SUCHE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Druckversion
Globales
Bush und Mehlis sind sich offenbar einig
Hält Syrien stand?
Von Klaus von Raussendorff
Die aggressive Kampagne gegen Syrien ist Teil jener Pläne, die von US-amerikanischen Neokonservativen und israelischen Likutniks ausgeheckt wurden, um den "Größeren Mittleren Osten" im Interesse der Rüstungs- und Ölkonzerne der USA und Israels radikal umzugestalten.
"Regimewechsel" im Irak war schon unter Präsident Clinton zum außenpolitischen Ziel der USA erklärt worden. Mit der Bush-Regierung begann nach der Eroberung von Afghanistan die Invasion und Besetzung des Irak im März 2003. Und schon damals, als noch Hochstimmung in Washington herrschte, beschuldigte US-Kriegsminister Rumsfeld die Regierung in Damaskus, sie verstecke hochrangige Politiker der irakischen Baath-Partei und irakische Massenvernichtungswaffen. Tatsächlich aber tat die syrische Regierung alles, um Washington nicht zu verärgern. Schon aus Eigeninteresse des laizistischen, staatsozialistischen Gemeinwesens an der Bändigung der reaktionären Moslembrüder im eigenen Lande hatte Damaskus den "Kampf gegen den Terrorismus" unterstützt.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Doch mit welchem Maß an "good governance", zu deutsch: kapitalhöriger Obrigkeitlichkeit, sich das Imperium zufrieden gibt, entscheidet Washington vorzugsweise selbst. Syrien musste wie zahllose Staaten zuvor die Erfahrung machen, dass Flexibilität und Entgegenkommen gegenüber US-amerikanischen Wünschen keine Garantie ist, nicht in die Schusslinie zu geraten: Mitte Dezember 2004 gaben neokonservative Publizisten wie William Kristol das endgültige Signal für das Kesseltreiben gegen Syrien: Unter der Überschrift "Mit Syrien Ernst machen" erklärte der einflussreiche Vorsitzende des "Projekts für ein Neues Amerikanisches Jahrhundert" im erzreaktionären "Weekly Standard", nun gäbe es die Option, "sich mit Syrien zu befassen", denn, so Kristol: "Wir könnten syrische Militäreinrichtungen bombardieren; wir könnten mit Streitkräften über die Grenze gehen um die Infiltration zu stoppen; wir könnten die Stadt Abu Kamal in Ostsyrien wenige Meilen von der Grenze, die das Planungs- und Organisationszentrum für syrische Aktivitäten im Irak ist, besetzen; wir könnten verdeckt und offen die syrische Opposition unterstützen."
Krisenerweiterung als Krisenausweg?
Die aggressive Wendung gegen Syrien erfolgte, obgleich die modernen Faschisten des Irak-Krieges die Erfahrung hatten machen müssen, dass den Irak angreifen, verwüsten und besetzen, nicht bedeutete, das irakische Volk zu besiegen. Eine Mehrheit der Iraker sympathisiert mit dem Widerstand, wie selbst eine Umfrage des britischen Verteidigungsministeriums ergab. Die militärischen Widerstandsgruppen operieren nach Aussagen US-amerikanischer Militärs zunehmend raffinierter und erfolgreicher. Täglich werden GIs im Irak getötet, verwundet oder halten nicht mehr durch. Die Militärmaschine des Pentagon ist überbeansprucht. Sie leidet unter Rekrutierungsproblemen. Zwei von drei US-Bürgern lehnen Bushs Kriegspolitik ab. Seine Popularitätsrate sank auf 38 Prozent, Tendenz fallend.
Selbst die Machtelite, unzufrieden mit den stümperhaften Resultaten der Bush-Gang, versucht, Dampf abzulassen: Gegen Rove und Libby, die beiden engsten Mitarbeiter von Präsident Bush und Vizepräsident Cheney laufen Ermittlungsverfahren, nicht wegen ihrer Rolle beim Megaverbrechen Angriffskrieg sondern wegen Enttarnung einer CIA-Agentin und Behinderung der Ermittlungen. Und es scheint, dass das US-Establishment trotz Regierungskrise weit davon entfernt ist, über Rückzugs- und Auswegstrategien ernsthaft nachzudenken. Weiterhin überwiegen jene, die als Ausweg aus der irakischen Krise des US-Imperialismus ihre Ausweitung auf andere Länder empfehlen.
Nach Irak neben Syrien auch Ägypten im Visier
Der Imperialismus stößt im Mittleren Osten auf das Bewusstsein der Araber, eine einzige große Völkerfamilie zu bilden. Panarabische Tendenzen können jedoch nur auf Grundlage fortschrittlicher gesellschaftlicher Entwicklungen innerhalb der bestehenden arabischen Nationalstaaten realen politischen Ausdruck erhalten. Daher richtete sich die Feindschaft der imperialistischen Mächte seit jeher besonders gegen jene größeren arabischen Staaten wie Ägypten, Irak und Syrien, vor allem, wenn deren Führungen die Einheit der Araber aktiv förderten.

