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Aktueller Online-Flyer vom 10. Oktober 2024  

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Aktuelles
Beisetzung von Maria Mies am 25. Mai 2023 auf dem Kölner Südfriedhof
Maria wollte kein braves Mädchen werden
Ansprache von Dr. Ute Projahn

Marias Biografie ist spannend und einzigartig zugleich, und sie selbst reflektierte ihr langes und abwechslungsreiches Leben als von einer Aneinanderreihung von zumeist glücklichen Zufällen bestimmt. Geboren am 6. Februar 1931 in Auel, einem kleinen Dorf in der Eifel als siebtes von insgesamt 12 Kindern, lebte Maria auf einem Bauernhof mit ihrem Vater, den sie selbst als „Bauernphilosoph“ bezeichnete und ihrer Mutter, der sie eine optimistische Fähigkeit zur „Lebensphilosophie“ zuschrieb. Wenn Vater Johann zu beherrschend auftrat, reagierte Mutter Gertrud, eine kleine zähe Frau, auf ihre Weise auf die Ausbrüche ihres Mannes, indem sie weg ging, was ihn wiederum zum Nach- und Umdenken brachte. Maria merkte von Kind an, dass diese ART von Frau sein, nicht die ihre werden sollte. Aber die Lebensweisheiten der Mutter wie z.B. „Wer will, der kann“ und „Man muss immer unter sich schauen, nicht nach oben“ prägten Marias Denken und Handel ein Leben lang.


In der Trauerhalle auf dem Kölner Südfriedhof

Maria wurde aufgrund der Fürsprache einer Lehrerin als für geeignet gehalten, die höhere Schule zu besuchen. Und auch in ihrer gesamten Schullaufbahn zeigten sich immer wieder diese günstigen Zufälle, die Maria weiterbrachten, bis hin zum Abitur.

Und, Maria hatte die Fähigkeit, an sich selbst und ihre Begabungen zu glauben. Ein Traum, der sich nicht erfüllt hat, war der, eine Künstlerin zu werden, aber sie war klug und pragmatisch genug, diese Enttäuschung zu verkraften. Sie blieb ihr Leben lang kreativ, malte und töpferte gerne, sang mit Begeisterung bis zuletzt, ließ sich für neue Ideen begeistern, und sie war eine großartige Lehrerin, die ihre Schülerinnen und Schüler begeistern und dazu animieren konnte, kreative Methoden auszuprobieren, und – ganz Kind ihrer Zeit – die Hierarchie zwischen Studenten und Lehrenden aufhob, ohne dabei an Respekt und Achtung zu verlieren. Stets gut vorbereitet und ganz wach, liebte sie neue Ideen, kämpfte um deren Umsetzung und blieb stets furchtlos und unerschrocken.

Ein Wahlspruch von Maria und ihrer Studenten lautete: „Wir schreiben unsere Geschichte, während wir sie machen.“

Marias Entwicklung zur Feministin hat einerseits ihre Ursachen in der eigenen großen Familie. Sie erkannte in ihrer Mutter ein Frauenbild, das sie achtete, aber nicht für sich adaptieren wollte. Sie durfte die Spiele ihrer Brüder nicht spielen, sondern sollte ein braves Mädchen werden, was sie nicht wollte. Und sie fand, dank der von ihr beschworenen guten Zufälle, sie fördernde Menschen, die ihre intellektuellen Fähigkeiten erkannten.

Es gelang Maria, den aus der Tiefenpsychologie bekannten Spruch: „Es ist schwer, mehr zu werden, als die Eltern“, zu überwinden, ohne überheblich oder gar abweisend gegenüber ihrer Familie zu werden. Ganz im Gegenteil. Sie liebte ihre Eltern, ihre Familie, ihre Kindheit, ihre Eifel, bis zum Ende ihres Lebens. Diese tiefe Verbundenheit hielt sie aber nicht davon ab, eigenwillig zu sein, sich zu distanzieren und zu emanzipieren. Distanz und Nähe nutzte Maria nicht als Möglichkeiten zur Entfremdung.

Nicht zufällig nannte sie ihre Autobiographie: “Das Dorf und die Welt“. Maria schaffte es, die Liebe zu ihrem kleinen Dorf mit ihrem Fernweh zu kombinieren, nicht ohne immer wieder von tiefem Heimweh nach ihrer Familie, ihrer Mutter, geplagt zu werden. Nachdem Maria Realschullehrerin geworden war, ging sie nach Indien und arbeitete 5 Jahre in Pune als Lektorin beim Goethe Institut. In dieser Zeit lernte sie auch ihren späteren Ehemann Saral kennen.

Maria kam aus Indien zurück, als ihre Mutter schwer erkrankte und zum Glück wieder gesund wurde. Ihre Liebe zu Indien, und natürlich auch zu Saral, blieb.

Sie studierte Soziologie und promovierte 1971 bei Renee König zum Dr. phil. mit der Dissertation mit dem Titel: „Rollenkonflikte gebildeter indischer Frauen“. Die Veröffentlichung lautete: „Indische Frauen zwischen Patriarchat und Chancengleichheit. Rollenkonflikte studierender und berufstätiger Frauen“.

