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Globales
Der "Frieden", der den Palästinensern im Gaza-Streifen auferlegt werden soll, hat eindeutig Züge eines Diktatfriedens
Der Gaza Friedens Plan: Wo bleibt da die Demokratie?!
Von Hermann Ploppa

Der so genannte Gaza Peace Plan, den Donald Trump vermittelt hat, ist bislang eigentlich nie so richtig auf seine innere Schlüssigkeit untersucht worden. Der „Frieden“, der den Palästinensern im Gaza-Streifen auferlegt werden soll, hat eindeutig Züge eines Diktatfriedens. Es kommen dem Betrachter dabei üble Reminiszenzen an den Vertrag von Versailles, der Deutschland aufgezwungen wurde. Es handelt sich nicht um einen Vertrag zwischen völkerrechtlich gleich gestellten Akteuren.

Als erste Forderung ersichtlich in diesem 20-Punkte-Programm, oder: Friedensplan, ergibt sich die Entfernung der Hamas aus allen Verhandlungsschritten. Es wird nichts weniger gefordert als die Selbstauflösung der Hamas. Es hat kürzlich erst eine solche Selbstauflösung stattgefunden. Die kurdische Organisation PKK erklärte ihre Selbstauflösung. Die Hamas soll die Waffen strecken und sich selbst auflösen. Der Vertrag garantiert in dem Falle sogar Amnestie für Hamas-Kämpfer, die dann unbehelligt ins Ausland ausreisen dürfen.

Was fällt uns bei dieser Konstruktion auf?

Man muss vorweg schicken, die Hamas ist eine zwielichtige Organisation. Ihre Funktion ist sehr ambivalent. Denn Sie wurde aufgebläht von Katar unter Duldung Israels. Das geschah zum Zwecke der politischen Spaltung der beiden Rest-Enklaven Westjordanland und Gazastreifen. In dem das Westjordanland nach wie vor von einer vollständig kastrierten PLO regiert wird. Bei sogenannten freien Wahlen im westlichen Stil erhielt allerdings die militant-radikalislamische Gruppe Hamas in Gaza das Mandat, eben diesen Gaza-Streifen zu regieren und zu verwalten.

Wohlgemerkt, was ist Gaza? Ist es ein Protektorat? Ist es eine Enklave?

Im Sechs-Tage-Krieg von 1967 besetzten israelische Streitkräfte das Westjordanland und den Gaza-Streifen. Völkerrechtlich ist Gaza also ein besetztes Land. Allerdings haben sich die israelischen Streitkräfte im Jahre 2005 aus dem Gaza-Streifen zurückgezogen. Damit hat sich Israel allerdings auch aller Verpflichtungen entzogen, die nach der Haager Landkriegsordnung und dem Vierten Genfer Abkommen zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten zwingend vorgeschrieben sind: für die Versorgung der Zivilbevölkerung zu sorgen; das Gesundheitssystem aufrecht zu erhalten. Und drittens wird es jetzt zentral für uns: nach Artikel 33 des Vierten Genfer Abkommens ist es den Besatzern verboten, die Bevölkerung des besetzten Gebietes kollektiv zu bestrafen für Delikte, die einzelne Gruppen oder Individuen in den besetzten Territorien begangen haben. Die israelische Regierung versucht diesen Passus des Vierten Genfer Abkommens zu umgehen, indem sie sagt: wir wollen nicht die Palästinenser in Gaza bestrafen. Wir wollen lediglich die Hamas ausschalten, die wir als Sicherheitsrisiko für uns ansehen. Diese Argumentation greift nicht, weil die zivile Infrastruktur mittlerweile fast komplett zerstört ist. Und weil die über 60.000 getöteten Zivilisten als „Kollateralschaden“ in keinem Verhältnis stehen zum Ziel, eine bewaffnete Gruppe auszuschalten.

Wer fragt hier nach demokratischen Regeln? Wer fragt die Bewohner von Gaza?