Zu Besuch bei Bush: Iraks Premier Ibrahim Jaafari
White House-Foto: Paul Morse
In diesem Zusammenhang haben westliche Überlegungen für eine Auflösung und Balkanisierung von Staaten wie Irak und Syrien immer eine Rolle gespielt. Sie sind allerdings aus nahe liegenden Gründen nur selten so unverhohlen formuliert worden, wie z.B. 1982 in der Studie eines ehemaligen Mitarbeiters des israelischen Außenministeriums, Oded Yinon, die dieser für eine zionistische Organisation anfertigte. Die Studie "Eine Strategie für Israel in den 80er Jahren" wurde von Israel Shahak aus dem Hebräischen übersetzt und von der Association of Arab-American University Graduates, Inc. als Broschüre (ISBN 0-937694-56-8) veröffentlicht. Darin heißt es: "Libanons totale Auflösung in fünf Provinzen dient als Präzedenzfall für die ganze arabische Welt, einschließlich Ägypten, Syrien, Irak und der arabischen Halbinsel, und wirkt sich bereits entsprechend aus. Die spätere Auflösung von Syrien und Irak in ethnisch oder religiös einheitliche Gebiete wie im Libanon ist auf längere Sicht das vorrangige Ziel an der östlichen Front, während die Auflösung der militärischen Macht dieser Staaten das vorrangige kurzfristige Ziel darstellt. Syrien wird wie im heutigen Libanon entsprechend seiner ethnischen und religiösen Struktur in verschiedene Staaten zerfallen; damit entsteht dort an der Küste ein schiitisch-alawischer Staat, ein sunnitischer Staat im Gebiet von Aleppo, ein seinem nördlichen Nachbarn gegenüber feindlich eingestellter weiterer sunnitischer Staat in Damaskus, und die Drusen, die vielleicht sogar in unserem Golan und sicher im Hauran und im nördlichen Jordanien einen Staat errichten werden. Dieser Zustand wird langfristig die Garantie für Frieden und Sicherheit in der Region sein, und dieses Ziel ist bereits in unserer Reichweite."

Zu Besuch bei Bush: Massoud Barzani, Präsident der kurdischen Regionalregierung im Irak
White House-Foto: Eric Draper
Doch im Irak zeichnet sich ein Scheitern dieser Politik der Balkanisierung bereits ab. Während auf dem Niveau westlicher Gehirnwäsche die irakischen Verhältnisse immer wieder in die stumpfsinnige Schiiten-Sunniten-Kurden-Schablone gepresst werden, vollzieht sich in Wirklichkeit eine Polarisierung der irakischen Politik aufgrund der bestialischen Besatzungsrealität. Die Pole sind Widerstand und Kollaboration mit allen möglichen Zwischenformen und quer zu religiösen und ethnischen Gegebenheiten. Der tief verwurzelte irakisch panarabische Patriotismus hat im Kampf gegen die Besatzung einen aktuellen, konkreten antiimperialistischen Ausdruck erhalten.
Die Politik des Terrors: Wer hat den Nutzen?
Die imperialistische Einmischung im Libanon und in Syrien trat in ihre akute Phase, als am 14. Februar der ehemaligen libanesischen Premierminister Rafik Hariri durch einen terroristischen Anschlag auf seine Fahrzeugkolonne ermordet wurde. Washington machte unverzüglich Damaskus für die Tat verantwortlich. Die sogleich auf breiter Front einsetzende Medienkampagne ignorierte ein früheres sehr ähnliches Ereignis, das geeignet ist, den Verdacht nicht auf Syrien sondern auf die politischen Profiteure des Mordes an Hariri zu lenken: USA und Israel.
Es lohnt sich daran zu erinnern: Am 5. April 1986 um 1.39 Uhr explodierten in der vorwiegend von farbigen US-Soldaten besuchten Westberliner Diskothek »La Belle« eineinhalb Kilogramm Plastiksprengstoff. Eine junge Türkin und zwei GIs wurden von der Bombe zerrissen, rund zweihundert Gäste zum Teil lebensgefährlich verletzt. Für den damaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Ronald Reagan, stand sofort fest, dass der libysche Staatspräsident Ghaddafi hinter dem Anschlag steckte. Als Beweis galt ein angeblich vom US-Geheimdienst NSA abgefangener Funkspruch des libyschen Volksbüros in Ostberlin mit dem Wortlaut: "Um 1.30 Uhr heute früh hat die Durchführung einer Aktion mit Erfolg stattgefunden, ohne eine Spur zu hinterlassen."
Ein abfangbarer Funkspruch dieser Art, hätten ihn die Lybier denn wirklich in die Welt gesetzt, wäre einem öffentlichen Bekennerschreiben gleichgekommen. In der Nacht vom 15. April 1986 bombardierte die US-Airforce die Städte Tripolis und Bengasi. Erklärtes Ziel der Aktion war die Beseitigung des libyschen Revolutionsführers Muammar Al Gaddafi. Die Bomber zerstörten seinen Wohnsitz und zivile Ziele. Über dreißig Menschen starben, darunter zahlreiche Kinder. Obwohl Reagan im März völkerrechtswidrig zwei Schiffe der Libyer versenken ließ, bot Ghaddafi angesichts der kriegslüsternen US-Armada in den libyschen Hoheitsgewässern klugerweise keinen Anlass, der einen Angriff auf Libyen gerechtfertigt hätte. Bis die »La Belle«-Bombe explodierte. Einen Tag zuvor waren "zwei Großraumsanitätsflugzeuge der US-Streitkräfte auf dem Flughafen Tempelhof gelandet und in einem abgelegenen Bereich des Flughafengeländes bereitgestellt worden. Und nachdem die Sprengladung hochgegangen war, fluchte einem Abhörprotokoll des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit zufolge der damalige Berliner Landespolizeidirektor Manfred Kittlaus in sein Autotelefon: 'Da haben die Amis uns aber ein dickes Ei ins Nest gelegt!' ("junge Welt" vom 29.8.98)
"Funksprüche vom Mossad erfunden"
Nach der unter Eid in dem Lockerbie-Prozess gemachten Aussage des ehemaligen Obersten im israelischen Geheimdienst, Victor Ostrovsky, hatten Mossad-Kommandogruppen den Sender in Tripolis installiert, der dann die falschen Signale über den "Erfolg" der Berliner Bombe in den Äther schickte. Die abgefangenen Funksprüche waren vom Mossad erfunden worden, sagte er. Eine Recherche des ZDF, die am 25. August 1998 gesendet wurde, berichtete, dass verschiedene führende Verdächtige im Fall des Berliner Bombenanschlags von westlichen Geheimdiensten vor Verfolgung geschützt worden waren. Darunter war eine Gruppe von Terroristen unter Leitung von "Mahmoud" Abu Jaber, einem Mann, der "an der Vorbereitung des La-Belle-Anschlags besonders beteiligt war." Die Gruppe lebte in Ostberlin und traf sich fast täglich mit den offiziellen Verdächtigen, die die Angeklagten im Gerichtsverfahren waren. Nach Erkenntnissen der russischen und ostdeutschen Geheimdienste arbeitete diese Gruppe für westliche Geheimdienste. Die ZDF-Sendung fand auch heraus, dass der Hauptverdächtige in dem Berliner Disko-Anschlag von 1986 - der im Juni 2004 von einem deutschen Gericht für schuldig befunden wurde - von den US-amerikanischen und deutschen Behörden zum Sündenbock gemacht wurde.
