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WANTED - Julian Assange, ein Leben
Folge 14: DAS GEGENTEIL EINER STEUEROASE? EIN INFORMATIONSPARADIES (2009)
Von Delphine Noels (Belgium4Assange) in Zusammenarbeit mit Marc Molitor, Pascale Vielle und Bogdan Zamfir - ins Deutsche übersetzt von Claudia Daseking

Ab Ende Oktober 2021 geht es in London wieder um den Antrag der USA auf Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange. Am 27. Oktober 2021 wird das Berufungsgericht zum ersten Mal tagen. Die Zeit bis dahin begleitet die NRhZ mit einem CountDown von 34 Folgen über das Leben von Julian Assange. Sie wiederholt damit den Countdown von Belgium4Assange, der zum 4. Januar 2021 führte, als die britische Justiz ihr Urteil im Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange in der ersten Instanz gesprochen hatte. Belgium4Assange schrieb dazu: "Was steht bei diesem Prozess auf dem Spiel? Inwiefern betrifft uns das persönlich? Schwierig, hierzu klare Vorstellungen zu haben, da so viele Falschmeldungen und Desinformationen kursieren... Tag für Tag zeichnen wir seinen Weg voller Überraschungen und Enthüllungen nach und richten den Blick auf die näheren Umstände einer der fundamentalsten Kämpfe unserer Zeit." (Auf der website pour.press auf Französisch nachzulesen). Hier jetzt Folge 14:


Julian ist sich durchaus bewusst, allmählich wirklich ernsthaft ernsthaft im Fadenkreuz der Vereinigten Staaten zu sein, Wikileaks-Mitglieder werden abgehört, verfolgt... Und er überlegt auch, was die Sicherheit und Leistung von WikiLeaks stärken könnte ...ein starkes Rechtssystem...

Während einer Konferenz in Malaysia über die Geschichte des Journalismus (die in Julians Augen als eine Geschichte der Leaks verstanden werden sollte) kommt Julian auf die Idee eines WikiLeaks-Buttons, der auf den Webseiten aller Institutionen der Welt wäre und auf den man nur klicken müsste, um anonym ein Korruptionsphänomen zu melden oder Dokumente zu verschicken, deren Offenlegung dem Gemeinwohl dienen würden.

Seit den Offenlegungen der Julius Bär Bank träumt Julian davon, das Gegenteil einer Steueroase zu schaffen: ein "Informationsparadies". In seinen Augen wäre ein Informationsparadies für Information und Pressefreiheit, was eine Steueroase für Steuerhinterziehung und Steuerbetrug ist... Dieses Paradies existiert noch nicht, aber ... Seine erste Idee war, so etwas in Afrika zu schaffen, aber in Afrika gibt es ein Problem: Es ist zu heiß, um die vielen WikiLeaks-Server dort zu betreiben ... Er denkt jetzt an Island. Laut Domscheit-Berg kam Julian auch die Idee eines Datenhimmels aus Neal Stephensons Cypherpunk-Roman „Cryptonomicon“, der neben Solschenizyns „Der erste Kreis der Hölle“ und Orwells „1984“ zu seinen Lieblingslektüren gehört.

Im Sommer 2009 erreichten Leaks aus Island WikiLeaks. Die Dokumente waren sehr kompromittierend für die Kaupthing Bank, die größte isländische Bank, die während der Krise von 2008 zahlungsunfähig geworden war. Nach der Veröffentlichung von WikiLeaks nutzten die Menschen in Island die Situation, um die in Island für die Wirtschaftskrise Verantwortlichen zu stürzen...

Und die isländischen Medien tun es auch: Eines Tages ersetzte der RUV, das isländische Äquivalent der BBC, seine Nachrichtensendung durch das WikiLeaks-Logo mit dem einfachen Hinweis: Von da müssen wir unsere Informationen abholen!!!

