatz

Über den belgischen Gefängnislehrer Luk Vervaet haben wir schon mehrfach berichtet (1). Bislang gab es - angeblich aus Sicherheitserwägungen - keine Erklärung über die entzogene Zutrittsgenehmigung für Luk, also ein faktisches Berufsverbot. Am 29. April diesen Jahres hat der Sicherheitsdienst den Generaldirektor des belgischen Strafvollzuges, Hans Meurisse, der das Zutrittsverbot verhängt hat, mit “Erkenntnissen“ beliefert. Das ist Lackmus. Wenn Belgien ein Rechtsstaat ist, belegt dieses dünne Süppchen die Entscheidung gegen Luk nicht. Am 7. Juni werden Luk und seine Anwälte in Brüssel um 11 Uhr im Büro der Liga für Menschenrechte eine Pressekonferenz geben. Wir bleiben dran.


Moralische Unterstützung für Luk Vervaet
Quelle: Luk Vervaet
 
2007 prägte die deutsch-türkische Schriftstellerin und Journalistin Hilal Sezgin anläßlich eines kritischen Artikels (http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2007/06/06/a0171) über die Islamkritikerin Necla Kelek - in Bezug auf die Islamberichterstattung - den Begriff “Verdächtigungsessay“: „Überhaupt scheint sich in der Berichterstattung über den Islam ein neues Genre herausgebildet zu haben: der Verdächtigungsessay nämlich. Er hat die gute alte Reportage abgelöst. Spekuliert, fast muss man sagen: verleumdet wird im Vorhinein und ohne konkretes Material…“ Nun will ich weder behaupten, daß Necla Kelek verleumdet, noch, daß die belgische Staatssicherheit verleumdet. Doch der Brief des Sicherheitsdienstes, in dem Generaldirektor Meurisse aufmunitioniert wurde, um seine Entscheidung zu unterfüttern, ist kein akzeptabler Bericht. Man mag die dargestellten Auffassungen Luk Vervaets teilen oder nicht: verboten sind sie auch in Belgien nicht. Insofern ist das im Folgenden übersetzte Schreiben kein akzeptables Dokument einer staatlichen Behörde - es ist ein Verdächtigungsessay:
 
>>Um Ihrem Amt zu erlauben, sich im Zusammenhang mit der durch Luk Vervaet erhobenen Forderung zu verteidigen, wurde die Staatssicherheit aufgefordert, den Staatsrat über die gleichermaßen vertrauliche wie ernste Natur der Informationen aufzuklären, die es rechtfertigen, Vervaet den Zugang zu allen Gefängnissen zu verweigern.
 
Zur Erinnerung: am 16. März 2010 hat der Staatsrat die Entscheidung (A.d.Ü.: des Adressaten des Briefes, des Generaldirektors des belgischen Strafvollzugs), die Zugangserlaubnis des Petenten, Luk Vervaets, für diejenigen Gefängnisse nicht zu erneuern, in denen er die Funktion eines Lehrers für Niederländisch wahrnimmt, aufgehoben.
 
Der Kläger ist seit dem 1. Juni 2004 bei ADEPPI beschäftigt („Atelier d’éducation permanente pour personnes incarcerées - Werkstatt für die nachhaltige Weiterbildung Inhaftierter“), um im Gefängnis zu unterrichten. Am 17. August wurde die Genehmigung dazu zurückgezogen. Nachdem er einen vergeblichen Antrag auf Aussetzung oder Zurückziehung des Verbots eingebracht hatte, stellte Luk Vervaet über ADEPPI am 5. Februar einen neuen Antrag auf Zutritt an die föderalen Justizbehörden. Dieser wurde am 24. Februar 2010 vom Generaldirektor des belgischen Strafvollzugs „aus Sicherheitsgründen“ abgelehnt.
 
Diese Entscheidung wurde angesichts von Informationen getroffen, die der Staatssicherheitsdienst gegeben hatte. Diese Informationen sind (als sicherheitsrelevant) eingestuft und somit der Öffentlichkeit entzogen.
 
