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Aktueller Online-Flyer vom 30. April 2025  

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Aktuelles
Podium „Deutschland. Aber Neutral“ auf der Ersten Alternativen Medienmesse am 29. März 2025 in Berlin
Der Samen für die Neutralität ist gelegt
Von NRhZ-Redaktion

Im Rahmen der "Ersten Alternativen Medienmesse", die insgesamt unter dem "Motto Deutschland. Aber Neutral" stand, fand am 29. März 2025 in Berlin das entsprechende von Anneliese Fikentscher (NRhZ) moderierte Podiumsgespäch mit Vertretern von Neutralitätsinitiativen aus Österreich, Schweiz und Deutschland statt - mit Wilhelm Langthaler, Christoph Pfluger und Andreas Neumann. Sie waren sich einig, dass es darum gehen miss, sich bei der Verteidigung bzw. Erlangung der Neutralität gegenseitig zu stärken. Ziel ist das Entstehen einer starken Bewegung von internationaler Ausstrahlungskraft.


Podium mit Christoph Pfluger, Andreas Neumann, Wilhelm Langthaler und Anneliese Fikentscher - Foto: Frank Becker (Arbeiterfotografie)

Wilhelm Langthaler sprach für „Selbstbestimmtes Österreich“, Teil des Bündnisses "Stimmen für Neutralität" (https://www.stimmenfuerneutralitaet.at).

Christoph Pfluger sprach für die Anfang März 2025 gegründete Schweizer „Bewegung für Neutralität“ (https://bene-schweiz.info).

Andreas Neumann sprach für die von der AG Frieden dieBasis Köln gegründete Initiative „Für ein neutrales Deutschland“ (https://deutschlandNEUTRAL.de).

Zur Situation in Österreich

Laut Bundesverfassungsgesetz vom 26. Oktober 1955 hat Österreich die "immerwährende Neutralität" erklärt. Es heißt darin: "Österreich wird... in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen." Im Zuge der EU-Mitgliedschaft ist die Neutralität unterminiert worden. Das Bundesverfassungsgesetz ist wie folgt ergänzt worden: "Österreich wirkt an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union... mit... Dies schließt die Mitwirkung an Aufgaben gemäß Art. 43 Abs. 1 dieses Vertrags... ein." Zu diesen Aufgaben gehören so genannte "Missionen", also kriegerische Operationen "zur Wahrung der Werte der Union und im Dienste ihrer Interessen". Österreich ist also dem ursprünglichen Bundesverfassungsgesetz zuwider Mitglied im Militärbündnis EU geworden. Dieser Aufweichung der Neutralität gilt es Einhalt zu gebieten.

Wilhelm Langthaler: "Die österreichische Bevölkerung hat die Mitgliedschaft in der EU nur mit dem so genannten Neutralitätsvorbehalt zugestimmt. Aber der ist eigentlich eine Lüge. Das hat sie nicht ganz mitbekommen. Jetzt aber, wo die Illusion der EU als Friedensbündnis zerfällt und jeder sieht, dass die EU ein knallhartes Kriegsbündnis ist und das, was Hitler gegen Russland gemacht hat, jetzt wieder machen will, da setzen sich sehr viele Leute ab und beharren auf der Neutralität. Und sensationellerweise: als der akute Krieg in der Ukraine begonnen hat und die Propagandamaschine gerollt ist, sind die Zustimmungswerte zur Neutralität nach oben geschossen. Also: ganz dumm sind die Leute nicht."

Zur Situation in der Schweiz

Die Schweizer „Bewegung für Neutralität“ orientiert auf einen Volksentscheid in 2026. Die bisher nicht explizit benannte Neutralität soll Verfassungsrang erhalten. Folgender Passus soll als Art. 54a in die Verfassung aufgenommen werden: „Die Schweiz ist neutral. Ihre Neutralität ist immerwährend und bewaffnet. Die Schweiz tritt keinem Militär- oder Verteidigungsbündnis bei... Die Schweiz beteiligt sich nicht an militärischen Auseinandersetzungen zwischen Drittstaaten und trifft auch keine nichtmilitärischen Zwangsmassnahmen gegen kriegführende Staaten... Die Schweiz nutzt ihre immerwährende Neutralität für die Verhinderung und Lösung von Konflikten und steht als Vermittlerin zur Verfügung.“

Christoph Pfluger: "Wenn man sich fremden Entscheidungen unterordnen muss, dann kann man nicht mehr souverän entscheiden. Das ist für die Schweiz besonders wichtig, weil sie die direkte Demokratie hat und das Volk der Souverän und damit die höchste Instanz im Staat ist. Wenn aber Entscheidungen ausgelagert werden – nach Stuttgart, einem der Hauptquartiere der NATO, oder nach Brüssel – dann ist ganz klar, dass damit die direkte Demokratie teilweise abgeschafft wird. Die Leute müssen das erstmal verstehen. Diese Überlegungen sind in jedem Land gültig. Überall ist die Neutralität, die Bündnisfreiheit, die Blockfreiheit ein ganz entscheidender Punkt, wenn man Frieden will. Ich bin der ganz festen Überzeugung, dass Neutralität der nächste Leuchtturmbegriff der Friedensbewegung werden muss. Der Begriff Frieden ist verbraucht. Und er wird missbraucht... Der Begriff Neutraliät ist politisch viel wirksamer... Wir sind überzeugt, dass wir mit konstruktiven Botschaften, ohne Kritik unter den Teppich zu kehren, mehr Leute ansprechen können."

