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Aktueller Online-Flyer vom 28. April 2024  

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Aktuelles
Schon wieder eine „pro Köln"-Blamage bei Anti-Moschee-Kundgebung
Rechte Zwangserkrankung?
Von Hans Detlev v. Kirchbach

Am Samstag versuchte „pro Köln“ mit einer „Mahnwache“ vor dem Ehrenfelder Moschee-Areal seinen „Kampf gegen die Islamisierung“ fortzusetzen. Mit diesem Auftakt einer geplanten Serie von Kundgebungen konnten die Rechtsradikalen allerdings nicht über das Debakel ihres „Antiislamisierungskongresses“ vom 20. September hinwegtäuschen. Vielmehr zerschellte auch dieser Versuch, mit Angstpropaganda gegen den muslimischen Bevölkerungsteil in Köln auf Stimmenfang zu gehen, an der Entschlossenheit demokratischer und antifaschistischer Gegenkräfte, wie unser Korrespondent beobachten konnte. Die Redaktion.

Geht doch nach drüben...!“

Pro Köln Markus Beisicht Foto: von Kirchbach
Freut sich wohl über die Kamera, nicht über   
seine neue Blamage – Markus Beisicht
Foto: Hans Detlev v. Kirchbach
Wenn nicht Herr Wendriner, wie bei Tucholsky, sondern Herr Rouhs einen Witz zu erzählen versucht, kann’s nur erst recht ein Reinfall werden. In den achtziger Jahren hätten er und seinesgleichen Gegendemonstranten entgegengerufen: „Kauft eine Fahrkarte nach Moskau...!“  Die beabsichtigte Pointe, sicher peinlich und hölzern wie alles, was von Manfred Rouhs je zu hören war, ging freilich im ohrenbetäubenden Lärm von Trillerpfeifen und Gegenrufen unter. Nur Herr Rechtsanwalt Beisicht, seit besagten achtziger Jahren ein politisches alter ego des Herrn Rouhs, mußte jedenfalls plötzlich herzlich lachen.

Szene am Samstag vor dem Moscheegelände Venloer Straße/Ecke Innere Kanalstraße, kurz vor High Noon. Nicht mehr als circa 50 Personen aus der sogenannten „Bürgerbewegung pro Köln“ waren aufmarschiert, um ihre „Mahnwache“ gegen den gerade genehmigten Bau der DITIB-Moschee durchzuführen –  unter wehenden deutschen Fahnen und Transparenten mit den üblichen abwegigen Parolen wie „Grundgesetz statt Islamismus!“. Doch Kölner Bürger hatten sie dazu offenbar nicht mobilisieren können. Vielleicht wegen einer weiteren völlig unsinnigen Transparent-Behauptung: „Es gibt kein Grundrecht auf den Bau einer Großmoschee“.

pro Koeln moscheebau DITIB-Gemeinde Foto: Heinrici
Blick auf den Entwurf der geplanten Moschee | Foto: Christian Heinrici

Der versammelte juristische „Sachverstand“ von „pro Köln“ in Gestalt des Herren Beisicht und der Frau Wolter scheint jedenfalls nicht hinzureichen, um ihre AnhängerInnen wenigstens vor solch schwerstwiegenden Irrtümern zu bewahren (siehe NRhZ Nr. 162: „Ein Blick ins Grundgesetz“). Doch weil er nicht einmal seine „KameradInnen“ ehrlich aufklärt, hatte es Herr Rouhs auch doppelt verdient, daß seine Agitationsrede, vorgetragen durch ein schwachbrüstig quäkendes Megaphon, in der gegnerischen Geräuschkulisse ertrank. Eine der Hauptparolen der Gegendemo, wie immer: „Nazis raus!“. Fragt sich nur, wohin mit ihnen...

Zwanghafte Anti-Moschee-Manie

Sie können es aber auch einfach nicht lassen. Gerade vor sechs Wochen war ihr sogenannter Anti-Islamisierungskongreß grandios gescheitert. Selten hatte sich eine politische Szene so gnadenlos blamiert wie „pro Köln“ und „pro NRW“ bei dem Debakel dieser von den KölnerInnen entschieden zurückgewiesenen rassistischen Haßindoktrination. Statt sich jetzt aber ein paar Monate zu gründlichem Nachdenken zurückzuziehen, als dessen Resultat eigentlich nur die vollständige Auflösung solch überflüssiger Vereine herauskommen könnte, setzen sie ihren manischen Kreuzzug gegen die angebliche muslimische Eroberung des „Abendlandes“ unerschütterlich fort. 

Es muß eine Art von Zwangserkrankung sein, die den Minitrupp, der sich für Rouhs und Beisicht noch auf die Straße traut, wie magisch an den Ort der dräuend beschworenen islamischen Invasion zieht. Und bis Mai wollen sie diese Verschwendung eigener und fremder Zeit einmal im Monat, jeden zweiten Samstag, fortsetzen und damit Wahlkampf machen.

Ersatzvornahme Antiislamismus

Axel Reitz Foto: „Münster gegen Nazis“
Ganz rechts: Axel Reitz
Foto: „Münster gegen Nazis“
Das Auftaktdatum dieser absurden Serie, der 8. November, war wohl auch nicht ohne Bedacht gewählt, ist doch der 9. November für die rechte Szene ein Datum von höchster symbolischer Bedeutung. Vor der Synagoge zu randalieren, traut sie sich in- und außerhalb Kölns allerdings doch nicht mehr. Ein Versuch neonazistischer „Freier Kameradschaften“ unter Axel Reitz im Jahre 2005, anläßlich des 9. November vor der Synagoge mit brennenden Fackeln aufzukreuzen und dort ihre Hetze abzulassen, wurde ja durch gerichtliches Verbot kurzfristig unterbunden (siehe NRhZ Nr. 19: „Durchfall des braunen Aufmarschs“).