Mehlis schon für La Belle-Ermittlungen verantwortlich
Damit nicht genug der Parallelität der Fälle: Der in Berlin für die La Belle-Ermittlungen verantwortliche Staatsanwalt war niemand anders als der nämliche Detlev Mehlis, der als Leiter der UN-Untersuchungskommission nun den Hariri-Mord aufklären soll. Dazu meint der Londoner Politikwissenschaftler Nafeez Mosaddeq Ahmed: "Als Berliner Staatsanwalt vertuschte Mehlis versehentlich aber konsequent das dubiose Interesse der US-amerikanischen, israelischen und deutschen Geheimdienste an dem Terroranschlag von 1986, konstruierte aktiv gegen Verdächtige einen selektiven, politisch motivierten Sachverhalt ohne objektives materielles Beweismaterial, wobei er eine Gruppe von Verdächtigen mit dokumentierten Verbindungen zu westlichen Geheimdiensten ignorierte und schützte."

Detlev Mehlis: Vertuschte schon beim La Belle-Anschlag
Foto: NRhZ-Archiv
So besteht denn der wesentliche Beitrag der deutschen Außenpolitik zur aggressiven Einmischung in Libanon und Syrien in der Abordnung eines Staatsanwalts, der, wie Nafeez Mosaddeq Ahmed betont, seit 1981 an Ermittlungen von Verbrechen beteiligt ist, bei denen die Schuld unweigerlich auf Länder wie Palästina, Libyen, Iran und Syrien gewälzt wurde, die Israel feindlich gegenüberstehen.
Imperialisten in verteilten Rollen
Präsident Chirac hat sich nicht einfach dem US-amerikanischen Vorgehen angeschlossen, sondern hat aktiv versucht, den US-Präsidenten davon zu überzeugen, Frankreich in der Levante, dem früheren Einflussgebiet des französischen Kolonialismus, freie Hand zu lassen. Der Text, der am 2. September 2004 von UN-Sicherheitsrat beschlossenen Resolution 1559, die zum Abzug aller fremden, d.h. der syrischen Truppen aus dem Libanon aufforderte, wurde von einem Berater des Elysée zusammen mit Außenministerin Condoleezza Rice entworfen; weder UN-Generalsekretär Kofi Annan noch das französische Außenministerium sollen von dem Projekt informiert gewesen sein. Die Ereignisse seither deuten darauf hin, dass Jacques Chirac, George Bush und Ariel Sharon sich auf eine Verteilung der Rollen bei dem Komplott verständigt haben, Präsident Bachar al-Assad zu stürzen und die Baath-Partei in Syrien auszurotten. Das Imperium verlangt von Syrien vor seiner totalen Kapitulation zunächst, dass es bei der Unterdrückung des irakischen Widerstands mithilft, die Solidarität mit den Organisationen des palästinensischen Widerstands und der libanesischen Hisbollah beendet und seine Beziehungen zu Teheran abbricht.
Bachar Assad gestärkt
"Das syrische Volk", so die Einschätzung der Syrischen Kommunistischen Partei, "kann all diesen Verschwörungen und Pressionen standhalten und sich dagegen widersetzen, wenn es sich auf die Einheit aller nationalen Kräfte stützt. So müssen der Arbeiterklasse mehr Freiheiten eingeräumt, ihre Bedürfnisse erfüllt, ihre Lebensbedingungen verbessert und ihre Würde und Leistungsfähigkeit geschützt werden." Vieles spricht dafür, dass der syrische Präsident Bachar Assad durchaus keinen Anlass hat, der westlichen Aufforderung zum politischen Selbstmord nachzukommen. Vielmehr bietet sich ihm nach Meinung von Patrick Seale durch den internationalen Druck paradoxerweise "die einzigartige Chance, seine Autorität gegenüber rivalisierenden Machtzentren durchzusetzen und als der wirkliche Herrscher von Syrien in Erscheinung zu treten." Dabei geht Seale, ein alt gedienter Mittelost-Berichterstatter und Assad-Biograph, allerdings von der offiziellen Hypothese aus, Syrien müsse "anerkennen, dass Fehler gemacht worden sind und eine Säuberung der Geheimdienste von den hochrangigen Funktionären durchführen, die in dem (Mehlis-) Bericht genannt werden."
