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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Inland
Investition ins Auslandsschulwesen zugunsten der deutschen Wirtschaft
Dritte Säule
Von Hans Georg

Mit einer kräftigen Mittelaufstockung weitet das Auswärtige Amt seine weltweite kulturpolitische Einflussarbeit aus. Primäre Zielländer sind die zentralen Wachstumsmärkte der deutschen Exportwirtschaft: neben einigen Ländern Osteuropas vor allem der Mittlere Osten und Asien. Die neuen Gelder für kulturelle Tätigkeiten, die (neben Politik und Wirtschaft) „dritte Säule” der deutschen Außenpolitik, erhöhen den letztjährigen Etatposten um über 15 Prozent und kommen vor allem den deutschen Auslandsschulen zugute.
Ihre Zahl soll mit Hilfe der größten je in diesem Bereich getätigten Investition verdoppelt werden. Kulturprojekte im Ausland dienten nicht nur der Mehrung deutschen Ansehens allgemein, sondern vor allem unternehmerischen Zielen, heißt es in einem kulturpolitischen „Leitfaden” des Auswärtigen Amts.

Überfällig

Dem Beschluss des Deutschen Bundestages über die Haushaltsmittel des Auswärtigen Amts für das Jahr 2008 zufolge werden die Gelder für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik um mehr als 15 Prozent auf 658 Millionen Euro erhöht. Kritiker hatten die Verstärkung der Kultur-Außenpolitik als „längst überfällig” bezeichnet.[1] Zuvor hatte etwa die Außenwissenschaftspolitik mehrere Jahre lang Einsparungen hinnehmen müssen, weil andere Bereiche der Auslandsarbeit als vordringlich angesehen wurden, darunter besonders militärische Tätigkeiten.

Bande zu Deutschland

Zugute kommen die neuen Gelder zum einen der größten Mittlerorganisation der Auswärtigen Kulturpolitik: Die Zahl der Auslandsdependancen des weltweit tätigen deutschen Kulturinstituts „Goethe-Institut” soll wieder vergrößert werden. Daneben fließen die Mittel insbesondere in zwei Projekte des Auswärtigen Amts: 20 Millionen Euro stehen für ein neues Afrika-Programm zur Verfügung, rund 45 Millionen Euro erhält die Initiative „Schulen: Partner der Zukunft”. Sie soll die deutschen Auslandsschulen sowie Schulen im Ausland mit deutschsprachigem Zweig fördern. Das Auslandsschulwesen gilt als zentrales Element der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Die Schüler deutscher Auslandsschulen entstammten mehrheitlich den Ländern, in denen die Schulen angesiedelt seien, viele besuchten nach Schulabschluss deutsche Universitäten und blieben Deutschland auch beruflich verbunden, heißt es im Außenministerium: So entstünden „Netzwerke, auf die sich Außenpolitik, Exportwirtschaft und Kultur stützen können”.[2] Die Schüler knüpften „Bande zu Deutschland, die ein ganzes Leben halten”.[3] Daher sah bereits der Koalitionsvertrag vom November 2005 die Stärkung des Auslandsschulwesens vor.

Größte Investition

Steinmeier
Größte Investition ins Auslandsschulwesen – Frank-Walter Steinmeier
Quelle: www.bundestag.de


Das Auswärtige Amt will in diesem Jahr die Zahl der Auslandsschulen möglichst verdoppeln. Bisher gibt es 117 deutsche Auslandsschulen in 63 Ländern und mehr als 400 Schulen im Ausland mit deutschsprachigem Zweig. Während bisher also gut 500 Schulen deutschen Zwecken dienen, sollen das künftig mindestens 1.000 Lehreinrichtungen tun. Weltpolitisch rivalisierende Staaten wie die USA, Frankreich, Großbritannien und Italien hätten die Bedeutung ihrer auswärtigen Kulturpolitik viel früher erkannt und ihr schulisches Netz schon längst entsprechend ausgebaut, heißt es zur Begründung der größten je getätigten Investition in das deutsche Auslandsschulwesen.[4] Derzeit führt die Bundesregierung Gespräche mit deutschen Unternehmen, die das Programm kofinanzieren und Tutorien übernehmen sollen.

Gestiegene Bedeutung

Das ebenfalls aus den neuen Mitteln bezahlte Kulturprogramm „Afrika”, das laut Außenminister Frank-Walter Steinmeier „die Bemühungen des Auswärtigen Amts um eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Partnerschaft mit Afrika” [5] stützt, steht für die regionale Neuausrichtung der auswärtigen Kulturpolitik. Bislang sind die Staaten Westeuropas („EU-15”) die Region, in die die meisten Ressourcen fließen (24,9 Prozent), gefolgt von Lateinamerika (15,6 Prozent), Asien (14,4 Prozent), den neuen EU-Mitgliedsstaaten (8,3 Prozent), Osteuropa außerhalb der EU (7,7 Prozent) und dem Nahen und Mittleren Osten (7,3 Prozent). Angestrebt wird jetzt eine Verstärkung der Aktivitäten in Asien und Mittelost sowie eine Konsolidierung in den neuen EU-Mitgliedsstaaten und den angrenzenden Ländern Osteuropas. Auf diese Weise will Berlin „der gestiegenen Bedeutung dieser in wirtschaftlicher, politischer und kultureller Hinsicht besonders dynamischen Regionen gerecht (...) werden”.[6]

Kapitalinteressen folgen

Die auswärtige Kulturpolitik entspricht damit den Interessen der deutschen Wirtschaft, die angesichts wachsender globaler Exportkonkurrenz ihre Aktivitäten in den Wachstumsregionen Asiens, der Golfregion und in Ost- und Südosteuropa verstärken will und zur Unterstützung noch stärkere Einflussnahme der Berliner Außenpolitik erwartet.[7] Hieß es noch vor zwei Jahren in kulturell orientierten Kreisen, man wolle mit künstlerischer und bildender Tätigkeit nicht einseitig „den Kapitalinteressen folgen” [8], so ist die unmittelbare Unterstellung der auswärtigen Kulturpolitik unter die Bedürfnisse expandierender deutscher Unternehmen inzwischen weitgehend durchgesetzt.

