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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen zur Harvard-Rede von Angela Merkel
Merkels Märchenwelt: Zwischen Lügen und Wahrhaftigkeit
Von Evelyn Hecht-Galinski

Die mit "Standing Ovations" unterbrochene Harvard-Rede Angela Merkels hat mich schockiert. Wie konnte eine so genannte US-Elite-Universität wie Harvard auf so viele platte Phrasen der deutschen Kanzlerin hereinfallen? Ist mit Trump das geistige Niveau schon auf einem solchen Tiefpunkt angekommen, dass auch Harvard-Professoren und -Studenten alles beklatschen, was von der vermeintlichen "Heilsfigur" der deutschen Politik, "der mächtigsten Frau der Welt“, kommt? Wie Merkel ihre DDR-Vergangenheit "verschönte", war schon unerträglich. Wie sie von ihrer Ost-Berliner Wohnung, die nahe an jener Mauer stand, die sie "lange nicht überwinden" konnte. „Jeden Tag musste ich vor der Freiheit abbiegen", kann sie so auch nur im fernen Harvard klagen, denn die wissen ja nicht, dass Merkel in der DDR doch ein privilegiertes Leben geführt hat. Apropos und ganz nebenbei: Seit Jahren schon sind die Palästinenser dank israelischer Missachtung des Völkerrechts gezwungen, vor der laut IGH-Gutachten illegalen israelischen Apartheidmauer „vor der Freiheit abzubiegen“. Tja, was für Angela gilt, muss für Ali keine Geltung haben.

Märchenstunde Oberkitsch

Merkels Erleichterung über den Mauerfall als Märchenstunde Oberkitsch: „In jedem Anfang wohnt ein Zauber". Wie konnten diese Eliten nur von diesem faulen "Zauber" begeistert sein? Aus Unwissen? Schließlich war diese Zauberin doch, wenn man ihre Vergangenheit einmal genau betrachtet, alles andere als eine aktive DDR-Gegnerin oder gar Geschädigte. War diese Pfarrerstochter nicht kurz nach ihrer Geburt in Hamburg, mit ihren Eltern in die DDR übergesiedelt? War sie nicht mit dem System mehr als verbunden, als sie es heute darstellt? Liest man die Fakten aus Merkels Biografie "Nichts verheimlicht – nicht alles erzählt“ aus dem Jahr 2013 von den Journalisten Günther Lachmann und Ralph Georg Reuth, dann kommt eine ganz andere Merkel zum Vorschein. Erscheint nicht das Bild einer "FDJ- Funktionärin", einer Frau, die zunächst gegen die Wiedervereinigung war? (1)(2)

Wurde Merkels Leben in der DDR nicht "umgeschrieben", damit sie "nachträglich“ mit der Erwartungshaltung christlich demokratischer Anhängerschaft in Einklang gebracht werden sollte? Wäre diese "Wendekanzlerin" dann auch noch so wie ein Pop-Star gefeiert worden, hätte man diese Biografie unter den US-Claqueuren verteilt?

Aber in Zeiten, wo Deutschland trotz oder wegen(?) Trump deutsche Politikerinnen die transatlantische Freundschaft hervorheben und demnächst sogar der "geschasste" Ex-SPD-Vorsitzende Gabriel die Transatlantik-Brücke führen wird, was dürfen wir da noch erwarten an substantieller Politik? Schließlich wurde Merkel für ihre vermeintliche Trump-Kritik beklatscht, ohne seinen Namen zu nennen. Aber was ist von solch einer leisetreterischen „Kritik“ zu halten, wenn sie nach ihrer Rückkehr in Berlin nichts Eiligeres zu tun hatte, als den US-Außenminister Mike Pompeo "unserer" unverbrüchlichen Freundschaft zu versichern. Die Kanzlerin wie auch Außenminister Maas besänftigten gegenüber Pompeo, die in der Iran-Politik zwar Differenzen zu haben, aber das gleiche Ziel verfolgten, nämlich Iran am Besitz von Atomwaffen zu hindern. Dass der "Jüdische Staat" Atomwaffen besitzt und daher mitnichten von einer „Bedrohung“ durch Iran zu auszugehen ist, wird verschwiegen. In ihrem Weltbild sind wohl "jüdische Davidstern-Atomwaffen" als "Selbstverteidigung" erlaubt. Vergessen wir nie, dass der Iran im Gegensatz zu Israel noch nie einen Krieg begonnen hat!

An verlogener Scheinheiligkeit nicht zu überbieten

Das führt mich endlich zum eigentlichen Kern meiner Kritik an dieser Kanzlerin und der deutschen Außenpolitik. Merkel wird gefeiert für angebliche kritische Anspielungen auf US-Präsident Trump, der den Ausbau der Befestigungsanlagen an der Grenze zu Mexiko zu einem seiner wichtigsten Projekte gemacht hat und in diesem Zusammenhang von ihrer "Erleichterung" über den Mauerfall berichtete und über "Veränderungen, die möglich sind, wenn wir sie gemeinsam angehen". Und das ist an verlogener Scheinheiligkeit nicht zu überbieten.