Doch was bisher an Beschuldigungen gegen hochgestellte syrische Persönlichkeiten bekannt geworden ist, bewegt sich auf dem qualitativen Niveau des Berliner La-Belle-Verfahrens mit demselben Hauptdarsteller. "Zentraler Zeuge in Mehlis-Report ist verurteilter Betrüger", titelte "Der Spiegel" vom 22. Oktober. Dieser Zuhir Mohamed Said Saddik sei "unter anderem wegen Veruntreuung von Geldern und Betrugs verurteilt worden". "Saddik habe nachweisbar gelogen, heißt es in Uno-Kreisen." Wieder einmal hat der informierte Zeitgenosse angesichts eines abscheulichen terroristischen Verbrechens die Wahl zwischen mehreren Verschwörungstheorien.

Hier starb Rafik Hariri - Auto und Rohr deuten auf eine Präzisionsrakete hin
Foto: NRhZ-Archiv
Dass syrische und libanesische Geheimdienstkreise, so die offiziöse Verschwörungstheorie, involviert sind, kann natürlich nicht ausgeschlossen werden. Wahrscheinlicher erscheint jedoch die Theorie, dass der Hariri-Mord Teil eines komplizierten Komplotts ist, durch das die USA die Kontrolle im Libanon und in Syrien zu übernehmen hoffen. Dafür könnten auch einige materielle Umstände der Durchführung der Tat sprechen, die viele noch unbeantwortete Fragen aufwerfen: Konnte der Riesenkrater an der Attentatsstelle von der offiziell mit nur einer Tonne angegebenen Menge TNT aufgerissen werden? Wie ist zu erklären, dass eine Limousine zwar beschädigt aber unbewegt am Rande des Kraters stehen geblieben ist, wo sie doch hätte weggeschleudert werden müssen, wenn der Explosivstoff ebenerdig gegen den Konvoi von Hariri eingesetzt worden wäre? Wäre es nicht möglich, dass eine Art Bunker-Buster-Bombe aus der Luft eingesetzt wurde, die erst im Erdreich explodierte und die im Boden verlegten Leitungen nach oben schleuderte? Ist nicht Scheich Yassir in seinem Rollstuhl punktgenau aus der Luft mit einer Rakete ermordet worden. Wer sonst in der Region außer Israel verfügt über solche Präzisionswaffen und praktiziert die Politik der "gezielten Tötungen"?
"Patriotische Opposition" gegen westlichen Druck
Die syrische Öffentlichkeit erwartet, dass Assad Stärke zeigt, um das Land gegen feindliche Einmischung von außen zu schützen. Um den Gefahren zu begegnen, müssen aber, wie die Syrische Kommunistische Partei fordert, "größere Anstrengungen darauf gerichtet sein, den Lebensstandard der Massen zu verbessern, den Preisanstieg aufzuhalten, die Gehälter und Löhne den Preisen entsprechend zu erhöhen und die Löhne ständig an das Preisniveau anzugleichen." Eckstein der nationalen Standhaftigkeit ist nach Auffassung der syrischen Kommunisten der öffentliche Sektor, der Schwerpunkt der syrischen Wirtschaft, der geschützt und von allen Schwierigkeiten und Hindernissen befreit werden müsse.
Als bestes Mittel gegen die Korruption fordert die SKP den Kampf gegen die Hauptursache, "die in der Plünderung durch eine zudringliche bürgerliche Bürokratie besteht, was erforderlich macht, dem Volk mehr demokratische Freiheiten zu geben, um die Plünderer zu bestrafen." Wie die SKP so sind auch die anderen Kräfte der so genannten "patriotischen Opposition" bereit, Präsident Assad gegen westlichen Druck zu unterstützen, wenn er die Korruption bekämpft, die Sicherheitsdienste unter Kontrolle bringt und die bürgerlichen Freiheiten erweitert, wie beispielsweise durch das geplante neue Parteiengesetz und die Entlassung politischer Gefangener. "Der bei weitem wichtigste Faktor zu Assads Gunsten", so wiederum Patrick Seale, "ist die Unterstützung, die er seitens der Kommandeure von Syriens Panzer- und motorisierten Divisionen und von den Elitetruppen der Republikanischen Garde genießt."
Eine neue Front
Syrien ist eine weitere Front des krisengeschüttelten Weltimperialismus. Doch das "kreative Chaos" im "Größeren Mittleren Osten" könnte zu anderen Resultaten führen, als sich die neokonservativen und zionistischen Zauberlehrlinge vorstellen. Im Irak haben sie sich bereits verkalkuliert. "Die Standhaftigkeit Kubas, Venezuelas, Nordkoreas, Belarus, Syriens und aller Kräfte der Freiheit und Demokratie in der Welt trägt entscheidend dazu bei, das Vertrauen der Völker der Welt zu stärken und ihren Kampf gegen die US-amerikanische Vorherrschaft zu intensivieren", stellen die syrischen Kommunisten fest.

Kofi Annan und Syriens Außenminister Farouk Al-Shara
UN-Foto: Paulo Filgueira
Es scheint, dass sich gegenwärtig im Zeitalter des Monopolkapitalismus ein gesellschaftlicher Prozess in planetarischer Größenordnung wiederholt, wie ihn Karl Marx in seiner Schrift über die "Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850" dargestellt hat: "Nicht in seinen unmittelbaren tragikomischen Errungenschaften," sagt Marx, "brach sich der revolutionäre Fortschritt bahn, sondern umgekehrt in der Erzeugung einer geschlossenen, mächtigen Konterrevolution, in der Erzeugung eines Gegners, durch dessen Bekämpfung erst die Umsturzpartei zu einer wirklich revolutionären Partei heranreifte."
Der Autor ist Herausgeber der Antiimperialistischen Korrespondenz
Externe Links:
Antiimperialistische Korrespondenz
Online-Flyer Nr. 18 vom 16.11.2005
Druckversion
Globales
Bush und Mehlis sind sich offenbar einig
Hält Syrien stand?
Von Klaus von Raussendorff
Die aggressive Kampagne gegen Syrien ist Teil jener Pläne, die von US-amerikanischen Neokonservativen und israelischen Likutniks ausgeheckt wurden, um den "Größeren Mittleren Osten" im Interesse der Rüstungs- und Ölkonzerne der USA und Israels radikal umzugestalten.
"Regimewechsel" im Irak war schon unter Präsident Clinton zum außenpolitischen Ziel der USA erklärt worden. Mit der Bush-Regierung begann nach der Eroberung von Afghanistan die Invasion und Besetzung des Irak im März 2003. Und schon damals, als noch Hochstimmung in Washington herrschte, beschuldigte US-Kriegsminister Rumsfeld die Regierung in Damaskus, sie verstecke hochrangige Politiker der irakischen Baath-Partei und irakische Massenvernichtungswaffen. Tatsächlich aber tat die syrische Regierung alles, um Washington nicht zu verärgern. Schon aus Eigeninteresse des laizistischen, staatsozialistischen Gemeinwesens an der Bändigung der reaktionären Moslembrüder im eigenen Lande hatte Damaskus den "Kampf gegen den Terrorismus" unterstützt.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Doch mit welchem Maß an "good governance", zu deutsch: kapitalhöriger Obrigkeitlichkeit, sich das Imperium zufrieden gibt, entscheidet Washington vorzugsweise selbst. Syrien musste wie zahllose Staaten zuvor die Erfahrung machen, dass Flexibilität und Entgegenkommen gegenüber US-amerikanischen Wünschen keine Garantie ist, nicht in die Schusslinie zu geraten: Mitte Dezember 2004 gaben neokonservative Publizisten wie William Kristol das endgültige Signal für das Kesseltreiben gegen Syrien: Unter der Überschrift "Mit Syrien Ernst machen" erklärte der einflussreiche Vorsitzende des "Projekts für ein Neues Amerikanisches Jahrhundert" im erzreaktionären "Weekly Standard", nun gäbe es die Option, "sich mit Syrien zu befassen", denn, so Kristol: "Wir könnten syrische Militäreinrichtungen bombardieren; wir könnten mit Streitkräften über die Grenze gehen um die Infiltration zu stoppen; wir könnten die Stadt Abu Kamal in Ostsyrien wenige Meilen von der Grenze, die das Planungs- und Organisationszentrum für syrische Aktivitäten im Irak ist, besetzen; wir könnten verdeckt und offen die syrische Opposition unterstützen."
Krisenerweiterung als Krisenausweg?
Die aggressive Wendung gegen Syrien erfolgte, obgleich die modernen Faschisten des Irak-Krieges die Erfahrung hatten machen müssen, dass den Irak angreifen, verwüsten und besetzen, nicht bedeutete, das irakische Volk zu besiegen. Eine Mehrheit der Iraker sympathisiert mit dem Widerstand, wie selbst eine Umfrage des britischen Verteidigungsministeriums ergab. Die militärischen Widerstandsgruppen operieren nach Aussagen US-amerikanischer Militärs zunehmend raffinierter und erfolgreicher. Täglich werden GIs im Irak getötet, verwundet oder halten nicht mehr durch. Die Militärmaschine des Pentagon ist überbeansprucht. Sie leidet unter Rekrutierungsproblemen. Zwei von drei US-Bürgern lehnen Bushs Kriegspolitik ab. Seine Popularitätsrate sank auf 38 Prozent, Tendenz fallend.
Selbst die Machtelite, unzufrieden mit den stümperhaften Resultaten der Bush-Gang, versucht, Dampf abzulassen: Gegen Rove und Libby, die beiden engsten Mitarbeiter von Präsident Bush und Vizepräsident Cheney laufen Ermittlungsverfahren, nicht wegen ihrer Rolle beim Megaverbrechen Angriffskrieg sondern wegen Enttarnung einer CIA-Agentin und Behinderung der Ermittlungen. Und es scheint, dass das US-Establishment trotz Regierungskrise weit davon entfernt ist, über Rückzugs- und Auswegstrategien ernsthaft nachzudenken. Weiterhin überwiegen jene, die als Ausweg aus der irakischen Krise des US-Imperialismus ihre Ausweitung auf andere Länder empfehlen.
Nach Irak neben Syrien auch Ägypten im Visier
Der Imperialismus stößt im Mittleren Osten auf das Bewusstsein der Araber, eine einzige große Völkerfamilie zu bilden. Panarabische Tendenzen können jedoch nur auf Grundlage fortschrittlicher gesellschaftlicher Entwicklungen innerhalb der bestehenden arabischen Nationalstaaten realen politischen Ausdruck erhalten. Daher richtete sich die Feindschaft der imperialistischen Mächte seit jeher besonders gegen jene größeren arabischen Staaten wie Ägypten, Irak und Syrien, vor allem, wenn deren Führungen die Einheit der Araber aktiv förderten.

