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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Inland
Dalai Lama, deutsche Parlamentarier und Uiguren sind sich einig:
Bündnis gegen Beijing
Von Hans Georg


Deutsche Parlamentarier kündigen stärkere Unterstützung für gegen Beijing gerichtete Kräfte in China an. Wie der "Tibet Gesprächskreis im Deutschen Bundestag" mitteilt, plant er, nach den diesjährigen Wahlen die Tibet-Thematik ins deutsche Parlament einzubringen. Ende Juli trifft der Dalai Lama zu Gesprächen in Deutschland ein, mit einigem Medienecho wird gerechnet.
 

Dalai Lama – zu Besuch bei seinem Freund   
Roland Koch | NRhZ-Archiv
Die Abgeordneten sollten stärker in Aktionen antichinesischer Tibet-Aktivisten "eingebunden" werden, heißt es in einem Ausblick des Gesprächskreises auf die nächste Legislaturperiode. Hauptziel sei "eine deutlichere öffentliche Wahrnehmung" für die Autonome Region Tibet im Westen Chinas, die Separatisten der Kontrolle Beijings entziehen wollen. Weitere Organisationen der deutschen Außenpolitik, etwa die Stiftung der FDP (Friedrich-Naumann-Stiftung), setzen ihre Zuarbeit für die tibetische "Exilregierung" in Dharamsala (Indien) fort. Die Aktivitäten begleiten auch die aktuelle Xinjiang-Kampagne und können bald erneut auf größere öffentliche Aufmerksamkeit hoffen: Maßgebliche Kräfte der Uiguren suchen den Dalai Lama für ein offenes Bündnis gegen Beijing zu gewinnen - mit Rückendeckung aus Deutschland.
 
Öffentlichkeitswirksam
 
Der "Tibet Gesprächskreis im Deutschen Bundestag" plant, nach den Wahlen das Parlament mit einem "Antrag" zur Tibet-Thematik zu befassen. Außerdem strebt er "mehr Synergieeffekte mit den Tibet-Organisationen" an und sucht nach Wegen, wie die Abgeordneten "öffentlichkeitswirksam in Projekte und Aktionen eingebunden werden können".[1] Zusätzlich zur engeren Vernetzung mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zieht der Gesprächskreis in Betracht, "Leuchtturmprojekte" zum Thema Tibet zu organisieren; es gehe darum, "eine deutlichere öffentliche Wahrnehmung zu erzielen". Der Gesprächskreis, der schon im vergangenen Jahr die antichinesische Tibet-Kampagne aufmerksam begleitet hat [2], ist seit 1995 aktiv und versammelt derzeit 53 Abgeordnete aus vier Bundestagsfraktionen. Er kooperiert eng mit den deutschen Tibet-Organisationen, vor allem mit der International Campaign for Tibet [3] und mit der Tibet Initiative Deutschland, aber auch mit der tibetischen "Exilregierung", die ihren Sitz in Dharamsala (Indien) hat.
 
PR-Aufgaben
 
Die tibetische "Exilregierung" wird von mehreren Organisationen der deutschen Außenpolitik unterstützt, darunter die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung.[4] Die Stiftung, die maßgeblich zur antichinesischen Tibet-Kampagne im letzten Jahr beigetragen hat [5], hat im März zum fünfzigsten Jahrestag der antichinesischen Unruhen in Tibet von 1959 erklärt, sie setze "ihre langjährige Zusammenarbeit mit den Exil-Tibetern (...) fort".[6] Die Organisation hat Exiltibeter an ihrer Kaderschmiede "Internationale Akademie für Führungskräfte" fortgebildet [7] und finanziert neben regelmäßigen weltweiten Treffen von Tibet-Aktivisten auch einen Thinktank der "Exilregierung", das "Tibetan Parliamentary and Policy Research Centre" in New Delhi. Zu den jüngsten Aktivitäten des Zentrums gehörte ein Jugendkongress, der ausgewählte junge Exiltibeter auf Führungsaufgaben in der "Exilregierung" vorbereiten sollte. Als vorrangige Ziele seiner Tätigkeit benennt das von der Naumann-Stiftung seit Jahren unterstützte Zentrum "Werbung für die politische Agenda der tibetischen Exilregierung" und "Werbung für das politische Image der tibetischen Exilregierung".[8]
 
