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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Kommentar
Blutspur der NATO: Von Afghanistan über Jugoslawien bis zum Irak
Baerbocks "dreiste Lügen"
Von Ulrich Gellermann

Das HEUTE kommt aus dem GESTERN: Auch und gerade der Ukraine-Krieg zeigt, dass sich das HEUTE aus dem GESTERN speist: Der Krieg hat eine lange Vorgeschichte, ohne die er nicht zu erklären ist. Es mag aktuell müßig erscheinen, sich an das „Kiewer Rus“ zu erinnern, jenes sagenumwobene mittelalterliche altostslawische Großreich, das in und um Kiew, sowohl die heutigen Russen wie auch die heutigen Ukrainer hervorgebracht hat. Und doch läge genau hier ein Schlüssel zur Lösung des heutigen Krieges. Aber solange Politiker wie die flüchtig gebildete Annalena Baerbock, die deutsche Außenministerin in der UN-Vollversammlung dem russischen Außenminister "dreiste Lügen“ vorwirft, statt sich mit der Rolle des Westens im Vorfeld des Krieges zu beschäftigen, so lange wird Öl ins Kriegsfeuer gegossen. Als Brandbeschleuniger betätigt sich auch die ÈU: Der Rat der Europäischen Union hat eine Verordnung veröffentlicht, nach der jede Verbreitung der Sendungen und Inhalte von RT und Sputnik untersagt ist. Die Verordnung tritt mit ihrer Veröffentlichung in Kraft.

Der Rat der Europäischen Union hat heute eine Verordnung veröffentlicht, nach der jede Verbreitung der Sendungen und Inhalte von RT und Sputnik untersagt ist. Die Verordnung tritt mit ihrer Veröffentlichung in Kraft.

Jelzin: Russischer NATO-Beitritt als langfristiges Ziel

Es war ausgerechnet die FAZ, die sich im Mai des letzten Jahres erinnerte, dass der russische Präsident Boris Jelzin einen russischen NATO-Beitritt zum „langfristigen politischen Ziel“ erhob. Und In der Nato-Russland-Grundakte aus dem Mai 1997, einer Absichtserklärung beider Partner, hieß es sogar: „Die Nato und Russland betrachten einander nicht als Gegner. Sie verfolgen gemeinsam das Ziel, die Spuren der früheren Konfrontation und Konkurrenz zu beseitigen und das gegenseitige Vertrauen und die Zusammenarbeit zu stärken.“ Angesichts des damals üblichen Verschiebens russischen Volksvermögens in den Westen sah es so aus, als könne man die Rohstoffe Russlands ohne Druck einsacken, als reiche es, den Russen Honig um den Bart zu schmieren. Mit genau diesem Sowjet-Ausverkauf machte Wladimir Putin Schluss. Das können ihm die Rohstoff-Interessenten im Westen bis heute nicht verzeihen.

Kein „Ende der Geschichte“

Die krasse Zweiteilung der Welt, in einen westlich von den USA beherrschten kapitalistischen Block und einen von der Sowjetunion dominierten sozialistischen Block schien in den 90er Jahren zu Ende zu gehen. Francis Fukuyama annoncierte das „Ende der Geschichte“ und aus der sozialistischen Sowjetunion wurde das kapitalistische Russland. Aber spätestens im Jugoslawienkrieg wurde mit der tagelangen Bombardierung Belgrads durch die NATO klar: Der Westen setzte nicht nur auf die freiwillige Preisgabe der im ehemals sozialistischen Boden lagernden Rohstoffe und das von den sozialistischen Regimes organisierte politische und militärischen Netzwerk. Man wollte den ganzen Kuchen, möglichst jeden Krümel.

Der Dealer ist gern bewaffnet

Länder, die gestern noch im „Warschauer Pakt“, dem sozialistischen Militärbündnis Mitglieder waren, wurden Zug um Zug zu NATO-Mitgliedern. Die NATO, ursprünglich ein Bündnis gegen den sozialistisch firmierenden Osten, verleibte sich ein Land nach dem anderen ein, obwohl der Grundwiderspruch zwischen Kapitalismus und Sozialismus durch die Auflösung des sozialistischen Blocks längst erledigt schien. Was geblieben war, war die Gier nach Märkten und Rohstoffen. Und was der Kapitalismus aus seiner Kolonisations-Geschichte bestens wusste: Man kauft und verkauft besser, wenn der Dealer bewaffnet ist. Zugleich brauchten die neuen Milliardäre in Russland und anderswo viel Geld für den Kauf von Fußballklubs und ihr schönes Leben an der Cote d'Azur. Der Systemwiderspruch war verschwunden, der Widerspruch konkurrierender Kapitalfraktionen ist an seine Stelle getreten.

Können die Russen den Krieg gewinnen?

Kann die Gruppe um Putin, können die Russen den Krieg gewinnen? Der konventionelle Krieg braucht Soldaten. Nur wenn ein Volk bereit ist, seine Kinder in den Krieg zu senden, kann Putin einen Krieg gewinnen. Im März 2020 wurde eine Verfassungsänderung vorgeschlagen, um die bisherigen Amtszeiten Putins zurückzusetzen und ihm zu ermöglichen, bis 2036 Präsident zu bleiben. Die Änderungen wurden in einer gesamtrussischen Abstimmung von fast 78 Prozent der Russen angenommen. Putins Popularität basiert darauf, dass er, anders als Jelzin, die Zahlung von Renten und Löhnen sicherte. Zur Zeit gibt ihm die Mobilisierung des Patriotismus einen weiteren Schub. Das wird sich ändern, wenn den Eltern die ersten Särge als Kriegsprodukte ins Haus geschickt werden.

Bedrohung der Russen geht seit Jahren von der NATO aus

Was geht der Krieg die Deutschen an? Die Angst vor einem Welt-Krieg wächst in den Umfragen. Einen Nato-Beitritt der Ukraine fände nur eine Minderheit von 45 Prozent gut. Aber im Ergebnis der Medien-Mobilisierung befürworten 78 Prozent der Befragten die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine und auch die Aufrüstung der Bundeswehr. Die Kriegsgefahr bleibt. Für alle Beteiligten wäre ein schnelles Ende des Krieges gut. Die russische Führung wäre gut beraten, wenn sie an die gemeinsamen historischen Wurzeln der Russen und Ukrainer erinnern würde. Wer im Westen lebt, wäre gut beraten, wenn er sich klar machen würde, dass die Bedrohung der Russen seit Jahren von der NATO ausgeht. Wer Verstand hat und ein Erinnerungsvermögen, der kennt die Blutspur der NATO: Von Afghanistan über Jugoslawien bis zum Irak, bis Syrien und Libyen.


Erstveröffentlichung am 2. März 2022 bei rationalgalerie.de – Eine Plattform für Nachdenker und Vorläufer

Online-Flyer Nr. 787  vom 09.03.2022

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