Zur Situation in Deutschland

In Deutschland ist der Schritt zur Neutralität ein sehr großer. Deutschland ist mit den dutzenden von Militärbasen der USA, GB und NATO als Vasallenstaat des anglo-amerikanischen Imperiums von der Neutralität weit entfernt. Zudem gibt es in Deutschland auf Bundesebene nicht die Möglichkeit des Volksentscheids. "Es gibt aber" – so Andreas Neumann – "einen ganz entscheidenden Hebel, um auf dem Weg zur Neutralität einen Riesenschritt zu machen. Das ist die Kündigung des Vertrags über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (des so genannten Truppenstationierungsvertrags). Was dann beseitigt wäre, wäre phänomenal. Die US-Militärbasis in Ramstein wäre weg. Die Kommandozentralen EUCOM und AFRICOM in der Nähe von Stuttgart wären weg. Die Atomwaffen in Büchel, die Militäreinrichtungen in Wiesbaden: all das wäre weg. Aus öffentlichen Quellen lässt sich ermitteln, welches Areal diese Stationierungsorte umfassen. Das ist ein Streifen von einem Kilometer Breite von Hamburg bis München. Diese Einrichtungen – insbesondere Ramstein – dienen der Führung illegaler Kriege – Kriege, die alles andere als völkerrechtskonform sind. Es ist schwer vorstellbar, dass große Teile der Friedensbewegung sich dagegen wehren, sich die wirkmächtige Forderung nach Kündigung des Truppenstationierungsvertrags nicht zu eigen zu machen."

In Anlehnung an das Österreichische Bundesverfassungsgesetz und die angestrebte Ergänzung der Schweizer Verfassung schlägt Andreas Neumann vor, Grundgesetz Art 1, in dem es bereits heißt "Die Würde des Menschen ist unantastbar… Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt." um den folgenden Passus zu ergänzen: "Von dem Willen beseelt, dem Frieden der Welt zu dienen [wie es in der Präambel heißt] erklärt Deutschland seine immerwährende Neutralität. Demgemäß wird Deutschland in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen angehören, sein Militär nur zur Landesverteidigung bereitstellen, kein Kriegsmaterial exportieren, fremde Kriegsparteien nicht finanzieren und militärische Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiet nicht zulassen. Deutschland nutzt seine immerwährende Neutralität für die Verhinderung und Lösung von Konflikten und steht als Vermittlerin zur Verfügung."

Resümee

Unsere gemeinsame Vision – so Andreas Neumann – müsse die Neutralität sein. Sie ist ein ganz entscheidender Schritt auf dem Weg zum Frieden und eine wesentliche Voraussetzung für Souveränität. Es muss uns darum gehen, ein breites Bündnis nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern möglichst über viele Grenzen hinweg zu realisieren. Schweiz, Österreich und Deutschland können Kern des Leuchtturmprojekts auf dem Weg zu einer friedlicheren Welt sein. Wenn Deutschland neutral würde – so Wilhelm Langthaler – wäre die ganze Nachkriegsordnung umgestürzt. Wenn Deutschland aus der NATO austritt, ist das eine Revolution. In Deutschland ist es besonders wichtig, dass sich eine richtig große Bewegung für Frieden mit Russland und Neutralität entwickelt, um die US-Oberherrschaft abzuschütteln. Sie sollte so breit wie möglich und überparteilich sein. Das ist ausgesprochen wichtig. Christoph Pfluger bringt es auf den Punkt. Er orientiert auf eine "Internationale der Neutralität". Der Samen sei gelegt, jetzt gelte es, ihn zu wässern und zu düngen.


Zum Thema Neutralität siehe auch:

Website der Kampagne "Für ein neutrales Deutschland"
https://deutschlandneutral.de

Kongress „Krieg und Frieden“ der Neuen Gesellschaft für Psychologie am 11. April 2025 in Berlin
Eine "Internationale der Neutralität" – das schaffen wir!
Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann - interviewt von Yavuz Özoguz (Muslim-Markt)
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29467

Zur Situation in der Schweiz und in Deutschland
Neutralität ist Voraussetzung des Friedens
Ariet Güttinger - interviewt von Elke Zwinge-Makamizile
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29452

Gefährdet der Rüstungskonzern Rheinmetall im Schweizer Kanton Schwyz die Neutralität?
Widerstand gegen Rheinmetall in der Schweiz
Von Ariet Güttinger
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29450

Offener Brief an Martin Pfister (neuer Schweizer Bundesrat und "Verteidigungsminister"), Bern, 31. März 2025
Hoffnungen, Sorgen und ein wachsamer Blick auf Ihre Arbeit
Von Vorstand der Schweizer "Bewegung für Neutralität"
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=29451

Online-Flyer Nr. 845  vom 17.04.2025

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