NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 21. November 2025  

zurück  
Druckversion

Aktuelles
Verleihung des Westfälischen Friedenspreises an die NATO
Keine Pause für Ross und Reiter
Satire von Bernhard Nolz

Auf dem Weg zur morgendlichen Dienstbesprechung erreicht den Verteidigungsminister die Nachricht von der Verleihung des Westfälischen Friedenspreises an die NATO. Zu Beginn der Sitzung bot der Minister ein Bild des Jammers. Zusammengesunken saß er auf seinem Stuhl. Des Ministers Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren verunsichert durch sein unverständliches Gemurmel. Sie meinten die Wörter „fähig“ und „Reis“ herauszuhören. Ging es um Chinas berühmten Sack Reis, der nun statt Drohnen als Kriegswaffe zum Einsatz kommen würde? Eigentlich nicht, denn die allgemeine strategische Lage für Deutschland war doch bestens:Aus der Ukraine nichts Neues. Die Beschimpfungen in der Koalition auf Normalniveau. Und die AfD hatte kein Reden von sich gemacht. Was also war der Grund für die Zerknirschung des Herrn Ministers? Was war los mit ihm, wo doch die Jackentage im karnevalistischen Anmarsch waren. Endlich schaute er auf und in die Runde seiner elf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich, teils in Uniform, teils zivil gekleidet, zur Besprechung versammelt hatten. Dann zeigte er auf seinen Pressesprecher. 

„Sagen Sie, was los ist.“ 

„Der Westfälische Friedenspreis 2026 wird der NATO verliehen, das gab die Wirtschaftliche Gesellschaft für Westfalen und Lippe e.V.“ gestern bekannt.“ 

„Was ist so schlimm daran?“, flüsterte ein Mitarbeiter seiner Nachbarin ins Ohr. 

„Ihre vorlaute Bemerkung war nicht zu überhören“, nörgelte der Verteidigungsminister und richtete sich in seinem Sessel auf. 

„Sie verstehen gar nichts!“, sagte er und war wieder der Bäcker mit der dicken Backe, wie er in der Kantine liebevoll genannt wurde. 

„Für den Aufwuchs der Bundeswehr ist die Preisverleihung an unser Nordatlantisches Kriegsbündnis eine Katastrophe!“ 

„Wie kommen Sie darauf, Herr Minister?“ 

„Wer will schon freiwillig zu einer Bundeswehr, die Teil einer Friedensorganisation geworden ist? Eine Friedenstruppe! Wer will bei einem Pazifisten-Haufen mitmachen?“ 

„Niemand, Herr Minister.“ 

„Sehen Sie! Die Jungs wollen kämpfen, sich als Held in der Taiga beweisen und gutes Geld verdienen. Mehrere Millionen hat unsere Werbekampagne „Mach, was wirklich zählt!“ verschlungen. Alles für die Katz, wenn ab 2026 jeder NATO-Soldat quasi eine Friedenstaube am Revers tragen muss!“ 

„Wie meinen Sie das, Herr Minister?“ 

„Haben Sie die ganze Zeit geschlafen und den Informationskrieg nicht mitgekriegt? Die Diskussion um die Wehrpflicht, das Losverfahrens für die Wehrpflichtigen oder unser Ruf „Frauen in die Bundeswehr“, das alles haben wir doch nur losgetreten, um die jungen Kerls heiß auf die Bundeswehr und den Kriegsdienst zu machen. Die sollen doch glauben, dass sie sofort bei der Armee antanzen müssen, um sich als Soldat zu verpflichten, weil sonst die besten Bundeswehr-Jobs weg sind.“ 

„Genial gemacht!“ 

„Gedacht, meine Liebe, gedacht! Jetzt ist alles kaputt. Wer will noch von Kriegstüchtigkeit reden, wenn der NATO ein Friedenspreis verliehen wird. Was hat die westfälische Unternehmerschaft nur geritten?“ 

„Auf deren Internetseite sehe ich gerade, dass der Bundeskanzler in der Jury sitzt.“ 

„Von den Schwarzen Bergen weht also der Wind. Die NATO-Aufträge sollen in sein Sauerland gelenkt werden. Wir Niedersachsen sollen leer ausgehen. Und Soldaten krieg ich auch keine! Wie kommen wir da raus?“ 

„Apropos Bundeskanzler, Herr Minister, der hat einen Flugschein. Wir könnten einVideo drehen, dass ihn im deutschen Eurofighter zeigt, wie er 1999 Serbien bombardiert. Das war ein illegaler Krieg mit großem Nervenkitzel, der sich in Russland wiederholen lässt. Könnte jungen Männern mit Tatendrang gefallen.“ 

„Das schon, aber dann darf die NATO im Video nicht auftauchen, sonst sind wir wieder in dem Friedensschlamassel, den die Westfalen angerichtet haben.“ 

„Wir könnten eine Sequenz mit der Junkers Ju 87, dem Sturzkampfbomber aus dem 2. Weltkrieg, einblenden.“ 

„Wir machen das, was unsere Lebensart ist.“ 

„Sie meinen Propaganda und Kriegshetze?“ 

„Sie haben es erfasst. Kognitive Kriegsführung nennt man das. Wozu sonst haben wir die KI?“ 

„Schon erledigt, Herr Minister. Soll ich mal vorlesen, was die KI aus der westfälischen Presseerklärung gemacht hat?“ 

„Ja, vorsorglich habe ich schon mal eine Spezialeinheit der Luftwaffe nach Belgien verlegen lassen.“ 

„Die KI schreibt: Westfälischer Preis für Kriegsbereitschaft: Mit der Verleihung des Preises soll die NATO ermuntert werden, Macht und Ordnung durch Abschreckung und militärische Intervention nach Russland zu tragen. Die beständigen Anstrengungen der NATO sollen unterstützt werden, damit es gelingt, den Konflikt zu eskalieren, die Feindschaft zu vertiefen und Russland ...“ 

Das Telefon des Ministers klingelte. Er führte ein kurzes Gespräch, dann sagte er in die Runde: „Wir müssen zum Schluss kommen. Ich muss rechtzeitig in Osnabrück sein. Die brauchen noch heute meinen Rat, ob sie den Osnabrücker Friedenspreis an US-Präsident Trump vergeben sollen.“ 

„Mit Verlaub, Herr Minister. Wäre Trump nicht eher eine Lösung für unser Problem?“ 

„Sie meinen, die NATO verzichtet zugunsten von Trump auf den Westfälischen Friedenspreis? Dann wären wir fein raus, wir könnten unsere Jungs wieder für den Wehrdienst motivieren und ich bliebe beliebt.“ 

„Wenn alle Stricke reißen, Herr Minister, kann die Bundeswehr immer noch aus der NATO austreten.“ 

„Hybrider Unsinn! Mit diesem toxischen Vorschlag hat uns schon vor Jahren die Kooperation für den Frieden genervt. Wir halten uns an Rheinmetall.“ 

Sprachs, bestieg sein Pferd und ward erst mit der Hälfte wieder gesehen. Aber das ist eine andere Geschichte. 


Bernhard Nolz ist Aachener Friedenspreisträger, Sprecher der Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden (PPF) und Leiter des Siegener Zentrums für Friedenskultur (ZFK).

Online-Flyer Nr. 854  vom 21.11.2025

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE


Den Frieden wählen
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann