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Arbeit und Soziales
Kölner DGB-Veranstaltung zum Internationalen Frauentag
Weiterkämpfen!
Von Katrin Steiner

Als Clara Zetkin 1910 die Einführung eines internationalen Frauentags vorschlug, hatte die internationale Frauenbewegung noch viele Kämpfe vor sich. Wie kaum eine andere Bewegung konnte sie in den letzten knapp hundert Jahren Erfolge verbuchen – gleichwohl ist die vollständige Gleichstellung von Frauen und Männern noch längst nicht erreicht.

Motto
Bundesweites Mottobild des Frauentages

Grund genug für den DGB Köln am 8. März  2007 zu einer Podiumsdiskussion über die Frage „Zeit für eine neue Frauenbewegung?“ einzuladen. Etwa 150 Interessierte fanden sich im vierten Stock des Bürgerhauses Stollwerck ein, zumeist Frauen um die 30 oder älter, viele mit gewerkschaftlichem Hintergrund, aber auch Anhänger der Grünen, der SPD oder der Linkspartei. Musikalisch empfing sie die vierköpfige Combo JAJAjazz mit eingängigen, bekannten Stücken, auch für Getränke und einen Imbiss war gesorgt.

Stellvertretend für die DGB-Frauen eröffnete Eva Pohl, Beauftragte für ‚Chancengleichheit am Arbeitsmarkt’ von der Agentur für Arbeit in Köln, den Abend. Sie betonte die Aktualität der Debatte: „Einerseits werden Frauen als Sündenbock dargestellt, weil sie zu wenige Kinder bekommen, und andererseits sind sie Objekt der Begierde, weil sie den Fachkräftemangel ausgleichen.“

Es folgte ein Grußwort von Wolfgang Uellenberg - van Dawen, Vorsitzender der DGB-Region Köln-Leverkusen-Erft-Berg, und die Vorstellung der neuen Organisationssekretärin Liv Dizinger. Dann eröffnete Barbara Garms von Radio Köln die Podiumsdiskussion.

Austausch von Einschätzungen

Podium
Podium: Eva Pohl, Barbara Garms, Elisabeth Stiefel, Katharina Dröge, Sandra Würfel, Elke Hannack

Dort diskutierten Frauen unterschiedlicher Herkunft und Lebenslagen. Die 77-jährige, feministischen Ökonomin Dr. Elisabeth Stiefel diskutierte ebenso mit wie die 23-jährige Katharina Dröge, ehemalige Sprecherin der Grünen Jugend NRW. Die gewerkschaftliche Position wurde von Elke Hannack, der stellvertretenden DGB-Vorsitzenden NRW, vertreten, als typische Repräsentantin der Frauen mit „Doppelbelastung“ saß Sandra Würfel, Betriebsrätin und Mutter, auf dem Podium.

Fast sämtliche Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Gleichstellung von Frauen und Männern anbieten, kamen zur Sprache, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ebenso wie die Rolle der Männer im Kampf für Emanzipation. Eine kontroverse Diskussion um die eigentliche Frage nach einer neuen Frauenbewegung entwickelte sich daraus jedoch nicht, das Podium tauschte lediglich verschiedene Einschätzungen der verschiedenen Aspekte aus.

„Frauenpolitik“ heute

So stellte Hannack gleich zu Beginn fest, es habe immer sehr unterschiedliche Strömungen in der Frauenbewegung gegeben und das habe die Bewegung sehr geschwächt. „Ich wünsche mir aber keine neue Frauenbewegung, sondern wäre schon zufrieden, wenn wir bei speziellen Fragen Einigkeit herstellen könnten.“ Leider hakte niemand an diesem Punkt nach, so dass eben diese Fragen nicht benannt und diskutiert wurden.

Die Frauen auf dem Podium stimmten jedoch überein, dass viel Überzeugungsarbeit bei den Frauen zu leisten sei. „Viele junge Frauen, die noch in der Schule oder Universität sind, fühlen sich nicht diskriminiert“, betonte Dröge. Würfel ergänzte: „Viele haben gesagt, ich solle das nicht so eng sehen und mit dem Kopf durch die Wand ginge das nicht. Aber ich habe bei meinen Freundinnen und Kolleginnen auch gesehen, was passiert, wenn man nicht kämpft.“

Doppelbelastung und Rolle der Männer

Dröge stellte heraus, dass viele junge Frauen mit der Erwartung konfrontiert würden, Kinder zu bekommen. „Mit der Frage, wie sie Kinder und Beruf unter einen Hut bekommen sollen, werden die Frauen aber allein gelassen. Die Gesellschaft eröffnet häufig keine Möglichkeiten.“ Übereinstimmend stellte das Podium fest, dass diese Frage allerdings beide Geschlechter angehe. So argumentierte Hannack, dass viele Frauen und Männer keine Kinder bekämen, weil ihnen die Sicherheit fehle. „Frauen und Männer unter 39 haben häufig keine unbefristeten Arbeitsverträge. Hier fehlt das Stückchen Sicherheit, und wir als Gewerkschaften müssen das wieder bei den Unternehmen einfordern.“ Dafür gab es im Publikum viel Applaus. Dröge hingegen forderte, die Männer verstärkt in die Frauenpolitik einzubinden. „Wenn die Männer sich auch an der Kindererziehung beteiligen wollen, sollen sie dafür eintreten. Wir können doch nicht auch noch die Kämpfe der jungen Männer ausfechten.“

Weiterkämpfen – aber wie?

Als zum Ende der Veranstaltung Perspektiven für eine neue Frauenbewegung zur Sprache kamen, war frau sich einig: die Kämpfe müssen weitergehen. Stiefel forderte zudem Gewerkschaften und Frauenverbände auf, über die klassischen Vorstellungen des Arbeitsmarkts hinaus zu denken. „Sie sollten die Anregungen des neuen Feminismus aufgreifen, nämlich das System aus der Sicht der Frauen zu betrachten. Dann kommen ganz andere Lösungen heraus. Frauenorganisationen sollten ihre Phantasie radikalisieren. Es gibt nicht nur die Erwerbsarbeit, es gibt viele andere Modelle von Leben und Arbeit.“

Zuhörendes Publikum

Frauenpublikum
„Warum schaffen wir nicht eine starke Frauenlobby?“
Fotos: Katrin Steiner


Ein Austausch mit dem Publikum fand weitgehend nicht statt. Zum Ende jedoch meldeten sich einige Frauen energisch zu Wort. So stellte eine Frau fest, es gebe heute keine Bewegung mehr, es sei denn, man würde Lobbyisten als Bewegung verstehen. „Warum schaffen wir nicht eine starke Frauenlobby, die auch offen für Männer ist?“ fragte sie. Fato? Evren von der SPD hingegen stellte die Frage, warum die rechtliche Gleichstellung, die auf dem Papier stünde, noch nicht umgesetzt sei: „Hier müssen wir uns zusammenschließen, die politischen Strukturen überprüfen und kämpfen.“

Kommentar zum Internationalen Frauentag


Online-Flyer Nr. 86  vom 14.03.2007

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