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Aktueller Online-Flyer vom 29. April 2024  

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Globales
Mahnmal-Einweihung am 80. Jahrestag der Beendigung der Belagerung Leningrads
In ehrendem Andenken an alle Opfer
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Die Präsidenten der Russischen Föderation und der Republik Belarus, Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko, haben am 27. Januar 2024 anlässlich des 80. Jahrestages der Beendigung der Belagerung von Leningrad an der Einweihung eines Mahnmals teilgenommen, das den Opfern des von Hitler-Deutschland verübten Völkermords gewidmet ist und in der "Region von Leningrad" im Dorf Zaitsevo im Bezirk Gatschina errichtet ist, wo sich zahlreiche Kriegsgefangenen- und Konzentrationslager befanden. Das von dem Bildhauer Andrei Korobtsov und dem Architekten Konstantin Fomin geschaffene Denkmal besteht aus einer Stele mit der Figur einer Mutter mit ihren Kindern an der Spitze sowie 150 Flachreliefs, die die Geschichten realer Menschen aus verschiedenen russischen Regionen verkörpern. Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko sprachen zu den Teilnehmern der Zeremonie und legten Blumen an der Ewigen Flamme nieder, die hier entzündet wurde. Ein Online-Medium, das sich "PutinDirect" nennt und keinen Verantwortlichen aufführt, greift aus dieser Rede einen Satz heraus und verändert ihn derart, dass er - auch von Kräften innerhalb der Friedensbewegung - als Ausdruck von russischer Kriegstreiberei interpretierbar wird.

Hier Fotos von der Mahnmal-Einweihung (Quelle: en.kremlin.ru):



















Nachfolgend die Ansprache von Präsident Wladimir Putin - in deutscher Übersetzung basierend auf der englischsprachigen Wiedergabe des Kreml:
    Herr Lukaschenko, Freunde, der 27. Januar ist eines der wichtigsten Daten in unserer gemeinsamen nationalen Geschichte. An diesem Tag im Jahr 1944 haben die Soldaten der Roten Armee die Belagerung von Leningrad vollständig aufgehoben. Ein Jahr später, 1945, befreiten sie Auschwitz.

    Diese beiden Ereignisse sind nicht nur durch dieselbe historische Epoche miteinander verbunden. Die Tragödie und das Martyrium der Menschen in Leningrad und der Häftlinge in den Vernichtungslagern werden für immer als Beweis für die Ungeheuerlichkeit des Nazismus und das unvorstellbare Leid von Millionen unschuldiger Zivilisten dienen.

    Seit nunmehr acht Jahrzehnten ist unser Schmerz um diese schrecklichen Opfer, um die zerrütteten Schicksale und um alle, die unglaubliche Qualen ertragen mussten, nicht geringer geworden. Unser Mitgefühl wird von Generation zu Generation weitergegeben und kennt keine Verjährung, genau wie die Verbrechen der Hitler-Fanatiker und ihrer Komplizen, die den Völkermord am sowjetischen Volk kaltblütig geplant und grausam durchgeführt haben.

    Diese Verbrechen wurden nicht auf dem Schlachtfeld begangen. Die Massaker an unbewaffneten und wehrlosen alten Menschen, Frauen, Kindern und Behinderten waren gezielte, systematische Strafaktionen.

    Mehr als die Hälfte der Gesamtverluste der Sowjetunion während des Großen Vaterländischen Krieges entfielen auf Zivilisten. Dies ist ein zwingender Beweis dafür, dass die Nazis und ihre Satelliten nicht nur ein politisches Regime oder eine Ideologie bekämpften. Ihr Ziel war es, sich Russlands reiche Bodenschätze und Territorien anzueignen und die Mehrheit seiner Bürger zu vernichten. Für den Rest sahen sie die Rolle von Sklaven vor, die ihrer einheimischen Kultur, Traditionen und Sprache beraubt werden sollten.

    Diese bösartigen Ziele spiegeln sich in vielen Dokumenten der Nazis wider und wurden durch grausame Massenexekutionen und Morde an der Zivilbevölkerung umgesetzt. Das weißrussische Chatyn und Brjansk Chatsun, Krasnoje, Babi Yar, Zmiyevskaya Balka und Zhestyanaya Gorka sind nur ein Bruchteil der Orte, an denen diese Massaker stattfanden.

    Der Tod wurde in Konzentrationslagern, Ghettos und Gefängnissen in Deutschland, dem besetzten Österreich, den Niederlanden, der Tschechoslowakei, Polen und der Sowjetunion zur Industrie. Hier, in Gatschina, gab es ein Vernichtungslager, und in der Nähe befand sich ein Lager, in dem kleine Kinder buchstäblich als Blutspender für Nazi-Soldaten gehalten wurden.

