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Aktueller Online-Flyer vom 13. Mai 2024  

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Lokales
Die „Entscheidung“ für die Moschee fiel schon vor dem Ratsbeschluß
Ein Blick ins Grundgesetz
Von Hans-Detlev v. Kirchbach

Die Entscheidung ist gefallen. Die Moschee in Köln-Ehrenfeld wird gebaut und damit basta. Und damit hier keine Mißverständnisse entstehen: Wir beziehen uns jetzt nicht auf den „Beschluß" des Kölner Stadtparlamentes vom letzten Donnerstag. Der ist, mit Unterstützung des OB Schramma, aber gegen dessen eigene CDU-Fraktion, zugunsten der Moschee ausgefallen und mag daher einen Beitrag zum Abbau von Feindseligkeiten in dieser Stadt leisten.


Mehrfach überarbeitet – Moschee-Entwurf des Architekten Paul Böhm
Quelle: www.boehmarchitektur.de
 
Etwas anderes aber, und das werden die unverdrossenen Moscheegegner wahrscheinlich aufgrund unüberwindlicher Wahrnehmungsstörungen auch in Zukunft nicht begreifen, wäre der Kölner Kommunalpolitik auch gar nicht übrig geblieben. Denn die eigentliche „Entscheidung" für die Moschee fiel bereits mit dem Vorhaben und der Entschlossenheit der federführenden muslimischen Vereinigung DITIB, dieses religiös-kulturelle Zentrum zu bauen. Das aber ist schlicht deren verfassungsmäßiges Recht, basierend auf dem Grundrecht der freien Religionsausübung nach Artikel 4 des Grundgesetzes. Dieses, den Ahnungslosen zur Belehrung, steht jeder religiösen Gruppierung unterschiedslos zu.
 
Religionsfreiheit, Gleichheitsgrundsatz…
 
Nun meinen zwar politische Wirrköpfe und religiöse Eiferer aus der deutschnationalen, christlich-fundamentalistischen oder sonst „antiislamistischen" Ecke, die Religionsfreiheit der Verfassung sei wahlweise nur "geborenen Deutschen", rechtgläubigen Christen oder Anhängern von Bushs Antiterror-Krieg vorbehalten. Ihnen sei zur Korrektur ihres verfassungsfremden Paralleluniversums ein Blick ins Grundgesetz empfohlen.
Lehrreich wäre, soweit bei den Moscheebekämpfern urbi et orbi noch ein Rest Verstand vorhanden ist, nicht nur Artikel 4 – Religionsfreiheit –, sondern auch Artikel 3 des Grundgesetzes – "Gleichheitsgrundsatz".
 
…und Kardinal Meisner
 
Was mithin den Christen frommt, steht auch den Muslimen zu – bitte notieren Sie, Herr Meisner. Keine Stadtverwaltung, keine CDU-Fraktion im Rat, kein Antiislam-Kongreß – welch wirrer und Unfrieden stiftender Provenienz auch immer – wäre rechtlich oder faktisch in der Lage, den geplanten Moscheebau zu verbieten oder sonst zu verhindern. Das gilt natürlich erst recht für den Generalvertreter einer konkurrierenden Religionsfirma, den bereits angesprochenen Herrn Kardinal Meisner, der den Mitbewerbern auf dem Glaubensmarkt die Größe ihrer Filiale und die dort anzubeitenden Inhalte glaubt vorschreiben zu können. Besonders amüsant ist dabei, daß ausgerechnet Herr Meisner von den Muslimen verlangt – so im Juni 2007 im Deutschlandfunk –, „dass die Muslime unserer Verfassungswirklichkeit entsprechend ihr Leben gestalten“. Da möchte man doch dem Herrn Kardinal empfehlen, daß er erst einmal seine eigene „Verkündigung", etwa im Hinblick auf Geschlechtergleichheit oder seine menschenverachtenden Ausfälle gegen Lesben und Schwule, „unserer Verfassungswirklichkeit entsprechend gestalten“ möge.
 
Auf selbsternannte Mitredner pfeifen
 
Auf die Meinungen all dieser selbsternannten Mitredner und angemaßten Entscheidungsträger können die Bauherren der geplanten Moschee freilich im Grunde pfeifen. Und auch ein Beschluß des Kölner Rates, ob positiv oder negativ, entbehrt jeglicher letztendlichen Rechtsverbindlichkeit im Hinblick auf die prinzipielle Frage, ob Muslime in dieser Stadt sich ein „Gotteshaus" nach den Kriterien ihrer Religion überhaupt hinstellen dürfen oder nicht. Nur über Modalitäten hat die Politik mit zu entscheiden – das heißt, sie hat nötigenfalls aktiv dafür zu sorgen, daß den Muslimen ein angemessener Spielraum bei der Verwirklichung ihres Grundrechts gewährleistet wird. Dem ist der Kölner Rat nun gefolgt – gegen offene oder schikanöse Verhinderungsstrategien hätten die Muslime notfalls auch Verwaltungsgerichte und letztlich das Verfassungsgericht anrufen können.
 

Aufruf zur Verhinderung des Anti-Islamkongreß am 20. September
Foto: Hans-Dieter Hey
 
Im engeren Sinne „mitspracheberechtigt" sind ohnehin nur fachgesetzliche Aufsichtsbehörden. Und auch denen haben irgendwelche religiösen oder ideologischen Erwägungen fern zu liegen, sie haben sich lediglich um Aspekte des Baurechts, der Sicherheit, des Emissionsschutzes, des Nachbarschaftsrechts zu kümmern. Und zwar, um auch das gleich vorsorglich klarzustellen, ebenfalls schikanefrei.
 
Völlig überflüssige Debatte
 
Damit sollte selbst dem letzten versprengten Kreuzzügler in dieser Stadt und anderswo endgültig klar sein, daß jede Debatte pro und contra Moschee vollkommen überflüssig ist, so wie sie es von vornherein war. Wer, ob bei pro Köln oder auch der moscheeablehnenden CDU-Fraktion, mit dem kulturkämpferischen Gehabe nicht aufhören mag, wird bestenfalls seine vorsätzlich verdummte Anhängerschaft durch rein propagandistische Demonstration antiislamischer Gesinnungssturheit beeindrucken. Bewirken werden diese Herrschaften damit nichts, außer, das soziale und nachbarschaftliche Klima in dieser mit ihrer angeblichen Weltoffenheit so gern PR-treibenden Stadt weiterhin nachhaltig zu vergiften.


pro Köln-Anhänger vor der  Ratssitzung am Donnerstag
Foto: Hans-Dieter Hey
 
Vor der Ratsentscheidung demonstrierten etwa 30 pro-Köln-Anhänger mit Transparenten, auf denen eine durchgestrichene Moschee symbolisiert werden sollte. Ein Christenmensch, der ansonsten Schilder mit frommen Sentenzen durch die Innenstadt spazieren trägt, hatte sich auf die Seite der antifaschistischen GegendemonstrantInnen gewagt, um die Falsch- und Ungäubigen mit dem Plakatspruch zu missionieren: „Jesus: Liebet Eure Feinde – Koran: Tötet die Ungläubigen.“
 
Widerstand gegen den Hasskongress!

Ersparen wir uns die Kommentierung solchen Unsinns – wie heißt es doch in der Bibel: „Selig sind die Armen im Geiste.“ Ihnen ist, profan gesprochen, nicht mehr zu helfen. Damit beantragen wir: Schluß der Moscheedebatte. Worum es in Köln in naher Zukunft gehen muß, ist stattdessen die Wahrung des inneren Friedens und einträglichen Zusammenlebens in dieser Sadt gegen religiöses, abendländlerisches Eiferertum und namentlich gegen nationalistische, rassistische und faschistische Hetze.
 
In diesem Sinne gilt es vor allem, dem von pro Köln und pro NRW inszenierten Islam-Hasskongreß am 20. September klaren Widerstand entgegenzusetzen. Deswegen muß man noch lange keine AnhängerIn des Islam oder sonst einer Religion sein. Vielmehr geht es darum, autoritäre Ambitionen und faschistische Angriffe auf Gleichheit und Menschenwürde abzuwehren und unser aller Grundrechte, zu denen auch das Grundrecht auf Nichtglauben gehört, zu verteidigen. (PK)

Zu diesem Thema auch in NRhZ 121 Diese Debatte ist verlogen“ von Jutta Ditfurth zum Moscheebau in Frnakfurt/Main.
 

Online-Flyer Nr. 162  vom 03.09.2008

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