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Lokales
Schwere Vorwürfe zum Godorfer Hafenausbau gegen Kölner IHK-Chefs:
„Gezielte Irreführung“
Von Dr. Dieter Neef und Helmut Feld

Die jüngste Ausgabe von "IHKplus", den in einer Auflage von 130.000 Exemplaren verbreiteten “Mitteilungen der Industrie- und Handelskammer zu Köln“ enthält einen mehrseitigen Bericht über die Hafenstadt Köln. Darin macht die IHK auf eine so einseitige Art Werbung für den umstrittenen Ausbau des Godorfer Hafens, dass ihren Chefs nun in einem Offenen Brief von der “Aktionsgemeinschaft Contra Erweiterung Godorfer Hafen“ Unterdrückung von Informationen und Manipulation vorgeworfen wird. – Die Redaktion

IHK-Präsident und Bauunternehmer - Paul Bauwens-Adenauer
Quelle: www.bauwens.de/
 
Adressaten des Offenen Briefes vom 7. August sind IHK-Präsident Paul Bauwens-Adenauer, Bauunternehmer und Enkel von Konrad Adenauer, IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Herbert Ferger und IHK-Geschäftsführer und CDU-Vorstandsmitglied Dr. Ulrich Soénius. Unter dem Titel „Dreistes Totschweigen großer Kapazitätsreserven für Container - Irreführender PR-Bericht über die Hafenstadt Köln statt Plädoyer für fundierten Logistikmasterplan“ heißt es in dem Offenen Brief:
 
„…unter dem Titel „Hafenstadt Köln“ in der IHKplus-Ausgabe vom August 2009 schüren die Vertreter der Industrie- und Handelskammer Köln (IHK) im Verbund mit denen der Häfen- und Güterverkehr Köln AG (HGK) in altbewährter Manier Panik, Container könnten an Köln vorbeigehen, weil „Experten von mehr als einer Verdoppelung des Containerverkehrs bis 2025“ ausgehen (was nicht bestritten wird), „die Grenzen der Kapazität (hätten) die Häfen Niehl und Godorf aber schon seit langem erreicht“ (IHKplus S. 28). 
 

IHK-Geschäftsführer und CDU-
Vorstandsmitglied - Dr. Ulrich Soénius
Quelle: www.lvr.de/
Dieses Schüren der Knappheitsangst ist eine gezielte Irreführung der Leser von IHKplus. Es wird bewusst totgeschwiegen, dass im Haupthafen Niehl I heute etwa 170.000 qm oder 40 % der nutzbaren Gesamtfläche auf vorhandenen Kaianlagen durch Fehlnutzung zweckentfremdet und für den Umschlag über das Binnenschiff blockiert werden. Würde der Hafen Niehl I seiner Bestimmung gemäß für wasserseitigen Umschlag „ertüchtigt und zukunftsfähig“ gemacht, wie in IHKplus S. 28 zu Recht gefordert, dann bräuchte es auf ca. 20 Jahre hinaus keine weitere Hafenfläche für Container in Köln, denn selbst in den vergangenen 10 Boomjahren des Containerverkehrs wurden in Niehl I nur knapp 8.000 qm pro Jahr Zusatzfläche für Container freigeräumt. Das heißt, die Godorfer Hafenerweiterung braucht es nicht, sie ist auf Jahrzehnte hinaus überflüssig.
 
Doppeltes Verschweigen
 
Die Fehlnutzung von 170.000 qm in Niehl I sind in dem von der HGK in Auftrag gegebene Planco Gutachten „Zukunftsperspektiven der Kölner Häfen“ vom Dezember 2008 dokumentiert. Danach können in Niehl I 84.000 qm Fläche mittel- und langfristig für Container umgenutzt werden, wenn Gewerbebetriebe, die nicht über das Schiff umschlagen, aus dem Hafen z. B. in normale Gewerbegebiete verlagert werden. Kurzfristig können weitere 86.000 qm frei geräumt werden. Es müssen nur jene 60 % der Container, die in Niehl I nur zwischen Bahn und LKW aber nicht über das Schiff umgeschlagen werden, in ein landseitiges Containerterminal umgelagert und die Flächen in Niehl I für die wirklich schiffsabhängigen Container vorgehalten werden.
 
