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Aktueller Online-Flyer vom 06. Dezember 2024  

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Kommentar
Es wird sich zeigen, welches Frauenbild die Menschheit vorzieht
Zwei Frauen im Iran und das Frauenbild des Westens
Von Yavuz Özoguz

Es ist immer wieder mehr als verwunderlich, wenn die westlichen Mainstream-Medien über den Iran berichten. Denn das, was sie berichten, ist genauso entlarvend, wie das, was sie verheimlichen. Letzte Woche gab es angeblich aufsehenerregende Aktion an der Universität in Teheran. Der Spiegel schreibt dazu: „Die an der Islamischen Asad-Universität in Teheran studierende Frau hatte sich am Samstag aus Protest gegen die Basidsch-Miliz ausgezogen und war in Unterwäsche über den Campus und eine Straße der iranischen Hauptstadt gelaufen. Videos der Protestaktion verbreiteten sich auf Onlinenetzwerken rasant.“ [1] Die viral gegangenen Aufnahmen verdeutlichen nur eines. Da ist tatsächlich eine Frau in Unterwäsche, die im Iran herumläuft. Aber weder kommt es zu Tumulten, noch wird sie von irgendeinem Passanten angegriffen. Und die Szene, wie sie respektvoll festgenommen und abgeführt wird, wird gar nicht erst gezeigt (obwohl es sicherlich jemand aufgenommen hat), weil das nicht in das Bild passt, das man vermitteln will. Auch erfahren wir aus westlichen Medien absolut nichts über die Frau.



Und mit den Revolutionsgarden oder Basidsch hatte das Ganze nun wirklich nichts, aber auch gar nichts zu tun! Tatsächlich handelte es sich um eine alleinerziehende Frau von zwei Kindern, die von ihrem Mann betrogen worden ist und sich daher scheiden ließ. Aus „Rache“ zu ihrem Mann hat sie sich mit mehreren Männern eingelassen, die sie allesamt ausgenutzt haben. In ihrer psychischen Verzweiflung hat sie den Anlass der Zurechtweisung durch das Universitätspersonal zu dieser drastischen Maßnahme bewogen. Sie wurde im Iran eher als „Hilferuf“ einer verzweifelten Frau aufgefasst und nicht als politischer Protest. Daher kam sie auch nicht in Untersuchungshaft, sondern in das, was man in Deutschland „Frauenhaus“ nennt, um ihr zu helfen.

Doch nahezu zeitgleich gab es auch die Geschichte einer anderen Frau im Iran! Sie heißt Kowsar Yousefi. Zum ersten Mal in der Geschichte der Islamischen Republik Iran wurde eine Frau zur Chefaufseherin der iranischen Zentralbank ernannt. Der iranische Finanzminister Abdolnasser Hemmati hat sie am Dienstag zur Leiterin des Aufsichtsrats der Zentralbank des Iran ernannt. Das iranische Finanzministerium erklärte, dass diese Ernennung im Einklang mit der aktuellen Politik der Regierung stehe, Frauen in Schlüsselpositionen zu berufen. Die Ernennung von Yousefi in der Zentralbank sei eine Premiere in der Geschichte des Ministeriums [2]. Doch wer ist diese Frau?

Kowsar Yousefi ist außerordentliche Professorin am Institut für Management- und Planungsstudien und Gastprofessorin an der Sharif-Universität. Nach ihrer Promotion in Wirtschaftswissenschaften an der University of Texas in Austin war Kowsar Postdoktorandin an der juristischen Fakultät der Northwestern University und Beraterin bei der Weltbank. Kowsar hat einen M.A. in Wirtschaftswissenschaften sowie einen B.Sc. in Elektrotechnik und Erdöltechnik von der Sharif-Universität für Technologie [3]. Kritiker der iranischen Regierung werfen ihr vor, dass mit einer Insiderin der Weltbank ein Feind der iranischen Währung in die Zentralbank hineingeschleust worden ist. Befürworter hingegen argumentieren, dass sie durch ihre Insider-Kenntnisse besonders geeignet ist, die Angriff auf die iranische Währung abwehren zu helfen. So oder so ist es eine Nachricht, die dem deutschen Leser vorenthalten wird. Warum?

Die Bild-Zeitung schießt einmal mehr – wie fast immer – den Vogel ab. Sie schreibt zu der ausgezogenen Frau im Iran: „Mutige Frau riskiert ihr Leben für einen winzigen Moment der Freiheit.“ Das ist wirklich eine Verhöhnung der Frauen weltweit. In Palästina opfern zehntausende mutigster Frauen derzeit alles, was sie haben und setzen sich voller Mut für die Freiheit ein. Im Libanon versorgen die mutigsten Frauen hinter den Kampflinien die verwundeten und setzen sich für die Freiheit vom Besatzer ein. Und die deutschen Leser sollen denken, dass die öffentliche Entblößung der Frau irgendetwas mit „Freiheit“ zu tun hätte. Ja, es ist genau die Freiheit, die die Bild-Zeitung und ihresgleichen brauchen, um den Körper der Frau öffentlich vermarkten zu dürfen. Das westliche Frauenbild wird aktuell von der Führungsmacht des Westens vorgelebt, deren Bevölkerung einen Mann zum Präsidenten gewählt hat, der eine Beziehung zu einem Pornostar hatte, während seine Frau schwanger war.

Die Frauen im Libanon, in Palästina und in der Islamischen Republik Iran setzen sich für ein anderes Frauenbild ein, in dem eine Frau nicht durch ihren Körper, sondern durch ihre Persönlichkeit geehrt wird. Die Zeit wird zeigen, welches Frauenbild die Menschheit vorzieht.


Fußnoten:

[1] https://www.spiegel.de/ausland/iran-studentin-nach-unterwaesche-protest-in-zentrum-fuer-spezialbehandlungen-gebracht-a-30fdacce-7788-4017-99ce-19cd5775ee4c
[2] https://en.irna.ir/news/85650858/Woman-appointed-as-chief-supervisor-of-Iran-s-central-bank
[3] https://erf.org.eg/affiliates/kowsar-yousefi/


Erstveröffentlichung am 7. November 2024 bei Muslim-Markt

Online-Flyer Nr. 839  vom 20.11.2024

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