Zu Besuch bei Bush: Iraks Premier Ibrahim Jaafari
White House-Foto: Paul Morse
In diesem Zusammenhang haben westliche Überlegungen für eine Auflösung und Balkanisierung von Staaten wie Irak und Syrien immer eine Rolle gespielt. Sie sind allerdings aus nahe liegenden Gründen nur selten so unverhohlen formuliert worden, wie z.B. 1982 in der Studie eines ehemaligen Mitarbeiters des israelischen Außenministeriums, Oded Yinon, die dieser für eine zionistische Organisation anfertigte. Die Studie "Eine Strategie für Israel in den 80er Jahren" wurde von Israel Shahak aus dem Hebräischen übersetzt und von der Association of Arab-American University Graduates, Inc. als Broschüre (ISBN 0-937694-56-8) veröffentlicht. Darin heißt es: "Libanons totale Auflösung in fünf Provinzen dient als Präzedenzfall für die ganze arabische Welt, einschließlich Ägypten, Syrien, Irak und der arabischen Halbinsel, und wirkt sich bereits entsprechend aus. Die spätere Auflösung von Syrien und Irak in ethnisch oder religiös einheitliche Gebiete wie im Libanon ist auf längere Sicht das vorrangige Ziel an der östlichen Front, während die Auflösung der militärischen Macht dieser Staaten das vorrangige kurzfristige Ziel darstellt. Syrien wird wie im heutigen Libanon entsprechend seiner ethnischen und religiösen Struktur in verschiedene Staaten zerfallen; damit entsteht dort an der Küste ein schiitisch-alawischer Staat, ein sunnitischer Staat im Gebiet von Aleppo, ein seinem nördlichen Nachbarn gegenüber feindlich eingestellter weiterer sunnitischer Staat in Damaskus, und die Drusen, die vielleicht sogar in unserem Golan und sicher im Hauran und im nördlichen Jordanien einen Staat errichten werden. Dieser Zustand wird langfristig die Garantie für Frieden und Sicherheit in der Region sein, und dieses Ziel ist bereits in unserer Reichweite."

Zu Besuch bei Bush: Massoud Barzani, Präsident der kurdischen Regionalregierung im Irak
White House-Foto: Eric Draper
Doch im Irak zeichnet sich ein Scheitern dieser Politik der Balkanisierung bereits ab. Während auf dem Niveau westlicher Gehirnwäsche die irakischen Verhältnisse immer wieder in die stumpfsinnige Schiiten-Sunniten-Kurden-Schablone gepresst werden, vollzieht sich in Wirklichkeit eine Polarisierung der irakischen Politik aufgrund der bestialischen Besatzungsrealität. Die Pole sind Widerstand und Kollaboration mit allen möglichen Zwischenformen und quer zu religiösen und ethnischen Gegebenheiten. Der tief verwurzelte irakisch panarabische Patriotismus hat im Kampf gegen die Besatzung einen aktuellen, konkreten antiimperialistischen Ausdruck erhalten.
Die Politik des Terrors: Wer hat den Nutzen?
Die imperialistische Einmischung im Libanon und in Syrien trat in ihre akute Phase, als am 14. Februar der ehemaligen libanesischen Premierminister Rafik Hariri durch einen terroristischen Anschlag auf seine Fahrzeugkolonne ermordet wurde. Washington machte unverzüglich Damaskus für die Tat verantwortlich. Die sogleich auf breiter Front einsetzende Medienkampagne ignorierte ein früheres sehr ähnliches Ereignis, das geeignet ist, den Verdacht nicht auf Syrien sondern auf die politischen Profiteure des Mordes an Hariri zu lenken: USA und Israel.
Es lohnt sich daran zu erinnern: Am 5. April 1986 um 1.39 Uhr explodierten in der vorwiegend von farbigen US-Soldaten besuchten Westberliner Diskothek »La Belle« eineinhalb Kilogramm Plastiksprengstoff. Eine junge Türkin und zwei GIs wurden von der Bombe zerrissen, rund zweihundert Gäste zum Teil lebensgefährlich verletzt. Für den damaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Ronald Reagan, stand sofort fest, dass der libysche Staatspräsident Ghaddafi hinter dem Anschlag steckte. Als Beweis galt ein angeblich vom US-Geheimdienst NSA abgefangener Funkspruch des libyschen Volksbüros in Ostberlin mit dem Wortlaut: "Um 1.30 Uhr heute früh hat die Durchführung einer Aktion mit Erfolg stattgefunden, ohne eine Spur zu hinterlassen."
Ein abfangbarer Funkspruch dieser Art, hätten ihn die Lybier denn wirklich in die Welt gesetzt, wäre einem öffentlichen Bekennerschreiben gleichgekommen. In der Nacht vom 15. April 1986 bombardierte die US-Airforce die Städte Tripolis und Bengasi. Erklärtes Ziel der Aktion war die Beseitigung des libyschen Revolutionsführers Muammar Al Gaddafi. Die Bomber zerstörten seinen Wohnsitz und zivile Ziele. Über dreißig Menschen starben, darunter zahlreiche Kinder. Obwohl Reagan im März völkerrechtswidrig zwei Schiffe der Libyer versenken ließ, bot Ghaddafi angesichts der kriegslüsternen US-Armada in den libyschen Hoheitsgewässern klugerweise keinen Anlass, der einen Angriff auf Libyen gerechtfertigt hätte. Bis die »La Belle«-Bombe explodierte. Einen Tag zuvor waren "zwei Großraumsanitätsflugzeuge der US-Streitkräfte auf dem Flughafen Tempelhof gelandet und in einem abgelegenen Bereich des Flughafengeländes bereitgestellt worden. Und nachdem die Sprengladung hochgegangen war, fluchte einem Abhörprotokoll des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit zufolge der damalige Berliner Landespolizeidirektor Manfred Kittlaus in sein Autotelefon: 'Da haben die Amis uns aber ein dickes Ei ins Nest gelegt!' ("junge Welt" vom 29.8.98)
"Funksprüche vom Mossad erfunden"
Nach der unter Eid in dem Lockerbie-Prozess gemachten Aussage des ehemaligen Obersten im israelischen Geheimdienst, Victor Ostrovsky, hatten Mossad-Kommandogruppen den Sender in Tripolis installiert, der dann die falschen Signale über den "Erfolg" der Berliner Bombe in den Äther schickte. Die abgefangenen Funksprüche waren vom Mossad erfunden worden, sagte er. Eine Recherche des ZDF, die am 25. August 1998 gesendet wurde, berichtete, dass verschiedene führende Verdächtige im Fall des Berliner Bombenanschlags von westlichen Geheimdiensten vor Verfolgung geschützt worden waren. Darunter war eine Gruppe von Terroristen unter Leitung von "Mahmoud" Abu Jaber, einem Mann, der "an der Vorbereitung des La-Belle-Anschlags besonders beteiligt war." Die Gruppe lebte in Ostberlin und traf sich fast täglich mit den offiziellen Verdächtigen, die die Angeklagten im Gerichtsverfahren waren. Nach Erkenntnissen der russischen und ostdeutschen Geheimdienste arbeitete diese Gruppe für westliche Geheimdienste. Die ZDF-Sendung fand auch heraus, dass der Hauptverdächtige in dem Berliner Disko-Anschlag von 1986 - der im Juni 2004 von einem deutschen Gericht für schuldig befunden wurde - von den US-amerikanischen und deutschen Behörden zum Sündenbock gemacht wurde.
