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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Lokales
Ein Urteil zwischen demokratischer Rechtssprechung und politischer Einflussnahme
Wie noch die Meinung öffentlich machen?
Von Lutz Weber

Wir haben den 16. Juni 2021. Am Amtsgericht Köln findet eine Verhandlung statt. Frau Paffenholz und Frau Schlagenbart wird die Leitung einer nicht genehmigten Versammlung vorgeworfen. Die öffentliche Verhandlung ist gut besucht. Frau Paffenholz erklärt, dass sie am 9. Mai 2020 auf einer Meditation für die Erhaltung des Grundgesetzes auf der Domplatte war. Es waren ca. 200 Personen anwesend. Dort forderte ein nicht bekannter Mann die Teilnehmer zu einem Umzug durch die Stadt auf. Bei diesem Spaziergang schlossen sich dann spontan ca. 1000 Passanten an und gingen gemeinsam mit und zurück auf die Domplatte. Dort angekommen stiegen einige gemeinsam mit Frau Paffenholz auf eine kleine Mauer, und Frau Paffenholz zeigte ihre Freude darüber, ein Teil so vieler kritischer Menschen zu sein.

Als Zeugen der Anklage wurden zwei Polizeibeamten befragt. Mit Erstaunen musste ich feststellen, wie stark hier eine Vorverurteilung aufgrund von Mutmaßungen stattgefunden hat. „Sie sehen doch, was das für Leute sind“. „Sie sind ohne Maske durch die Stadt gelaufen und haben Passanten aufgefordert, ihnen es gleich zu tun.“ Der Verteidiger fragt: „Stören Sie sich persönlich daran, dass sie ohne Maske durch die Stadt gezogen sind?“ „Ja klar, es gibt doch das Infektionsschutzgesetz.“ Der Verteidiger: „Zum damaligen Zeitpunkt gab es nur in Räumen eine Maskenpflicht.“

Es folgen unzählige Videos der Überwachungskameras, auf denen scheinbar die gesamte Wegstrecke lückenlos dokumentiert ist. Hierbei fällt auf, dass sich schon sehr früh einige Beamte zwischen die Angeklagten (nebst zwei Männer) und den Rest der Menge schoben und diese vier Personen gewissermaßen separierten. Zwischendurch wird immer wieder erwähnt, dass Frau Paffenholz seit dieser Zeit Versammlungen anmeldet. Die Staatsanwältin fordert für Frau Schlagenbart 40 und für Frau Paffenholz 30 Tagessätze. Der Richter zieht sich kurz zur Urteilsfindung zurück, um dann sein Urteil zu verkünden: Freispruch für Frau Schlagenbart, 30 Tagessätze auf Bewährung für Frau Paffenholz.

Als Begründung wurde aufgezeigt, dass sie den Spaziergang anführte und mit einer Trillerpfeife die Menschen zur Aufmerksamkeit angehalten hatte, damit ein Mann im Superman-Kostüm reden konnte.

Im Nachgang stellt sich die Frage: welche Möglichkeiten bleiben Kritikern in Deutschland des Jahres 2021 noch, wenn sie ihre Meinung öffentlich machen möchten?

Frau Paffenholz wird in Berufung gehen.

Online-Flyer Nr. 773  vom 07.07.2021

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