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Aktueller Online-Flyer vom 19. März 2024  

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Zwangsräumungen in Duisburg-Marxloh
"Ich hätte gerne das Doppelte an Syrern, wenn ich dafür ein paar Osteuropäer abgeben könnte."
Von Katrin Gems

Die dunklen Augen der jungen Frau sind voller Angst. Die Dolmetscherin übersetzt ihre Fragen: „Warum hassen die uns so? Was tun wir denn, dass sie so mit uns umgehen?“ Gülsen ist mit ihrer Familie von der „Task Force Schrottimmobilien“ innerhalb von ein paar Stunden buchstäblich vor die Tür gesetzt worden. Morgens um 9 Uhr standen die Mitarbeiter des Ordnungsamtes vor der Tür und verlangten die Papiere der Familie. Sie waren unfreundlich und ließen sich die gesamte Wohnung zeigen, die kleine Tochter reagierte verängstigt und weinte. Gülsen hatte durchaus Hoffnung, dass es bei der Überprüfung der Papiere bleiben würde, denn das Haus und ihre Wohnung war in ihren Augen völlig in Ordnung, in besserem Zustand, als andere Häuser, aus denen Verwandte und Freunde bereits „zwangsgeräumt“ worden waren. Aber nach einer kurzen Besprechung teilten ihr die Mitarbeiter der Behörde mit, es sei Gefahr im Verzug und die Familie müsse innerhalb von zwei Stunden packen und die Wohnung verlassen. Den fünften Geburtstag ihrer Tochter muss Gülsen nun in der Wohnung von Freunden feiern, in der die 4-köpfige Familie zunächst einmal untergekommen ist.


Antonella in Gedanken (alle Fotos: Katrin Gems)


„Initiative Marxloher Nachbarn“


Antonella bemalt mit ihren Töchtern ein Transparent der „Initiative Marxloher Nachbarn“


Ein Transparent der „Initiative Marxloher Nachbarn“ entsteht


Ein Transparent der „Initiative Marxloher Nachbarn“ ist entstanden


Gülsen mit Tochter


Gülsen


Beratung der „Initiative Marxloher Nachbarn“


So wie Gülsen und ihrer Familie geht es seit zwei Jahren vielen Familien aus Rumänien und Bulgarien, die in Duisburg leben. Viele von Ihnen sind Roma. In ihrer südosteuropäischen Heimat werden sie massiv geächtet, haben keine Chance auf Bildung und Arbeit. In Deutschland hoffen sie, ein besseres Leben zu finden, arbeiten, um ihre Kinder zu Schule schicken zu können. Aber die mittellosen Menschen kommen meist in heruntergekommenen Häusern zu hohen Mieten unter, die häufig in bar kassiert werden, ein offenbar sehr lukratives Geschäftsmodell. Dass sie auch hier nicht willkommen sind, wird ihnen schnell klar. Die Stadt Duisburg hat die „Task Force Schrottimmobilien“ angeblich gegründet, um den Geschäften mit „Schrottimmobilien“ Einhalt zu gebieten. Ihre einzig erkennbare Tätigkeit besteht aber darin, die Familien wie im Beispiel von Gülsen wegen mangelnden Brandschutzes und „Gefahr im Verzug“ aus den Häusern zu werfen. Niemand kümmert sich darum, wo sie wieder unterkommen können. Von jetzt auf gleich obdachlos, können sie nur bei Freunden oder Verwandten unterschlüpfen und dann baldmöglichst zum nächsten Geschäftemacher weiterzuziehen. So unterstützt man das „Geschäftsmodell“ sogar. Ein wirksames Vorgehen gegen die Eigentümer der Häuser, das nach Wohnungsaufsichtsgesetz durchaus möglich wäre, ist aber nicht erkennbar. Inoffiziell wird daher auch von einer „Vergrämungsstrategie“ gegenüber den Roma gesprochen. Viele der Familien sind bereits mehrfach „zwangsgeräumt„ worden. Irgendwann, so scheint man zu hoffen, müssen sie doch einmal aufgeben und die Stadt verlassen. Sören Link, Duisburgs Oberbürgermeister hat nie Zweifel daran gelassen, dass die Einwanderer aus Rumänien und Bulgarien nicht erwünscht sind. Aus dem Jahr 2017 stammt das Zitat: „Ich hätte gerne das Doppelte an Syrern, wenn ich dafür ein paar Osteuropäer abgeben könnte.“

Einige der Betroffenen haben sich daher bereits Ende 2017 in der „Initiative Marxloher Nachbarn“ mit alteingesessenen Marxlohern zusammengetan, um vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben politisch für ihre Rechte zu kämpfen. Zunächst schien es, als habe die Stadt ihre Strategie geändert. Nun aber hat die „Task Force“ zugeschlagen und 174 Menschen innerhalb von vier Stunden auf die Straße gesetzt. Die Willkür der Behörden trifft hier die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft. Nur breite Solidarität kann Ihnen helfen.

Online-Flyer Nr. 701  vom 17.04.2019

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