    Die Belagerung von Leningrad zeichnete sich durch ihre beispiellose Grausamkeit und ihren Zynismus aus. Die Nazis beschlossen, eine ganze Stadt auszulöschen. Über eine Million Zivilisten, ich betone: friedliche Zivilisten, die in Leningrad lebten, wurden Opfer von Hunger, Kälte, ständigem Beschuss und Bombardierungen.

    Diese Zahlen wurden von seriösen Historikern und Wissenschaftlern anhand von Dokumenten ermittelt und vor Gericht bestätigt. Die Untersuchungen werden fortgesetzt, um weitere Verbrechen aufzudecken, die von den Nazis während des Krieges an der friedlichen Bevölkerung unseres Landes begangen wurden.

    Ihnen, allen friedlichen Menschen der UdSSR, die durch den Völkermord der Nazis ihr Leben verloren, ist das Denkmal gewidmet, das wir heute enthüllen. Es ist ein Symbol für unser Gedenken und unsere heilige Pflicht, alle Verbrechen zu untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

    Es ist wichtig für uns heute und für die Zukunft. Wir sind Zeugen eines beunruhigenden Trends, bei dem die Ergebnisse der Nürnberger Prozesse, die den Nazismus eindeutig verurteilten, revidiert werden. In einigen Ländern wird nicht nur die Geschichte umgeschrieben und die Henker entlastet: Revanchisten und Neonazis haben sich die Ideologie und die Methoden der Nazis zu eigen gemacht.

    Zehntausende von Menschen in den baltischen Staaten werden als "Untermenschen" abgestempelt, ihrer Grundrechte beraubt und verfolgt. Das Kiewer Regime verherrlicht Hitlers Gefolgsleute und SS-Mitglieder und geht mit Terror gegen Andersdenkende vor. Der barbarische Beschuss friedlicher Städte und Gemeinden hält an, und die Tötung von älteren Menschen, Frauen und Kindern geht weiter. Einige europäische Länder unterstützen die Russophobie als staatliche Politik.

    Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um den Nazismus zu stoppen und zu beseitigen. Die Anhänger der Nazi-Henker, egal wie sie sich heute nennen, sind dem Untergang geweiht. Nichts kann den Wunsch von Millionen von Menschen in Russland und auf der ganzen Welt nach wahrer Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden und Sicherheit aufhalten. Wir ehren das Andenken an alle Opfer. Ruhm dem sowjetischen Soldaten, der den Nazismus besiegt hat!

Der letzte Absatz beginnt mit: "Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um den Nazismus zu stoppen und zu beseitigen." Dieser Satz würde – von jemandem in Deutschland geäußert – breiten Zuspruch erfahren. "PutinDirect" greift ihn – z.B. in seinem Telegram-Kanal – heraus und gibt ihn in folgender verfälschter Fassung wieder: "Russia will do everything to eradicate Nazism once and for all, including in Ukraine and the Baltics." Zu deutsch: "Russland wird alles tun, um den Nazismus ein für alle Mal zu beseitigen, auch in der Ukraine und den baltischen Staaten."


Screenshot aus dem Telegram-Kanal von PutinDirect

Die Formulierung "ein für alle Mal" mag noch im Spielraum des Übersetzers liegen. Eindeutig hinzu erfunden ist der Passus "auch in der Ukraine und den baltischen Staaten". Das "wir", womit Russland und Belarus gemeint sein dürften, wird allein auf Russland reduziert. Und vor allen Dingen ist der Satz (unter dem Videofenster) isoliert wiedergegeben und damit aus dem Zusammenhang gerissen. Auf diese Weise werden Menschen - auch innerhalb der Friedensbewegung - verleitet, den Satz allein auf kriegerische Operationen zu beziehen und so den russischen Präsidenten zu diskreditieren. "PutinDirect" betreibt Kanäle in verschiedenen so genannten "sozialen Medien" sowie die website "https://putindirect.com/". Nirgends findet sich ein Impressum oder eine andere Information, aus der hervorginge, wer verantwortlich ist.

Um auszuschließen, dass die Manipulation - insbesondere durch Weglassen - auf Seiten des Kreml liegt, muss untersucht werden, was der russische Präsident tatsächlich an Ort und Stelle geäußert hat. Die Möglichkeit dazu ergibt sich anhand einer Facebook-Seite des russischen Außenministeriums, auf der das Video mit der Rede und das zugehörige, von Facebook automatisch erzeugte Transkript zu finden sind. Dieses Transkript belegt, dass es nicht "Russland" sondern "wir" heißt und dass der Passus "auch in der Ukraine und den baltischen Staaten" in der Rede tatsächlich nicht enthalten ist.

Online-Flyer Nr. 825  vom 07.02.2024

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