Ist das Verschweigen dieser 170.000 qm Fehlnutzungen schon fragwürdig genug, so gehen IHK und HGK in ihrer Falschinformation noch einen Schritt weiter, indem sie gänzlich unterschlagen, dass bis 2012 zwei grosse landseitige Erweiterungsflächen für Container in Köln neu fertig gestellt werden: (1) Das HGK-eigene Containerterminal Köln-Nord in 4 km Entfernung von Niehl I mit 143.000 qm und (2) die Erweiterung des DB-Containerterminals Eifeltor im Kölner Süden um ein 3. Modul mit 100.000 qm. Hier werden die nötigen Flächen geschaffen für die nicht-hafenabhängigen Container aus Niehl I. Dass die IHK diese Optionen unter den Teppich kehrt, ist unverständlich, denn die neuen 243.000 qm haben einen enormen Entlastungseffekt für Köln, schaffen allerdings auch auf Jahre hinaus Überkapazitäten und Kosten der Unterauslastung.
 
„In höchstem Maße unredlich“
 
Wenn eine übergeordnete Wirtschaftskammer wie die IHK die Fehlnutzungen von Niehl I und die neuen Erweiterungsflächen ihren Mitgliedern in IHKplus verschweigt und die wahren Sachverhalte verdreht, kann man das einen echten Skandal nennen. Er lässt sich nur so erklären, dass die IHK - im Verbund mit der HGK - unverändert in den mehr als fünf Jahre alten Schützengräben feststeckt und ihren Kurs den neuen Realitäten nicht mehr anpassen kann oder will. Dieser realitätsverweigernde IHK-Kurs ist nicht nur in höchstem Maße unredlich, denn die IHK Mitglieder werden in ihrer Meinungsbildung falsch orientiert. Er schadet auch Köln direkt. Denn 65 Mio € Steuergelder für die Godorf Erweiterung zu verschwenden und das Naturschutzgebiet Sürther Aue völlig unnötig zu zerstören sind auch für die IHK-Mitglieder keine Bagatellen.
 
Statt eines jubeltrunkenen PR-Mehrseiters über die Hafenstadt Köln hätte es der IHK-Köln gut angestanden, eine nüchterne Bilanz der Chancen, Probleme, Stärken und Schwächen des Logistikstandorts Köln zu ziehen oder, wenn sie das nicht leisten kann, einen fundierten Logistikmasterplan zu fordern, wie es die kleineren Parteien im Rat längst tun in Verbindung mit einem Moratorium für den Godorfer Hafen. Nur so kann verhindert werden, dass Millionen Steuergelder in verfehlte Erweiterungsprojekte investiert und die wirklichen strategischen Prioritäten zur Stärkung des Logistikstandorts Köln leichtfertig oder absichtlich ignoriert werden.“
 
Was sind die Gründe für diese Haltung?
 
In einem Anschreiben an die “Aktionsgemeinschaft Contra Erweiterung Godorfer Hafen“, denen die Verfasser den hier dokumentierten Offenen Brief weitergeleitet haben, heißt es:
„Es bleibt die Frage, was eine übergeordnete Wirtschaftskammer wie die IHK-Köln dazu veranlasst haben kann, einen völlig einseitigen PR-Bericht zur Hafen- und Logistiksituation in Köln zu publizieren und ihre Mitglieder in der Frage der notwendigen Flächenerweiterungen an der Aktualität vorbei zu orientieren und durch Unterdrückung von Informationen zu manipulieren.“
Die Redaktion ist - wie die Brief-Autoren - gespannt, ob die IHK-Leitung den Offenen Brief beantworten und welche Gründe sie für ihre Haltung angeben wird. (PK)

Online-Flyer Nr. 210  vom 12.08.2009

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