Die Hamas wurde bei Wahlen, die nach westlichen Spielregeln abgelaufen sind, zur legitimen Regierung von Gaza gewählt. Noch einmal: Ob man diese Entscheidung der Wähler gut findet oder nicht: die Hamas ist auf demokratischem Wege, nach westlichem Demokratieverständnis, der legitime Vertreter der Palästinenser im Gaza-Streifen. Einfach zu sagen, die Regierungsvertreter der Hamas sollen jetzt verschwinden, und das als erste Voraussetzung für einen Waffenstillstand, setzt folglich voraus, dass man eine demokratisch gewählte Regierung einfach entfernt. Per se ein undemokratischer Vorgang.

Zweitens könnte man vielleicht sagen: die Hamas ist delegitimiert durch die Attacken vom 7. Oktober 2023. Sie habe sich damit für weitere Verhandlungen disqualifiziert. Nun müsste eigentlich, wenn es irgendwie rechtsstaatlich nach internationalem Recht zuginge, zunächst festgestellt werden, dass die Regierung von Gaza kapituliert. Dass sie in einem Krieg kapituliert. Da stellt sich zunächst die erste Frage: warum hat die Hamas einen Krieg begonnen gegen Israel? Das kam einem militärstrategischen Selbstmord gleich. Es war doch bekannt, dass das Kräfteverhältnis vollkommen asymmetrisch ist.

Bekanntlich hat Israel zunächst nicht auf diese dilettantischen, amateurhaften Angriffe mit selbst gebastelten Waffen reagiert. Und Israels Regierung will auch nicht die Zusammenrottung von Hunderten, wenn nicht Tausenden von kampfentschlossenen Personen im Gazastreifen wahrgenommen haben, obwohl sie über eine absolut flächendeckende Wahrnehmung verfügen – durch ihre Beobachtungstechnologie im Gazastreifen. Es kann also nur angenommen werden, dass Israel zumindest diese Entwicklung wohlwollend akzeptiert hat, und auf sich zukommen ließ, um dann in einer großen Attacke die Hamas anzugreifen. Jetzt wurde also aus einem Krieg zwischen der Verwaltungseinheit Gaza und Israel plötzlich ein Krieg zwischen der Hamas und der israelischen Armee und ihren israelischen Geheimdiensten. Dieser Kampf ging aus, wie es abzusehen war. Israel hat natürlich mit seiner überlegenen Übermacht Gaza komplett niedergewalzt.

Jetzt gibt es zwar noch Restelemente der Hamas, es gibt immer noch Strukturen, aber welche Rolle spielen sie noch? Die Zahl der getöteten Hamas-Kämpfer wird von der israelischen Armee auf 15.000 Personen geschätzt. Das ist ein substantieller Verlust.

Damit sind wir auch schon beim nächsten Punkt, weshalb die Bevölkerung des Gazastreifens quasi kollektiv bestraft und entmündigt wird für die Taten der Hamas. Es wird in dem Gaza-Peace Plan von Trump behauptet, die Hamas muss jetzt ausgeschaltet werden, um endgültig die Gefährdung für Israel zu beenden. Die ganze Situation wird so dargestellt, als wenn der Gazastreifen eine permanente Gefahr für Israel dargestellt hätte. Dabei ist eindeutig, dass zuerst die Gefährdung und die Einkerkerung von zwei Millionen Menschen auf einem sehr engen Gebiet das Problem darstellte. Israel war die ganze Zeit Besatzungsmacht, hat aber die Bevölkerung von Gaza ihrem eigenen Schicksal überlassen, und dabei nicht nur internationale Hilfe unterbunden, sondern auch selber aktiv die Versorgung der Bevölkerung von Gaza zerstört. Diese permanenten Nadelstiche Israels führten zu einer zunehmend verzweifelten Situation.