Industrieabsatz

Das deutsche Auslandsschulwesen etwa orientiere sich „zunehmend auch an der Dynamik der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands”, berichtet die Bundesregierung. Insgesamt habe die in früherer Zeit eher zufällig im Rahmen von Einzelprojekten stattfindende Kooperation sich in den vergangenen Jahren zu einer „bewussten Partnerschaft zwischen öffentlicher Hand und privaten Trägern” gewandelt.[9] Zahlreiche der von Goethe-Instituten, deutschen Botschaften und anderen Kulturmittlern initiierte Kulturprojekte würden bereits in Zusammenarbeit mit deutschen Firmen durchgeführt, schreibt das Auswärtige Amt. Das Ministerium sucht mit einem „Leitfaden Kultursponsoring” dem im Ausland tätigen deutschen Kulturpersonal den angeblichen „Mehrwert der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft” nahe zu bringen.[10] Besonders wichtig sei es, bei allen Projekten darauf zu achten, dass sie die strategischen Marketing- und Kommunikationsziele der Industrie unterstützten, heißt es darin: „Im Idealfall wird der Produktabsatz erhöht, werden neue Zielgruppen und Märkte erschlossen und Sympathien in der Öffentlichkeit gewonnen.”

Wirtschaft für Kultur?

In fest organisierter Form kooperieren Staat und Firmen bereits in den „Kulturstiftungen der deutschen Wirtschaft”. Im Jahr 2006 wurde mit dem „Förderkreis Wirtschaft für Kultur” im slowenischen Ljubljana bereits die siebte derartige Kulturstiftung ins Leben gerufen; beteiligt sind die Deutsche Botschaft, die örtliche Zweigstelle des Goethe-Instituts und deutsche Wirtschaftsunternehmen. In weiteren Orten sind ähnliche Gründungen in Vorbereitung. Die Kulturstiftungen bänden die deutsche Wirtschaft vor Ort fest in die kulturelle Außendarstellung Deutschlands ein und machten sie zu „dauerhaften Förderern” deutscher Kultur- und Sprachpolitik, erläutert die Bundesregierung. Man wolle die Zusammenarbeit zwischen Auswärtigem Amt und privaten Partnern in Zukunft systematisch verbessern und ausbauen.[11]

Kultur für Wirtschaft
Thumann
BDI-Chef Jürgen Thumann kann sich freuen
Quelle: www.mpa.uni-kassel.de

Tatsächlich gerät - dies zeigt nicht zuletzt der erwähnte „Leitfaden Kultursponsoring” des Auswärtigen Amts - die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik damit noch stärker in den Sog außenwirtschaftlicher Interessen. Dabei erreicht die Einflussnahme der Wirtschaft die unmittelbar zuständigen Abteilungen der Bundesministerien inzwischen sogar in organisierter Form. Erst kürzlich kamen erstmals Wirtschafts-, Wissenschafts- und Hochschulvertreter sowie Fachleute der zuständigen Ministerien zu einem „informellen Gespräch” in Berlin zusammen. Auf Initiative des früheren Außenministers und Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom Stiftung, Klaus Kinkel, waren auch der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Jürgen Thumann, sowie Außenminister Steinmeier präsent. Die illustre Runde erörterte nichts Geringeres als eine Neujustierung der „dritten Säule” der deutschen Außenpolitik.[12] (PK)


Kinkel
Steinmeier-Vorvorgänger Klaus Kinkel – jetzt Telekom
Quelle: www.fdp-bw.de

[1] Außenwissenschaftspolitik; Frankfurter Allgemeine Zeitung 29.12.2007
[2] Das Auslandsschulwesen als Zentrales Element der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik; www.auswaertiges-amt.de. S. auch Hintergrundbericht: Die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen
[3] “Stärkung der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik ist Investition in gemeinsame Zukunft!”; Auswärtiges Amt, Pressemitteilung vom 03.12.2007
[4] Außenwissenschaftspolitik; Frankfurter Allgemeine Zeitung 29.12.2007
[5] „Stärkung der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik ist Investition in gemeinsame Zukunft!”; Auswärtiges Amt, Pressemitteilung vom 03.12.2007
[6] Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik 2005 / 2006; www.auswaertiges-amt.de. S. auch Dichter und Lenker und Wettbewerb um die besten Köpfe
[7] s. dazu Rekorde im Abschwung
[8] s. dazu Verbindungsbüro
[9] Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik 2005/2006; www.auswaertiges-amt.de
[10] Kultursponsoring in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Ein Leitfaden für die Praxis; www.auswaertiges-amt.de
[11] Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik 2005/2006; www.auswaertiges-amt.de
[12] Außenwissenschaftspolitik; Frankfurter Allgemeine Zeitung 29.12.2007

Mehr: www.german-foreign-policy.com

Online-Flyer Nr. 129  vom 16.01.2008

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