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Aktueller Online-Flyer vom 18. April 2024  

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Medien
CDU-Pläne zur Novellierung des Landesmediengesetzes
Lidl-Funk statt Bürgerfunk?
Von Emma Weiß

Die Hitze ist vorbei und damit auch bald die Sommerpause, die eine Art Galgenfrist für den Bürgerfunk war. Danach will die die NRW-Landesregierung eine Novelle des Landesmediengesetzes auf den Weg bringen, die den Bürgerfunk de facto zerschlagen könnte. Mit dieser ersten, noch "kleine Novelle" genannten Aktion zielt die CDU, nach Angaben ihres MdL Michael Brinkmeier, vor allem auf den Lokalfunk. Der solle rentabel werden, technisch aufwendiger, damit er mit anderen Sendern um die Gunst der HörerInnen konkurrieren könne.
Diese Gunst ist aber keineswegs gefährdet. Die Landesanstalt für Medien NRW hat, wie die NRhZ berichtete, die Volpers-Studie in Auftrag gegeben und im Februar veröffentlicht. Die Studie zeigt, dass die Zahl der Rundfunkhörenden weiter wächst. Nur leider führt diese Tatsache im Neoliberalismus nicht zu einer Entspannung der Konkurrenz, sondern macht das Medium Radio erst für vielfältige finanzielle Interessen attraktiv.

"Bürgerfunk nicht komplett abschaffen"

Bei der geplanten Novellierung des Landesmediengesetzes für diese Interessen gibt es ein Hindernis, nämlich den Bürgerfunk.

SchülerInnen in einem Bürgerfunkprojekt
SchülerInnen in einem Bürgerfunkprojekt
Foto: Emma Weiß


Bürgerfunk, der allen Menschen in diesem Land die Möglichkeit gibt, ihre Anliegen und ihre freie Meinung über das Radio zu verbreiten, ist eine feste Verpflichtung innerhalb des Lokalfunks. Jeder Lokalfunksender muss eine bestimmte Anzahl Sendeplätze freihalten und dort Bürgerfunksendungen ausstrahlen. Und damit stört der Bürgerfunk die CDU- Lokalfunkpläne. Drum wollen Michael Brinkmeier und sein Kollege Thorsten Schick den Bürgerfunk zwar nicht "komplett abschaffen", wie es in einem als Serienbrief verschickten Schreiben Schicks heißt (vgl. NRhZ 48) - aber vielleicht ein bisschen. Sie waren jedenfalls ganz erstaunt über den Gegenwind, den sie darauf zu spüren bekamen. Und der wird wohl noch stärker werden.

Im Mai gab es ein Forum - Anhörung wollten sie das Kind nicht nennen - bei dem alle am Lokalfunk Beteiligten zu Wort kommen sollten, also auch die Bürgerfunker. Dass der Bürgerfunk dabei zum Hauptthema wurde, wunderte Schick, denn darum war es der CDU eigentlich nicht gegangen.

Rahmenprogramme für die Werbung

Wer sind eigentlich die beiden Herren, die sich so heftig um die Änderung des Landesmediengesetzes bemühen? Michael Brinkmeier, medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag, ist von Haus aus McKinsey-Unternehmensberater und plant bereits an einer zweiten Novelle, die auch den TV-Bereich umfassen soll. Dadurch könnten immer mehr Sender zugelassen werden, die reine Spartenprogramme machen, Fernsehen also, das Werbekunden den Veranstaltern zuführt. Die Sendungen dienen dann nicht mehr zur Information oder Unterhaltung, sondern als Rahmenprogramm für die Werbung bestimmter Unternehmen, die diese Sendungen kaufen und dann ausstrahlen.

Brinkmeier
Michael Brinkmeier - Lieber Werbung als Bürgerfunk?
Foto: CDU


Brinkmeier bedauert, dass so etwas im Radio noch nicht möglich ist, aber er arbeitet daran. Wenn via Internet zusätzliche Frequenzen geschaffen werden, steht einem "BILD-Radio" oder "Lidl-Funk" nichts mehr im Wege - außer eben das noch gültige Landesmediengesetz. Aber das soll ja geändert werden.

Der zweite Mann im Medienboot, Thorsten Schick, ist freier Rundfunkreporter, also direkter Konkurrent der Bürgerfunker und mit "wesentlichem wirtschaftlichen Einfluss auf das Unternehmen" an der Kölner Medien Business GmbH beteiligt (http://www.medien-business.de).

Schick
Thorsten Schick - "Argumente" gegen Bürgerfunk
Foto: CDU


Die MB ist das, was man einen Medienmacher nennt. Die produzieren vor allem im TV-Bereich Spartensender wie TV Dubai und bringen Werbekunden und Medien zusammen. Man kann "Nachrichten", Berichte, Beiträge aller Art bei ihnen kaufen, je nach der Zielgruppe, die man erreichen und bewerben will. Ob sie auch für den Rundfunk arbeiten, wollte ich wissen? Nein, leider nicht, denn da seien alle Frequenzen vergeben. Leider. Aber Brinkmeier und Schick arbeiten ja daran.

Welche Medienlandschaft wollen wir?