Diesmal wäre es die 70. Wiederkehr der Reichspogromnacht gewesen, die das völkische Milieu sicher wieder gern mit öffentlichem Hohn auf die Opfer begangen hätte, wenn es nicht strafrechtliche Kalamitäten zu gewärtigen hätte. So sucht sich der populistisch getarnte Rechtsradikalismus symbolträchtige Ersatzobjekte für die Mobilisierung nationalistischer Emotionen und „fremden“-feindlicher Affekte. Die Muslime in diesem Land und geplante Moscheebauprojekte scheinen ihnen dafür besonders geeignet, weil sie in dieser Hinsicht einen bis weit in bürgerliche Milieus hineinreichenden mehrheitsfähigen Konsens vermuten.

„Haut ab!“

Freilich zeigte die magere Aufstellung der handabzählbaren, vielleicht letzten aktiven Reste von „pro Köln“ am Samstag vor dem Moscheegelände, daß sich hinter Beisicht & Co. gerade noch ein erweiterter Stammtisch versammelt. Der schaffte es dank rechtzeitiger Mobilisierung antifaschistischer GegendemonstrantInnen nicht einmal bis vor das Moscheegelände selbst, sondern nur auf die gegenüberliegende Straßenseite. Dazwischen eine Armee von Polizei, mindestens dreimal so zahlreich wie beide Demonstrationslager zusammen. Und dann hielten die nationalen Kräfte noch nicht einmal bis zum angekündigten Ende ihrer Performance durch. Statt bis 14 Uhr dauerte das rechte Treiben nicht einmal bis 13 Uhr, dann zogen die von ihrer erneuten Erfolglosigkeit offensichtlich Enttäuschten ab. Vielleicht hatten ja auch die ständigen Rufe „Haut ab, haut ab!“ Wirkung gezeigt.

Geschmacklose Mahnwache Pro Köln Foto: von Kirchbach
Kann sich gegen diesen Missbrauch nicht mehr wehren – Albert Einstein
Foto: Hans Detlev v. Kirchbach
 
In einer Pressemitteilung verkaufte „pro NRW“ den neuen Reinfall auch noch mit der Überschrift „Grandioser Auftakt zur Demoserie gegen die Kölner Großmoschee!“ Dabei hatte ihnen nicht einmal Albert Einstein zu einem größeren Publikum verhelfen können, dessen Satz „Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht“ sie auf eins ihrer Transparente geschrieben hatten. Am Tag vor dem 9. November einen Juden zitieren, der sich einst ausdrücklich für eine „Etablierung der sozialistischen Wirtschaft“ ausgesprochen hatte, dem die DDR 1979 zum hundertsten Geburtstag eine Gedenkmünze widmete, und dann auch noch vorzeitig das Feld räumen – wenn das der Führer wüßte.
 
Doch ernsthaft: Wenn es nach dem Reinfall vom 20. September in Köln auch künftig bei solchen „Massen“ von rechten Moscheebekämpfern bleibt wie an diesem Samstag, würde der breite Widerstand gegen die geplante Störung des multikulturellen Friedens am Ende durch einen langfristigen Erfolg gekrönt. Der wäre dann vor allem auch den jungen Menschen aus der antifaschistischen Szene zu danken, die sich nicht nur vom „Mainstream“ mitziehen lassen, sondern wie an diesem Samstag den Neofaschisten unbeirrbar auf den Fersen bleiben.

Und wieder Polizeiwillkür

Anti-Pro Köln Demonstrant Antifa Foto: Christian Heinrici
Junger Antifaschist auf Anti-„Pro Köln“ Demo  
Sept. 2008 | Foto: Christian Heinrici
Einige Damen und Herren in Polizeiuniform freilich schienen genau auf diese antifaschistischen GegendemonstrantInnen schlecht zu sprechen sein, vielleicht, weil sie am Samstag „Dienst schieben“ mußten. Ihren Unmut bekam zum Beispiel ein vielleicht 16jähriger Antifa-Demonstrant zu spüren, der mit einem kleinen Transparent auf die Straße lief, um Freunde zu begrüßen, und dann wieder in die Reihe der Gegendemonstration zurückwollte. Er wurde unter lautstarkem Protest umstehender DemonstrantInnen mit reichlich brachialem Griff zu einem Polizeiwagen gezerrt, und dort wurde ihm ohne rechtlich fundierte Begründung ein „Platzverbot“ erteilt. Er habe sich mindestens 500 Meter entfernt von der „pro Köln“-Demonstration aufzuhalten, teilte man ihm mit, ansonsten seien ihm „24 Stunden staatlichen Hotelaufenthaltes“ sicher. Einer der Beamten wollte über diese nicht nur dem Betroffenen willkürlich erscheinende Maßnahme hinaus dem Jungen noch eine Art geistiger Orientierung mit auf den Weg geben und erteilte ihm die staatsbürgerkundliche Belehrung,  er müsse „eben auch die negativen Seiten der Demokratie kennenlernen“. Die hatte der Junge allerdings direkt vor sich stehen und wird sie wohl so schnell nicht vergessen. (PK)

Startbild unter Verwendung eines Fotos von Hans-Dieter Hey


 
 
 
 
 

Online-Flyer Nr. 171  vom 08.11.2008

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