Mit Gründung der FH Köln für Sozialpädagogik wurde Maria zur Professorin berufen. Dieser Aufgabe erfüllte sie mit Leidenschaft, unterbrochen von einer Gastprofessur in Den Haag.

Bis zu ihrer Emeritierung blieb Maria nicht nur eine herausragend engagierte Lehrerin, sondern sie veröffentlichte zahlreiche Bücher, die beachtet, aber auch zum Widerstand herausforderten. Dazu kamen die Projekte, so z.B. das erste autonome Frauenhaus in Köln.

In diesem Zusammenhang animierte Maria uns praktische Frauen dazu, den Hilfe suchenden Frauen im ersten autonomen Frauenhaus in Köln dazu zu verhelfen Autoreifen wechseln zu können und Bücherregale zu bauen. Dieses interessante Unterfangen hat zumindest bei mir zu einem kritischen Gesamteindruck geführt.

Maria blieb stets streitbar, wenn es um das Durchsetzen einer guten Sache ging, und sie schaffte es, ihre Studentinnen für Ihre Ideen zu begeistern. Maria war eine wunderbare Freundin, voller Großzügigkeit und Verlässlichkeit.

Zwei Beispiele: Eine Freundin, die heute auch unter uns ist, flog nach Indien und landete in Bombay, heute Mumbai genannt. Sie hatte keinen Zeitnahen Kontakt zu Maria, hoffte aber dennoch, von Maria abgeholt zu werden. Und tatsächlich, ihr Name wurde aufgerufen und Maria stand zuverlässig am Ausgang. Wir bauten ein Haus und Maria kam gerne zu uns von der FH zum Mittagessen. Der Briefträger brachte eine Rechnung, die uns blass aussehen ließ. Sofort erkannte Maria unsere Not und zückte ihr Scheckheft mit der Frage: „Wieviel Geld braucht ihr“?

Und Maria liebte das Leben. Bei einem gemeinsamen Aufenthalt in der Provence philosophierten wir bei dem einen und anderen Glas Wein über das GUTE Leben, während Saral sich im Pool sportlich betätigte. Unser Resümee oder Wahlspruch lautete: „Jeder Mensch hat das Recht auf ein gutes Leben und eine tägliche Streicheleinheit“.
 
In diesem Sinne wollen wir Maria dafür danken, dass sie mit ihrer Menschenliebe und ihren vielen kreativen Ideen zum GUTEN, oder zumindest besseren, Leben vieler Menschen auf dieser Welt beigetragen hat. Sagen möchte ich auch, dass Maria unvergessen bleiben und niemals zu ersetzen sein wird. Sie wird aber weiterleben in all den Menschen, die sie lieben, die von ihr gelernt haben und denen sie wichtig war.

Alle, die mir folgen möchten Maria einen guten Weg dorthin zu wünschen, wo es gut für sie ist und wo sie nicht allein ist, werden ihr im Sinne von Blochs Gedanken aus „Das Prinzip Hoffnung“ HEIMAT wünschen. Vielleicht eine Art Mischung aus Eifel, Indien, Köln und ... Madagaskar?

Vor langer Zeit philosophierte ich mit Maria über Leben und Tod. Trotz aller Skepsis den Versprechungen der Weltreligionen gegenüber, was die Möglichkeiten eines ewigen Lebens betrifft, war Maria der festen Überzeugung, dass jeder Mensch nach seinem Tod einen Platz braucht, an dem man sich an den Verstorbenen erinnern kann.

AM GRAB: Kann Marias HEIMAT im Himmel sein? Astrid Lindgren hat gesagt: ”Wie schön muss es im Himmel sein, wenn er schon von außen so schön aussieht.“ Wo immer Maria sein möchte wird es ihr gemäß der Zuversicht von Pipi Langstumpf nach dem Motto gelingen: “Das habe ich vorher noch nie gemacht, deswegen bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe.“


Karte zum Gedenken an Maria Mies (Fotos: Arbeiterfotografie):






Siehe auch:

Die international bekannte Feministin und Globalisierungskritikerin starb mit 92 Jahren
In Erinnerung an Maria Mies
Von Afsane Bahar
NRhZ. 811 vom 22.05.2023
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28620

Maria Mies zum 90. Geburtstag
Rebellin – Revolutionärin – Wegbereiterin
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 762 vom 01.03.2021
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27284

Filmclip
Maria Mies: Lassen Sie sich patentieren
NRhZ 537 vom 17.11.2015
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22264

68er Köpfe
Portraits mit Statements zur 68er-Bewegung
Ausstellung der Arbeiterfotografie Köln
Maria Mies: Unter dem Pflaster, da liegt das Land
http://www.arbeiterfotografie.com/af-koeln/68er/exponat-03.html

Aktivistin und Theoretikerin der Frauenbewegung, Gegnerin neoliberaler Politik
Maria Mies: Es geht um die Erhaltung unseres Planeten
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 548 vom 10.02.2016
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22538

Göttinnen im Zorn
Besprechung des Buches "Patriarchat und Kapital" von Harry Popow
NRhZ 546 vom 27.01.2016
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=22493

Isabella Greif interviewt Maria Mies
13 Jahre Aufklärung über neoliberale Politik
Über die Ursachen der Krisen
NRhZ 348 vom 04.04.2012
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17646

Online-Flyer Nr. 812  vom 31.05.2023

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