Soll so die Medienlandschaft der Zukunft aussehen? Sollen Informationen, unabhängige Berichterstattung bald der Vergangenheit angehören? Soll alles, was gesendet, geschrieben und veröffentlicht wird, nur noch Menschen - auch gegen ihren Willen - dazu bringen, bestimmte Produkte zu erwerben? Die NRhZ arbeitet an Gegenöffentlichkeit im Zeitungsbereich. Sie lässt auch Bürgerjournalistinnen und -journalisten zu Wort kommen, die professionell betreut und unterstützt werden. Wo sonst kann man seinen Mund noch öffentlichkeitswirksam aufmachen? In der verlegereigenen Presse dagegen werden oft sogar LeserInnenbriefe unterdrückt, wenn sie nicht genehm sind.

Im Rundfunkbereich ist der Bürgerfunk eine letzte Hochburg der freien Meinungsäußerung für Normalsterbliche geworden. Mit dem faulen - der Volpers-Studie widersprechenden - Argument, dass der Bürgerfunk zum Ausschaltfaktor für den Lokalfunk würde, wollen CDU und Chefredakteure der Lokalfunkanstalten den Bürgerfunk auf Sendezeiten nach 22 Uhr verbannen. Ein Blick in die Studie zeigt, dass die Hörerschaft keinesfalls um 18 Uhr mit Beginn des Bürgerfunks drastisch abnimmt. Allerdings vollzieht sich ab 20 Uhr ein Wechsel zum Fernsehen hin, so dass ab 22 Uhr der Tiefstand der Einschaltquoten erreicht wird. Ein Sendeplatz um diese Zeit wäre aber das Aus für den Bürgerfunk. Sendungen mit Kindern, mit Menschen mit einem lokalen Anliegen oder mit Schulklassen sind um diese Uhrzeit sinnlos, weil sie ihre Zielgruppen nicht mehr erreichen.

Umstellung der Förderung = Aus für den Bürgerfunk

Torsten Schick führt noch ein weiteres "Argument" gegen den Bürgerfunk ins Feld. Das "Gieskannenprinzip", mit dem bisher die gesendeten Sendeminuten des Bürgerfunks gefördert worden sind, habe sich im Hinblick auf Qualitätssteigerung nicht bewährt, behauptet er. Und das, obwohl die Landesregierung - selbst wenn er Recht hätte - durch Streichen der Förderung keinerlei finanzielle Entlastung spüren würde. Der Bürgerfunk wird nämlich über GEZ-Gebühren finanziert. Ich habe ihn gefragt, ob er damit sagen wolle, dass für nicht geleistete Arbeit bezahlt worden wäre. Nein, so sei dass nicht gemeint, aber manche Sendungen bedeuten einen höheren Aufwand als andere, war seine Antwort. Ob er aufwendigere Sendungen, die - wie im Fall der Schulklassen - auch medienpolitische Bildung beinhalten, stärker fördern wolle, ließ der CDU-Mann offen.

Was sich hinter solchen Andeutungen verbirgt, ist das Konzept, Gelder nur noch für einzelne Projekte zu vergeben. Brinkmeier verbindet damit sogar die Idee eines Wettbewerbs. Für die anerkannten Radiowerkstätten würde eine solche Änderung zu nicht leistbarer Mehrarbeit führen. Auch das wäre das Aus für den Bürgerfunk. Denn welcher Ehrenamtliche, der drei bis vier Stunden in die Produktion einer Stundensendung investiert, hat zusätzlich die Zeit, einen detailliert begründeten Antrag zu verfassen, damit seine Sendung auch finanziert werden kann?

Mal darf gespannt sein, was die Herren CDU-Medienpolitiker zum Gegenvorschlag des Vorsitzenden des IGR-NRW (Dachverband gemeinnütziger Rundfunkvereine) Christoph Schaefler sagen werden. Schaefler will nämlich, dass anerkannte Radiowerkstätten für ihre Arbeit - die neben der Produktion der Beiträge des Bürgerfunks auch medienpädagogische, technische und journalistische Schulungen für alle Bürger beinhaltet - gefördert werden und dass diese Arbeit im Jahresbericht dokumentiert werden soll.

Leute, hört Bürgerfunk!

Also Leute hört Bürgerfunk, z.B. am 13. September 20:04 eine Sendung aus der Reihe EMMA WEISS BESCHEID über Sakir Bilgin und neue Wege zur Integration (siehe NRhZ 46: "Ich heiße Meryem, nicht Miriam"). Oder ruft Michael Brinkmeier (05241)91709-40/(0211)884-2904 oder Thorsten Schick (0211)884-2725 einfach mal an und sagt ihnen, dass sie den Bürgerfunk erhalten und ausbauen sollen anstatt ihn abzuschaffen.
Informationen über die Abgeordneten sind unter www.landtag.nrw.dezu finden.
Wer sich weiter informieren möchte oder Lust bekommen hat, selbst Bürgerfunk zu machen oder dort einmal seine Meinung kundzutun, kann sich z.B. an Radio Flok, Freier Lokalrundfunk Köln, www.flok.de wenden.

Online-Flyer Nr. 56  vom 08.08.2006

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