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Aktueller Online-Flyer vom 20. April 2024  

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Lokales
FH-Verlegung „für ein schöneres Köln“ – links vom Rhein?
Für den Osten Ödnis?
Von Heinz-Peter Fischer und Peter Kleinert

Mit einem Aufruf an die Bürger im rechtsrheinischen Köln und an die Ratsmitglieder in der Sitzung am Dienstag protestiert die StandortGemeinschaft Kalk e.V. gegen Pläne der Stadt, die Fachhochschule mit über 7.000 Lehrenden und Lernenden nach Bayenthal zu verlegen, um dort durch ein Prestige-Projekt „Luxus-Probleme zu lösen“. Durch die Schließung von Industriebetrieben habe der Stadtbereich Kalk/Humboldt-Gremberg in den letzten 15 Jahren bereits mehr als 8.500 Arbeitsplätze verloren. Die FH-Verlagerung in den Süden werde „ernstzunehmende und schwerwiegende neue strukturpolitische Schwierigkeiten“ im Rechtsrheinischen schaffen.


FH Deutz/Kalk - soll nach Bayenthal verlegt werden
Fotos: Klaus Müller

Grüngürtel bis zum Rhein?
 
Alles begann damit, dass sich der Rat der Stadt Köln einstimmig dafür aussprach,  Vorbereitungen für eine Bewerbung zur Bundesgartenschau zu treffen. Als Gelände waren das Grundstück des heutigen Großmarktes und möglichst die davon südlich gelegenen Grundstücke ins Auge gefasst worden. Die allgemeine Begeisterung rührte daher, dass man den Grüngürtel bis zum Rhein fortführen möchte. Dabei handelt es sich um eine alte Idee, die im so genannten “städtebaulichen Masterplan für die Kölner Innenstadt“ des Frankfurter Architekturbüros Albert Speer (AS&P) aufgegriffen worden war. Dieser war am 27.11.2008 im 18. Stock des DKV-Hochhauses in der Aachener Straße als “Regiebuch“ für die weitere Entwicklung der Innenstadt vorgestellt worden. IHK-Präsident und Bauunternehmer Paul Bauwens-Adenauer, auf dessen Initiative die Planung zustande kam, machte nochmals deutlich: „Ein wesentliches Ziel der finanzierenden Unternehmer war und ist, der Innenstadt ein zukunftsfähiges Gesicht zu geben, Projekte in einen spürbaren Zusammenhang zu stellen und dem Wildwuchs in unserer Stadt ein Ende zu bereiten.“
 
Verlegung in den Masterplan “geschmuggelt“
 
In vier Werkstattgesprächen (29.11.07; 09.05.08; 22.08.08 und 06.11.08) wurde mit dem Büro AS&P über die Zukunft der Kölner Innenstadt diskutiert. Daran nahmen jeweils zwischen 80 und 100 eingeladene Vertreterinnen und Vertreter der Fachöffentlichkeit teil. Erst im letzten der Werkstattgespräche, also gerade mal drei Wochen vor der Präsentation des Masterplans, wurde die mögliche Verlagerung der Fachhochschule aus dem Raum Deutz/Kalk nach Bayenthal thematisiert. Die Verlagerung des Ingenieurwissenschaftlichen Zentrums (IWZ) und damit des rechtsrheinischen Teils der FH nach Bayenthal wurde also regelrecht in den Masterplan hinein “geschmuggelt“ und so einer breiten Diskussion innerhalb der Bürgerschaft, aber auch der Fachöffentlichkeit entzogen. Bemerkenswert ist die Dynamik, die das “Testplanungsverfahren Fachhochschule Köln“ dann entwickelte.
 
Parallel zur Erstellung des Masterplans tätigten Beteiligungsfirmen der Bauwens-Gruppe Grundstücksgeschäfte. Im Juni 2007 war der Gruppe das Grundstück der ehemaligen Dom-Brauerei angeboten worden. Nach dem ersten Werkstattgespräch für den Masterplan wurden Verhandlungen dazu aufgenommen und der Kauf schließlich nach dem zweiten Werkstattgespräch getätigt. Obwohl die Bauwens GmbH & Co. KG in der Liste der Sponsoren zum Masterplan auftaucht, steht sie nicht auf der Teilnehmerliste der Werkstattgespräche und plante angeblich auf dem erworbenen Grundstück gehobenen Wohnungsbau.
 