Es ist jedoch trotzdem möglich, den Inhalt wie im Folgenden wiederzugeben.
 
Somit finden Sie jetzt folgend einige Elemente der Antwort auf Ihre Anfrage:
Zusammenfassung von Daten, unter Auslassung der eingestuften, so, wie sie Ihrer Generaldirektion vor der Entscheidung am 24. Februar 2010 übermittelt wurden:
 
„Neben seinen ‚Aktivitäten als Lehrer für Niederländisch für ADEPPI, ist Luk Vervaet unserem Dienst als Mitglied von CLEA (http://www.leclea.be/#clea) bekannt, dem Komitee für Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Unter diesem Schirm hat er an zahlreichen Aktionen zur Unterstützung von Mitgliedern der DHKP-C (http://de.wikipedia.org/wiki/Revolution%C3%A4re_Volksbefreiungspartei-Front und: http://de.indymedia.org/2010/04/278296.shtml) und gegen die israelische Besetzung Palästinas. Im Januar 2009 nahm er an einer Demonstration gegen die Auslieferung Nizar TRABELSIS (2) teil, den er seit einem Besuch im Gefängnis kennt. Wir betrachten ihn als Organisator und Sprecher dieser Veranstaltung, obwohl wir seine genaue Rolle nicht bestimmen können. Auch wenn wir die Präsenz von Salafisten (3) auf dieser Demonstration festgestellt haben, weist nichts darauf hin, daß er mit jenen eine tiefere Verbindung hatte. Diese Verbindung tritt jedoch möglicherweise klarer zu Tage, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Luk Vervaet ebenfalls zu den Gründungsmitgliedern von ÉGALITÉ (http://e-s-g.blogspot.com/) sans Guillemets (wörtlich: Gleichheit ohne Anführungszeichen) (4) gehört; dort haben bestimmte Mitglieder Affinitäten zum Islamismus salafistischer Observanz. Als Partei, die anläßlich der Regionalwahlen 2009 gegründet wurde, hat Égalité in seinen Reihen auch Sympathisanten der PTB (http://en.wikipedia.org/wiki/Workers_Party_of_Belgium).
 
Im Zentrum dieser Formation steht Nordine Saïdi, bei den vergangenen Wahlen deren Spitzenkandidat, ist Mitbegründer des Mouvement Citoyen pour la Palestine (http://mcpalestine.canalblog.com/)und setzt sich für die Selbstbestimmung der Westsahara ein. Saïdi führt darüber hinaus einen ziemlich doppeldeutigen Diskurs über bestimmte terroristische Attentate, die klar zu verurteilen er sich weigert. Das ist wahrscheinlich bei den Selbstmordattentaten des 11. September der Fall.
 
Eine andere, der Bewegung nahestehende Persönlichkeit, ist DYAB ABU JAHJAH (5), dessen Arabisch Europäische Liga (6) ÉGALITE in Brüssel unterstützt. ABU JAHJAH ist auch Präsident der Union Internationale des Parlementaires pour la Palestine (http://www.iupfp.com/), deren belgischer Sektion LUK VERVAET vorsteht. Das gesellschaftliche Ziel dieser Vereinigung besteht darin, „die Ziele der Nicht-Regierungs-Organisation ‚The International Union of Parlamentarians for Palestine‘ (A.d.Ü.: englischer Titel) zu fördern, die anlässlich der 2001 stattgefundenen Internationalen Konferenz für die Unterstützung der Intifada auf den Weg gebracht wurden“, das heißt, „die Verteidigung der Rechte des palästinensischen Volkes, das Recht auf Rückkehr aller palästinensischen Flüchtlinge in ihr Land sowie die Errichtung eines einzigen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt, also die Opposition gegen Zionismus und die Kriege Amerikas.“ Unter den verschiedenen durch diese Vereinigung durchgeführten Aktionen nimmt man eine Petition für die Entfernung der HAMAS von der EU-Liste der Terrororganisationen wahr.
 