Mehlis schon für La Belle-Ermittlungen verantwortlich
Damit nicht genug der Parallelität der Fälle: Der in Berlin für die La Belle-Ermittlungen verantwortliche Staatsanwalt war niemand anders als der nämliche Detlev Mehlis, der als Leiter der UN-Untersuchungskommission nun den Hariri-Mord aufklären soll. Dazu meint der Londoner Politikwissenschaftler Nafeez Mosaddeq Ahmed: "Als Berliner Staatsanwalt vertuschte Mehlis versehentlich aber konsequent das dubiose Interesse der US-amerikanischen, israelischen und deutschen Geheimdienste an dem Terroranschlag von 1986, konstruierte aktiv gegen Verdächtige einen selektiven, politisch motivierten Sachverhalt ohne objektives materielles Beweismaterial, wobei er eine Gruppe von Verdächtigen mit dokumentierten Verbindungen zu westlichen Geheimdiensten ignorierte und schützte."

Detlev Mehlis: Vertuschte schon beim La Belle-Anschlag
Foto: NRhZ-Archiv
So besteht denn der wesentliche Beitrag der deutschen Außenpolitik zur aggressiven Einmischung in Libanon und Syrien in der Abordnung eines Staatsanwalts, der, wie Nafeez Mosaddeq Ahmed betont, seit 1981 an Ermittlungen von Verbrechen beteiligt ist, bei denen die Schuld unweigerlich auf Länder wie Palästina, Libyen, Iran und Syrien gewälzt wurde, die Israel feindlich gegenüberstehen.
Imperialisten in verteilten Rollen
Präsident Chirac hat sich nicht einfach dem US-amerikanischen Vorgehen angeschlossen, sondern hat aktiv versucht, den US-Präsidenten davon zu überzeugen, Frankreich in der Levante, dem früheren Einflussgebiet des französischen Kolonialismus, freie Hand zu lassen. Der Text, der am 2. September 2004 von UN-Sicherheitsrat beschlossenen Resolution 1559, die zum Abzug aller fremden, d.h. der syrischen Truppen aus dem Libanon aufforderte, wurde von einem Berater des Elysée zusammen mit Außenministerin Condoleezza Rice entworfen; weder UN-Generalsekretär Kofi Annan noch das französische Außenministerium sollen von dem Projekt informiert gewesen sein. Die Ereignisse seither deuten darauf hin, dass Jacques Chirac, George Bush und Ariel Sharon sich auf eine Verteilung der Rollen bei dem Komplott verständigt haben, Präsident Bachar al-Assad zu stürzen und die Baath-Partei in Syrien auszurotten. Das Imperium verlangt von Syrien vor seiner totalen Kapitulation zunächst, dass es bei der Unterdrückung des irakischen Widerstands mithilft, die Solidarität mit den Organisationen des palästinensischen Widerstands und der libanesischen Hisbollah beendet und seine Beziehungen zu Teheran abbricht.
Bachar Assad gestärkt
"Das syrische Volk", so die Einschätzung der Syrischen Kommunistischen Partei, "kann all diesen Verschwörungen und Pressionen standhalten und sich dagegen widersetzen, wenn es sich auf die Einheit aller nationalen Kräfte stützt. So müssen der Arbeiterklasse mehr Freiheiten eingeräumt, ihre Bedürfnisse erfüllt, ihre Lebensbedingungen verbessert und ihre Würde und Leistungsfähigkeit geschützt werden." Vieles spricht dafür, dass der syrische Präsident Bachar Assad durchaus keinen Anlass hat, der westlichen Aufforderung zum politischen Selbstmord nachzukommen. Vielmehr bietet sich ihm nach Meinung von Patrick Seale durch den internationalen Druck paradoxerweise "die einzigartige Chance, seine Autorität gegenüber rivalisierenden Machtzentren durchzusetzen und als der wirkliche Herrscher von Syrien in Erscheinung zu treten." Dabei geht Seale, ein alt gedienter Mittelost-Berichterstatter und Assad-Biograph, allerdings von der offiziellen Hypothese aus, Syrien müsse "anerkennen, dass Fehler gemacht worden sind und eine Säuberung der Geheimdienste von den hochrangigen Funktionären durchführen, die in dem (Mehlis-) Bericht genannt werden."