“Branchenübliche“ Grundstücksgeschäfte
 
Zwischenzeitlich war der landeseigene Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) auf Grund der im Masterplan geäußerten Idee zur Verlagerung des Ingenieurwissenschaftlichen Zentrums der FH auf die linke Rheinseite tätig geworden. Der BLB kaufte der Bauwens-Gruppe nicht nur das oben erwähnte Kerngrundstück ab, sondern beauftragte sie darüber hinaus mit dem Erwerb anliegender Grundstücke. Paul Bauwens-Adenauer erklärte in einem Interview, dass seinem Unternehmen durch den Verzicht auf das Grundstück ein 100 Millionen Euro-Projekt mit großem Beschäftigungseffekt verloren gegangen sei. Dass die Firma in den wenigen Wochen zwischen Erwerb und Weiterverkauf einen Preisaufschlag von rund 10 Millionen Euro erreichte, sei „branchenüblich“. Auch bei den weiteren Grundstücken würde diese Gewinnmarge von 10 bis 15 Prozent erreicht. „Der Masterplan ist mehr als Stadtplanung, Architektur und Platzgestaltung - er kann der Schlüssel sein für mehr Wachstum und Wohlstand in Köln", so Paul Bauwens-Adenauer auf der Internetseite des Masterplans. Ebenso weist er darauf hin, dass sich Architekt Albert Speer im Masterplan nicht für den FH-Campus in der Südstadt ausgesprochen, sondern lediglich dessen Prüfung anregt habe.
 
Wie im Barmer Viertel
 
Obwohl offiziell noch nichts entschieden ist und - bis auf eine Machbarkeitsstudie, die am 10.Februar gegen die Stimmen der LINKEN im Stadtrat beschlossen wurde - keine Beschlüsse der Landesregierung und des Präsidiums der FH selbst vorliegen, werden offenbar an der Öffentlichkeit vorbei schon jetzt in rasantem Tempo Tatsachen geschaffen. Selbst Landesfinanzminister Linssen musste vor einem Untersuchungsausschuss zugeben, erst im Nachhinein von den Grundstücksgeschäften des landeseigenen Betriebs BLB erfahren zu haben. Der rot-grüne Oberbürgermeisterkandidat Jürgen Roters ließ verlauten: „Es wird schnell eine klare Entscheidung pro Campus geben. Zusammen mit dem Wissenschaftsministerium des Landes. Alle Detailfragen wie Studentenwohnungen oder die Frage, was in Deutz nach dem Wegzug der Fachhochschule passiert, werden danach geklärt.“ Das ist typisch für Köln: Wie im Barmer Viertel sollen nun offenbar in Deutz/Kalk, bevor auch nur über die Folgen nachgedacht wird, Tatsachen geschaffen werden. Vor dem Abriss des Barmer Viertels hatten Kritiker dringend gewarnt, dort würde der teuerste Parkplatz der Stadt geschaffen (siehe u.a. NRhZ 38 http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=1438). Inzwischen ist dort durch die Abtrennung mittels eines Zauns seit 2006 nicht einmal Parken möglich.


Grundstück der ehemaligen Dom-Brauerei - gutes Geschäft für die Bauwens-Gruppe

FH-Sanierung für die Katz?
 
Durch die Umsiedlung der FH käme es nun zu einer noch größeren Fehlleistung in der Stadtentwicklung. Immerhin sind drei der FH-Studentenwohnheime gerade mal acht Jahre alt, und die Fachhochschule selbst wurde von 2004 bis 2007 umfangreich saniert. Bei einer Bausumme von knapp 20 Millionen Euro waren dabei allein gut 7 Millionen Euro in die technische Gebäudeausrüstung geflossen. Im Anschluss an eine umfassende PCB- und KMF-Schadstoffsanierung erfolgten ein Austausch der Fenster sowie die Verbesserung des Brandschutzes. Sämtliche Anlagen der Technischen Ausrüstung wurden im laufenden Hochschulbetrieb bis Juli 2007 erneuert und entsprechend den geltenden Gesetzen und Regelwerken sowie der Landesbauordnung NRW instand gesetzt. Alle Labore erhielten eine moderne, den aktuellen Sicherheitsstandards entsprechende Ausstattung und eine komplette Neumöblierung. Die Versorgung mit Brenngas und Druckluft erfolgt nun für Labor- und Hauptgebäude zentral. Dazu wurden Kompressoranlagen und zentrale Brenngasversorgungsstellen installiert. Die Elektroinstallation wurde komplett entsprechend den Vorschriften erneuert. Die alte Sicherheitstechnik wurde vollständig durch moderne, modular erweiterbare Anlagen ersetzt. Bei einer Umsiedlung, wie sie nun im Gespräch ist, fragt man sich: wofür wurden die Millionen ausgegeben? Für die Katz?
 