Zusammenfassend scheint es, daß sich die Aktivitäten von LUK VERVAET auf das Recht zur Verteidigung sowie die Opposition - aktiv, jedoch nicht gewalttätig - gegen die Antiterrorgesetze beschränkten. In diesem Zusammenhang könnte die Verteidigung mutmaßlicher Opfer dieser Gesetze dazu führen, daß man die Grenze überschreitet zwischen der legitimen Verteidigung gleicher Rechte und der Unterstützung von Ideologien, die auf indirekte Weise den Terrorismus rechtfertigen.“
 
Das sind die Informationen, die wir Ihnen über LUK VERVAET übermitteln können. << 

Luk hängt also weiter “in der Luft“. Deswegen weisen wir noch einmal auf das Unterstützungskonto hin: 000-0902356-62 (IBAN: BE51 0000 9023 5662). Konto-Inhaber: De Ley, Herman, Vosselaredorp 58B3, B-9850-Nevele, Betreff: “Unterstützung LV”. (PK)
 
(1) zuletzt hier http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15051
(2Nizar Trabelsi ist ein früherer Fußballprofi (Wuppertaler SV und Fortuna Düsseldorf), der eine zehnjährige Zeitstrafe wegen geplanter Anschläge auf US-Einrichtungen absitzt. Er soll Osama bin Laden mehrfach in Afghanistan getroffen haben und sollte 2007 aus dem Gefängnis befreit werden. (A.d.Ü)
(3Der Begriff „Salafisten“ geht ursprünglich auf eine Richtung des Islam zurück, die als Vorbilder nur das Beispiel des Propheten und seiner Gefährten (salaf) gelten ließ. Heute wird mit diesem Begriff eine bunte Mischung von Muslimen markiert – in stets diskriminierendem und ausgrenzendem Kontext.
(4)"Egalité" : Brüsseler politischer Zusammenschluss von Aktivisten aus Vereinen, Bewohnern aus Arbeitervierteln und engagierten Bürgern, der 2009 gegründet wurde, um gegen wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeit, Diskriminierung und soziale Ausgrenzung zu kämpfen. Egalité setzt sich für 7 Punkte ein : „Arbeit für Jugendliche, Städtepartnerschaft zwischen Brüssel und Gaza, für eine Gesellschaft die Jugendliche aufwertet, für soziales Wohnungswesen, für Alternativen zum massiven Inhaftieren von Menschen aus der Arbeiterklasse, für kostenlose Nutzung der Brüsseler öffentlichen Verkehrsmittel, gegen die soziale, kulturelle, philosophische oder religiöse Ausgrenzung in der Schule". Egalité erreichte bei den Regionalwahlen im Juni 2009 1.05% der Stimmen.
(5)Dyab Abu Jahjah ist nach sechsjährigem Rechtsstreit 2008 in der Berufungsinstanz vom Vorwurf freigesprochen worden, 2002, nach dem Tod eines Migranten, in Antwerpen-Borgerhout ausgebrochene Unruhen angestiftet zu haben. Ihm wird von seinen Gegnern vorgeworfen, Antisemit zu sein. Dazu: http://news.bbc.co.uk/2/hi/programmes/crossing_continents/2910779.stm, http://www.indymedia.be/nl/node/30017, http://www.expatica.com/be/news/local_news/Dyab-Abou-Jahjah-acquitted.html
(6) http://www.arabeuropean.org/ An der AEL arbeitet sich so manches Mitglied des Vlaams Belang ab, so auch ein in Köln bekannter Ex-„Elitepolizist“, der - fast zeitgleich - in dritter Instanz zu - faktisch - Fußfessel, drei weiteren Jahren auf Bewährung und Verlust der Wählbarkeit für fünf Jahre verurteilt wurde.


Online-Flyer Nr. 252  vom 02.06.2010

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