Strukturelle Ähnlichkeit mit Versailler Vertrag: Ein Diktatfrieden


Der Terror aus Gaza durch die Hamas-Extremisten hätte sofort eingestellt werden können, wenn Israel nicht ständig provoziert hätte. Das heißt, jetzt wird ein Narrativ gezüchtet, ganz genau wie bei der Kapitulation Deutschlands am Ende des Ersten Weltkrieges. Der Verlierer muss das Narrativ annehmen und vertraglich besiegeln lassen, dass er provoziert habe, dass er einen Krieg erzwungen habe und jetzt dafür quasi für den Gesamtschaden aufkommen muss. Der 20-Punkte-Plan zwingt den unterlegenen Gegner Hamas und damit insgesamt auch die palästinensische Bevölkerung, das Narrativ bedingungslos zu akzeptieren, dass alle Gefahr der kollektiven Sicherheit in der Region alleine von der Hamas und indirekt auch von der palästinensischen Bevölkerung ausgegangen sei. Das ist ein Narrativ und nichts als ein Narrativ. Aufgrund dessen wird jetzt ohne weitere Volksabstimmung verordnet, sozusagen dekretiert, dass eine internationale Investorengemeinschaft die Kontrolle von Gaza übernimmt.

Es wäre ja eigentlich angemessen, durch eine freie und geheime Wahl zunächst zu klären, ob die Hamas abgewählt werden soll von der palästinensischen Bevölkerung. Das wäre ein demokratisches Prozedere. Das hat natürlich einige Haken. Der erste ist, dass die Menschen in Gaza um das pure Überleben kämpfen. Dass sie auf steinzeitliche Bedingungen des Überlebens reduziert sind. Sie haben vitalere Probleme als an einer Volksabstimmung teilzunehmen. Das heißt: die Bewohner des Gaza-Streifens müssten quasi erst einmal in die Lage versetzt werden, überhaupt an irgendwelchen Abstimmungen teilnehmen zu können. Erst dann könnte quasi die Bevölkerung von Gaza die Hamas-Regierung offiziell abwählen und eine neue Regierung einwählen. Das geschieht aber wohlweislich nicht.
Damit wird deutlich, dass es um ganz andere Dinge geht, als um die Sicherheit und das Wohlergehen der Bevölkerung von Gaza. Insofern ist dieser Vertrag null und nichtig, weil er sowieso die eigentlich Betroffenen gar nicht einbezieht als Subjekt eines Dialoges, sondern sie von vornherein gar nicht berücksichtigt. Rhetorische Floskeln wie §2, wo es wohl klingend und gleichermaßen folgenlos heißt: das Volk hat jetzt genug gelitten, können nur als pure Public Relations betrachtet werden. Das Volk soll zusammen mit dem Grund und Boden von Gaza jetzt überführt werden in eine Ordnung, in der Investoren aus den USA, die ökonomisch und ideologisch zutiefst verbandelt sind mit dem Netanyahu-Regime, die Kontrolle übernehmen und aus dieser leeren Tafel Gaza etwas ganz Neues schmieden. Nämlich eine Sonderwirtschaftszone, Ultra-modern. Vollkommener Neuanfang. Auf der leeren Tafel eine völlig neue Welt nach dem Geschmack des Plattformkapitalismus und der entsprechenden Investoren wie Larry Ellison, Elon Musk und so weiter zu bilden. Das ist der Hintergrund dieses Vertrages.

Deswegen ist es kein Zufall, wenn in dem Vertrag bereits der Name Tony Blair erwähnt wird. Tony Blair wird vermutlich dann der Verwalter des Protektorats Gaza. Über Tony Blair und seine enge Beziehung oder vielmehr seine Abhängigkeit von Oracle und von dessen CEO Larry Ellison werden wir noch ausführlich berichten.


Erstveröffentlichung am 5. Oktober 2025 bei hermannploppa.substack.com

Online-Flyer Nr. 852  vom 10.10.2025

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