Aufruf an Bürger und Ratsmitglieder
 
Die Standortgemeinschaft Kalk e.V. gibt zu bedenken, dass der reiche Stadtteil Bayenthal mit seiner Bildungs-, Wohn- und Infrastruktur das geplante Prestige-Projekt Neubau der FH keineswegs als “Entwicklungs-Turbo“ brauche. Die Verlagerung aus dem Kölner Osten in den Süden würde aber ernstzunehmende und schwerwiegende neue strukturpolitische Schwierigkeiten im rechtsrheinischen Raum schaffen. In ihrem Aufruf zum Widerstand befürchtet hatte die Standortgemeinschaft, dass man von Seiten der Ratsfraktionen unter dem Druck des Landes offenbar bereit sei, schon in der Sitzung am kommenden Dienstag, 30. Juni, Beschlüsse zur Bebauungsplanänderung in Bayenthal fassen werde. Damit würde man wichtige bereits vorliegende Untersuchungen und Analysen unbeachtet lassen und andere, die noch nicht vorliegen, einfach für überflüssig erklären.
 
Bis heute seien nämlich viele Fragen, wie die einer Nachnutzung des bisherigen FH-Geländes, nach stadtentwicklerischen Folgen für die Stadtteile Deutz und Kalk, nach den sozialen Folgen für die rechtsrheinischen Stadtteile und auch die, ob die Argumente heute nicht mehr gelten, die einst zur Ansiedlung der FH in Deutz/Kalk führten, unbeantwortet. Ebenso blieben Fragen für die Planung in Bayenthal offen. Sollte es nämlich tatsächlich zur FH-Umsiedlung kommen, würde von der geplanten Verlängerung des Grüngürtels nur noch ein schmaler Grünstreifen übrig bleiben, der von vielstöckigen Gebäuden gesäumt würde, weil man sonst einfach keinen Platz für die Studenten hätte. Und ob es für den Bau eines Fachhochschul-Campus in Bayenthal am Ende eine Zusage der deutschen Bundesgartenschau Gesellschaft gebe, sei mehr als fraglich.
 
UnterzeichnerInnen
 
Den Aufruf "Masterplan für ein schöneres Köln – links vom Rhein, für den Osten die Ödnis?“ gegen die Verlagerung der FH haben u.a. unterzeichnet: Bezirksbürgermeister Dohm, Stadtbezirk Kalk, Bezirksbürgermeister Hupke, Stadtbezirk Innenstadt, Sozialraum Koordination Humbold/Gremberg/Kalk, Kinderschutzbund Köln, AK Stadtgestaltung des Leitbildes Köln 2020, Förderkreis rrh. Köln e.V., Stiftung KalkGestalten, Pfarrer Franz Meurer, Karin Schmidt Fraktion Bündnis 90 / Grüne BV Kalk, Ortsverband der CDU Kalk/HumboldtGremberg, Freie Wähler – Kölner Bürger Bündnis, Oliver Krems, Vorsitzender der SPD-Fraktion Kalk, CDU-Fraktion BV Kalk, Interessengemeinschaft Deutz für Handel, Gewerbe und Dienstleistung e. V., Bürgerverein Kalk e.V., Bürgervereinigung Deutz, e.V., Dr. Andreas Madaus, VfW Köln e.V., Martina Höflin, Büro für Brauchbarkeit, Markus Thiele Förderverein Höhenberg e.V., IB Gesellschaft für Beschäftigung, Bildung und soziale Dienste mbH, Frauke Burgdorff Montag Stiftung. (PK)
 
Kontakt zur StandortGemeinschaft Kalk e.V.: schlechtrimen@aol.com.  

Online-Flyer Nr. 203  vom 29.06.2009

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