Die Sätze der Kanzlerin Merkel: "Lügen nicht Wahrheiten nennen und Wahrheit nicht Lügen", trifft tatsächlich den Kern. Allerdings die Wahrheiten über die Apartheidmauer im "Jüdischen Staat" spricht diese Staatsräson-Kanzlerin lieber nicht aus. Warum lügen deutsche Politiker und Medien so offenkundig, wenn es um die Politik des "Jüdischen Staates" geht? Warum wird die BDS-Bewegung als antisemitisch diffamiert, warum werden al-Quds (Jerusalem)-Demonstrationen als antisemitisch verunglimpft, während die jüdische Besetzung und Einnahme von Jerusalem stillschweigend hingenommen wird? Warum werden Rufe „Kindermörder Israel“ unterdrückt, während die zionistischen Kindermorde nicht verhindert werden? Gelten Merkels "Werte" für Palästinenser denn nicht? Ihre "christlich-zionistischen" Werte haben uns in eine Wertlosigkeit gebracht, die nur jüdischen Zielen gerecht wird und damit jenseits unseres Grundgesetzes steht. Ihre Staatsräson für die Sicherheit Israels hat Deutschland in eine gefährliche Abhängigkeit zum "Jüdischen Staatsterror-Regime" gebracht, die nicht nur unsere Meinungsfreiheit bedroht, sondern unsere gesamte Politik.

Wir sollten froh sein über jeden Israel-Kritiker in diesen Zeiten der Verleumdung. Warum wird immer wieder auf einen Antisemitismus und Judenhass von Muslimen hingewiesen, während rechtspopulistische Politiker als gern gesehene Gäste in Israel, und Parteien im Kampf gegen Anti-Zionismus und Antisemitismus an vorderster Front stehen, ganz im Einklang mit allen anderen Parteien?

Merkelsche Staatsräson: Angepasst-Sein und verlogene "Wahrhaftigkeit"

Seit Jahren schon hat sich unter der Merkelschen Staatsräson ein mediales und politisches Klima des "korrekten" Angepasst-Seins entwickelt, das sich gefährlich weg entwickelt von demokratischen Strukturen. Wenn immer wieder auf das "Nie wieder", in Anspielung auf die Nazi-Vergangenheit hingewiesen wird, aber das zionistische Staatsterror-Regime vorbehaltlos durch sie unterstützt wird, dann stimmt etwas gar nicht mehr in Deutschland. Was wir brauchen ist eine neue demokratische Politik, die sagt NIE WIEDER die Fehler der Vergangenheit wiederholen.

Die "Wahrhaftigkeit", von der die Kanzlerin spricht, ist verlogen, wenn sie weiter von einer Zwei-Staatenlösung spricht, ohne je einen Finger krumm gemacht zu haben für die Erreichung dieses Ziels. Seit sie am Ruder ist, hat sich die Zahl der jüdischen Siedler auf etwa 600.000 erhöht, seit ihrer Herrschaft schreitet die Judaisierung Palästinas zügig voran. Gekrönt wird Merkels Wohlverhalten durch zahlreiche jüdische und US-Preise und Ehrendoktorwürden.

Es wäre nun an der Zeit, dass Merkel ihren kommenden Abgang krönt mit Vorschlägen für einen umfassenden Friedensplan für Palästina, der Wahlen und ein sofortiges Ende der illegalen Besatzung Palästinas und des syrischen Golan beinhaltet. Oder wir stehen vor einem Scherbenhaufen dieser Außenpolitik. Merkel hat uns in Auslandseinsätze und Kooperationen geführt, die nichts zu tun haben mit Werten, sondern nur mit Machterhalt, Spaltung und Rüstungsaufstockungen. Sie lässt sich feiern als Vermittlerin, während sie in Wirklichkeit unsere Beziehungen zu Russland auf einen Tiefpunkt gebracht hat, die lange verhandelte und versprochene EU-Mitgliedschaft, den Beitritt der Türkei, von Anfang an verhindert hat. Muslime passen nicht in ihre christlich-zionistische EU-Welt. Sie hat fragwürdige Staaten wie die Ukraine, Kroatien oder Kosovo hofiert und zugelassen, dass Palästina durch das zionistische Apartheidregime zerstört wird. Hat Deutschland kein wirklich wichtigeres Problem als dessen Existenzrecht anzuerkennen und damit dem "Jüdischen Staat" einen Koscher-Freibrief für Landraub und Judaisierung auszustellen? Während die überfällige Anerkennung des Existenzrechts eines palästinensischen Staates in ihrem "christlich-zionistischen" Weltbild keinen Platz hat.

Genug der Lügen und zurück zur Wahrhaftigkeit


Fußnoten

(1) https://www.n-tv.de/politik/Nichts-verheimlicht-nicht-alles-erzaehlt-article10631536.html
(2) http://bds-kampagne.de/2004/07/09/gutachten-des-internationalen-gerichtshof-igh/

Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (http://sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten "Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik" ausgezeichnet.

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