Im Dezember 2009 wurde Julian Assange zu einer Konferenz "On Digital Freedom" nach Island eingeladen. Sehr schnell kommt er zu dem Schluss, dass hier die Voraussetzungen für die Schaffung des Informationsparadieses vorliegen, von dem er seit einiger Zeit träumte: Die verheerende Bankenkrise hatte die Bevölkerung auf Veränderungen vorbereitet; das Land verfügte über qualifizierte Arbeitskräfte und eine sehr lange Tradition der Meinungsfreiheit; es hatte die Bevölkerung mit den meisten Internetanschlüssen in der westlichen Welt; es war gleich weit von Europa und den Vereinigten Staaten entfernt; es hatte den billigsten Strom in ganz Europa, was eine wichtige Überlegung bei der Verwaltung großer Datenbanken ist; und es war kalt, was gut für die Klimatisierung der Server sein würde.

Last but not least war das Land eine kleine Insel im Nordatlantik, genau das Gegenteil der südpazifischen Inseln, die zu Steueroasen gemacht wurden, was Julians Sinn für Humor begeisterte.

Das Projekt, die Insel in ein "Informationsparadies" zu verwandeln, traf ins Schwarze. Die Bevölkerung und viele Parlamentarier waren superenthusiastisch und machten sich an die Arbeit. So entstand das IMMI-Projekt "Icelandic Modern Media Initiative". Dieses Projekt zielte darauf ab, das Land zu einem internationalen Zentrum für die Veröffentlichung von investigativem Journalismus zu machen, indem die weltweit stärkste Kombination von Gesetzen zum Schutz von Quellen und zur Meinungsfreiheit verabschiedet würde. So sah es Julian: "Wir könnten zum Beispiel die schwedischen Quellenschutzgesetze übernehmen, das First Amendment der Vereinigten Staaten, die belgischen Journalistenschutzgesetze und alles zusammenfügen, um Isländisches Recht zu kreieren.“

Nach einer ersten Phase großen Eifers und der Bestätigung durch die Politik in Island wurde das Projekt von der EU stark behindert ... Was ist jetzt daraus geworden? Hier ist die Antwort von Birgitta Jonsdottir, Projektleiterin, einst Abgeordnete und Wikileaks-Mitglied, der Belgium4Assange die Frage gestellt hat: "Vielen Dank für das Interesse an IMMI. Es hat eine Weile geschlafen, ist aber noch am Leben und verfolgt sein Hauptziel: alle IMMI-Gesetze zu verabschieden, die das Parlament in Island 2010 beschlossen hat. Wir sind fast da, haben aber noch eine große Hürde zu überwinden, nämlich die Vorratsdatenspeicherung. Die Polizei kann es möglicherweise anwenden, genau wie das gleiche Gesetz, das die EU umgesetzt hat, das jedoch vom EuGH als invasiv eingestuft wurde: https://www.loc.gov/law/help/eu-data-retention-directive/eu.php

Birtukveðjur / mit rebellischer Freude,
Birgitta Jonsdottir, Skáld, Poetin
In einer Zeit universeller Gier: ist Teilen ein revolutionärer Akt“

Das war's. Das war Folge 14 von Wanted – der Serie, die Sie in die Herzkammer der Welt führt und ihre verborgenen Seiten zeigt. Morgen wird WikiLeaks ein Leak von allerhöchster Bedeutung empfangen – eine „Atombombe“.


Quellen:

The most dangerous man in the world, Andrew Fowler, Skyhorse Publishing, 2011
The unauthorized autobiography, Julian Assange, Canongate Books Ltd, 2011

Julian Assange stellt das IMMI-Projekt vor:
https://youtu.be/VWNfIvG4z-g
Artikel über IMMI:
https://www.niemanlab.org/2010/02/iceland-aims-to-become-an-offshore-haven-for-journalists-and-leakers/
Wer mehr über IMMI wissen möchte:
https://en.immi.is/immi-resolution/


Link zu Folge 13: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27676
Link zu Folge 15: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27677


Siehe auch:

In einer Zeit, in der unter dem Deckmantel der Gesundheitsvorsorge eine ungeahnte digitale Überwachungsstruktur etabliert wird, fehlt WikiLeaks
Julian Assange: dem kommenden Überwachungsregime trotzen!
Von Erich Sturm
NRhZ 777 vom 22.09.2021
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=27648

Online-Flyer Nr. 777  vom 05.10.2021

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