Radikalisierung
 
Besonders unter jungen Exiltibetern beobachtete die Heinrich-Böll-Stiftung (Bündnis 90/Die Grünen), die am Sitz der Exilregierung ebenfalls unterstützend tätig ist, bereits im vergangenen Jahr ernst zu nehmende Radikalisierungstendenzen. "Vor allem bei jungen, in Indien aufgewachsenen Exiltibetern" könne man eine Neigung erkennen, "auf Protestaktionen zu setzen", berichtete die Stiftung. "Seit 2008" artikulierten einige "junge Anführer in der exiltibetischen Gemeinde eine neue Rhetorik und auch eine neue politische Taktik". "Sie hinterfragen zunehmend das uneingeschränkte Bekenntnis zur Gewaltfreiheit und suchen nach neuen Ansätzen des Widerstands", schilderte die Organisation die Entwicklung des letzten Jahres, als im Ausland lebende Tibeter den olympischen Fackellauf teils mit Gewalt attackierten.[9] Im Frühjahr hatten zuvor auch in China lebende Tibeter zu Gewalt gegriffen und in einem Pogrom zahlreiche Han-Chinesen überfallen; dabei ermordeten sie mehrere von ihnen.[10]
 
Vereint kämpfen
 
Die Parallelen der Radikalisierungstendenzen in Tibet und in Xinjiang, wo Anfang Juli 140 Han-Chinesen einem uigurischen Pogrom zum Opfer fielen, sind unverkennbar (s. www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14015 und www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14040.)

Berlin befördert sie durch ungebrochene Unterstützung für das tibetische wie für das uigurische Exil. So genießt der Dachverband World Uyghur Congress, der seinen Sitz in München hat, nach wie vor die volle Rückendeckung der deutschen Behörden, obwohl er offen zur Zerschlagung Chinas auffordert: Auf seiner Website bildet er eine Karte Chinas ab, auf der die Autonome Region Xinjiang und die Autonome Region Tibet jeweils als eigener Staat mit Flagge verzeichnet sind.[11] 
 
Der World Uyghur Congress ruft die tibetischen Sezessionisten nun zur Beteiligung an den Aufständen auf. Die Tibeter seien wie die Uiguren "Opfer der chinesischen imperialistischen Kolonialisierung", heißt es in einem Schreiben der Organisation an den Dalai Lama: "Vereint stehen wir, getrennt verlieren wir."[12]

Hegemonialkampf

 
Die exiltibetischen Organisationen stehen einem Bündnis mit den Uiguren immer offener gegenüber. Dies belegen Äußerungen des Dalai Lama, der während seiner Deutschlandreise unter anderem am 3. August die Ehrendoktorwürde der Philipps-Universität Marburg entgegennehmen wird. Auch ein Gespräch mit dem Ministerpräsidenten des Bundeslandes Hessen, Roland Koch (CDU), steht auf dem Programm. Koch gilt als langjähriger Freund des Dalai Lama, der kürzlich zu dem Uiguren-Pogrom von Anfang Juli Stellung bezogen hat: Beijing müsse sich den Uiguren gegenüber "zurückhalten", heißt es in einer Mitteilung des tibetischen "Gottkönigs".[13]
 
Seiner Forderung schließen sich die großen deutschen Tibet-Organisationen, die eng mit dem "Tibet Gesprächskreis im Deutschen Bundestag" zusammenarbeiten, an. Das Verlangen zielt auf eine Schwächung des chinesischen Staates in seinen strategisch wichtigen Westgebieten; seine Erfüllung würde den sich erkennbar radikalisierenden Sezessionsbewegungen, deren Pogrome nicht Gegenstand deutscher Aufforderungen zur Zurückhaltung sind, Auftrieb verleihen und die Sezessionskonflikte verschärfen. Profiteure wären vor allem Washington und Berlin: Nur wenn es ihnen gelingt, Beijing im Inneren empfindlich zu schwächen, können sie langfristig ihre globale Hegemonie behaupten.[14] (PK)

 
 
[1] Der Tibet Gesprächskreis im Deutschen Bundestag - 16. WP; www.tibet-gespraechskreis.de 01.07.2009
[2] s. dazu Der Olympia-Hebel
[3] s. dazu Jederzeit mobilisierbar
[4] s. dazu Operationen gegen China
[5] s. dazu Die Fackellauf-Kampagne
[6] 50. Jahrestag des Tibet-Aufstands - Stiftung hält an ihrer Unterstützung des Dalai Lama fest; Presse-Info der Friedrich-Naumann-Stiftung, 10.03.2009
[7] zur IAF s. Die Naumann-Netze
[8] About Us; www.tpprc.org/about-us.html
[9] Heinrich Böll Stiftung India: Politischer Jahresbericht Indien 2007/2008, August 2008. S. dazu China zerschlagen
[10] s. dazu Die Fackellauf-Kampagne und Augenzeuge
[11] www.uyghurcongress.org
[12] Brief an Dalai Lama: Uiguren bitten um Hilfe; n-tv.de 14.07.2009
[13] Statement From His Holiness the Dalai Lama; www.dalailama.com 10.07.2009
[14] s. dazu Deklassierungsängste
 
Mehr unter www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57585 u.a. Metamorphosen, Die Zukunft Ost-Turkestans und Deklassierungsängste. 

Online-Flyer Nr. 208  vom 29.07.2009

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