Doch was bisher an Beschuldigungen gegen hochgestellte syrische Persönlichkeiten bekannt geworden ist, bewegt sich auf dem qualitativen Niveau des Berliner La-Belle-Verfahrens mit demselben Hauptdarsteller. "Zentraler Zeuge in Mehlis-Report ist verurteilter Betrüger", titelte "Der Spiegel" vom 22. Oktober. Dieser Zuhir Mohamed Said Saddik sei "unter anderem wegen Veruntreuung von Geldern und Betrugs verurteilt worden". "Saddik habe nachweisbar gelogen, heißt es in Uno-Kreisen." Wieder einmal hat der informierte Zeitgenosse angesichts eines abscheulichen terroristischen Verbrechens die Wahl zwischen mehreren Verschwörungstheorien.

Hier starb Rafik Hariri - Auto und Rohr deuten auf eine Präzisionsrakete hin
Foto: NRhZ-Archiv
Dass syrische und libanesische Geheimdienstkreise, so die offiziöse Verschwörungstheorie, involviert sind, kann natürlich nicht ausgeschlossen werden. Wahrscheinlicher erscheint jedoch die Theorie, dass der Hariri-Mord Teil eines komplizierten Komplotts ist, durch das die USA die Kontrolle im Libanon und in Syrien zu übernehmen hoffen. Dafür könnten auch einige materielle Umstände der Durchführung der Tat sprechen, die viele noch unbeantwortete Fragen aufwerfen: Konnte der Riesenkrater an der Attentatsstelle von der offiziell mit nur einer Tonne angegebenen Menge TNT aufgerissen werden? Wie ist zu erklären, dass eine Limousine zwar beschädigt aber unbewegt am Rande des Kraters stehen geblieben ist, wo sie doch hätte weggeschleudert werden müssen, wenn der Explosivstoff ebenerdig gegen den Konvoi von Hariri eingesetzt worden wäre? Wäre es nicht möglich, dass eine Art Bunker-Buster-Bombe aus der Luft eingesetzt wurde, die erst im Erdreich explodierte und die im Boden verlegten Leitungen nach oben schleuderte? Ist nicht Scheich Yassir in seinem Rollstuhl punktgenau aus der Luft mit einer Rakete ermordet worden. Wer sonst in der Region außer Israel verfügt über solche Präzisionswaffen und praktiziert die Politik der "gezielten Tötungen"?
"Patriotische Opposition" gegen westlichen Druck
Die syrische Öffentlichkeit erwartet, dass Assad Stärke zeigt, um das Land gegen feindliche Einmischung von außen zu schützen. Um den Gefahren zu begegnen, müssen aber, wie die Syrische Kommunistische Partei fordert, "größere Anstrengungen darauf gerichtet sein, den Lebensstandard der Massen zu verbessern, den Preisanstieg aufzuhalten, die Gehälter und Löhne den Preisen entsprechend zu erhöhen und die Löhne ständig an das Preisniveau anzugleichen." Eckstein der nationalen Standhaftigkeit ist nach Auffassung der syrischen Kommunisten der öffentliche Sektor, der Schwerpunkt der syrischen Wirtschaft, der geschützt und von allen Schwierigkeiten und Hindernissen befreit werden müsse.
Als bestes Mittel gegen die Korruption fordert die SKP den Kampf gegen die Hauptursache, "die in der Plünderung durch eine zudringliche bürgerliche Bürokratie besteht, was erforderlich macht, dem Volk mehr demokratische Freiheiten zu geben, um die Plünderer zu bestrafen." Wie die SKP so sind auch die anderen Kräfte der so genannten "patriotischen Opposition" bereit, Präsident Assad gegen westlichen Druck zu unterstützen, wenn er die Korruption bekämpft, die Sicherheitsdienste unter Kontrolle bringt und die bürgerlichen Freiheiten erweitert, wie beispielsweise durch das geplante neue Parteiengesetz und die Entlassung politischer Gefangener. "Der bei weitem wichtigste Faktor zu Assads Gunsten", so wiederum Patrick Seale, "ist die Unterstützung, die er seitens der Kommandeure von Syriens Panzer- und motorisierten Divisionen und von den Elitetruppen der Republikanischen Garde genießt."
Eine neue Front
Syrien ist eine weitere Front des krisengeschüttelten Weltimperialismus. Doch das "kreative Chaos" im "Größeren Mittleren Osten" könnte zu anderen Resultaten führen, als sich die neokonservativen und zionistischen Zauberlehrlinge vorstellen. Im Irak haben sie sich bereits verkalkuliert. "Die Standhaftigkeit Kubas, Venezuelas, Nordkoreas, Belarus, Syriens und aller Kräfte der Freiheit und Demokratie in der Welt trägt entscheidend dazu bei, das Vertrauen der Völker der Welt zu stärken und ihren Kampf gegen die US-amerikanische Vorherrschaft zu intensivieren", stellen die syrischen Kommunisten fest.

Kofi Annan und Syriens Außenminister Farouk Al-Shara
UN-Foto: Paulo Filgueira
Es scheint, dass sich gegenwärtig im Zeitalter des Monopolkapitalismus ein gesellschaftlicher Prozess in planetarischer Größenordnung wiederholt, wie ihn Karl Marx in seiner Schrift über die "Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850" dargestellt hat: "Nicht in seinen unmittelbaren tragikomischen Errungenschaften," sagt Marx, "brach sich der revolutionäre Fortschritt bahn, sondern umgekehrt in der Erzeugung einer geschlossenen, mächtigen Konterrevolution, in der Erzeugung eines Gegners, durch dessen Bekämpfung erst die Umsturzpartei zu einer wirklich revolutionären Partei heranreifte."
Der Autor ist Herausgeber der Antiimperialistischen Korrespondenz
Externe Links:
Antiimperialistische Korrespondenz
Online-Flyer Nr. 18 vom 16.11.2005
Druckversion
NEWS
KÖLNER KLAGEMAUER
FILMCLIP
FOTOGALERIE