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Globales
Zur Meldung, Airbnb streiche Unterkünfte in so genannten israelischen Siedlungen aus ihrem Programm
Marketingidee Siedlerboykott und Israel spielt mit
Von Yavuz Özoguz

Die letzten Tage geisterte eine furiose Meldung durch alle Ticker. Die im Jahr 2008 im kalifornischen Silicon Valley gegründete Plattform Airbnb für Buchung und Vermietung von Unterkünften streicht Unterkünfte in so genannten israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland aus ihrem Programm [1]. Viele Medien berichteten davon, aber dennoch war etwas „schräg“ an der Meldung. Den Anstoß zur Recherche gab ein Hinweis gütiger Menschen, die darauf hingewiesen haben, dass man jetzt Airbnb unterstützen könne, weil sie keine Wohnungen auf besetztem Gebiet mehr anbieten würden. Der Hinweis hat mich stutzig gemacht. Hat Airbnb nicht bereits zehn Jahre lang Wohnungen und Häuser auf besetztem Gebiet angeboten gehabt? Was war aktuell der Grund dafür, dass man nunmehr die Meinung geändert hat? In den Medien konnte ich auf diese Frage keine befriedigende Antwort finden. Stattdessen stieß ich auf die üblichen Antisemitismuskeulen. Das zionistische Kampfblatt „Welt“ schreibt: „Airbnb will Reisenden vorschreiben: Schlaft nicht beim Juden!“ [2]. Genau das aber hat Airbnb nicht getan, denn es vermittelt weiterhin Wohnungen von Juden in aller Welt, auch in Palästina.

Die Gründungsidee von Airbnb bestand unter anderem darin, dass Privatpersonen ihre freistehenden Wohnungen ohne teuren Makler in Ballungsräumen viel preisgünstiger anbieten könnten, als Hotels. Galt das aber auch für die zionistischen Kolonien auf besetztem Boden, die sich Siedlungen nennen? Konnten hier auch Privatpersonen ihre Behausungen preisgünstiger anbieten als Hotels? Dabei gelten die zionistischen Kolonien seit Jahrzehnten als besonders billiger Wohnraum [3]. Viele Wohnungen stehen leer, weil es schwer fällt Israelis davon zu überzeugen auf besetztem Gebiet zu wohnen. Was hätte also Airbnb dort effektiv vermitteln können?

Die Reaktion der israelischen Regierung scheint wie ein ausgeklügelter Marketing-Gag für Airbnb zu sein. Der führende israelischer Minister für strategische Angelegenheiten, Gilad Erdan, hat öffentlich zum Boykott von Airbnb aufgerufen: „Wir rufen alle Unterstützer Israels weltweit dazu auf, nicht mehr mit Airbnb zusammenzuarbeiten“ [4]. Ein Minister der Regierung, welche die BDS-Bewegung mit nahezu allen Mitteln bekämpft [5], ruft nunmehr selbst zum Boykott eines Unternehmens auf. Das hat schon etwas Skurriles.

Bei allen diesen Nachrichten geht unter, wer eigentlich Airbnb ist. Das Unternehmen wurde gegründet von Nathan Blecharczyk, Brian Chesky und Joe Gebbia. Eine zionistische Seite listete im Jahr 2015 die zehn größten Milliardäre auf, die unter 35 Jahren alt waren. Alle drei Namen kamen in der Liste vor [6]. Alle drei werden von der Homepage „Jewish Busines News“ als Juden bezeichnet [7]. Auch wenn das bedeutet, dass sie demnach gemäß zionistischer Definition Israelis sind, muss das noch nicht bedeuten, dass sie die zionistischen Verbrechen mittragen, denn es gibt weltweit viele prominente Juden, die sich gegen Israel stellen [8]. Allerdings wirbt die „jüdische Allgemeine“ in der Regel nicht für Juden, die sich gegen Israel stellen. Das Unternehmen und ihre Macher wurden im Jahr 2016 ausführlich vorgestellt [9].

Um den so genannten Boykott besser zu verstehen, muss zunächst der Frage nachgegangen werden, ob das Unternehmen grundsätzlich Probleme mit besetztem Gebieten hat. Das scheint nicht der Fall zu sein, denn eine einfache Suchanfrage von heute ergibt, dass in der Siedlung Avnei Eitan auf den besetzten Golan-Höhen Wohnungen angeboten werden. Skeptisch geworden gehe ich auf die Homepage von Airbnb und suche nach Angeboten im Westjordanland. Da wird eine Wohnung bei der illegalen Siedlung Yafit ausdrücklich gekennzeichnet mit „israeli singly family“ für 79 € pro Nacht. Andere Wohnungen werden in der illegalen Siedlung Avnat am Toten Meer für 136 € die Nacht angeboten usw…



Jetzt bin ich total verwirrt. Hat denn kein einziger Journalist der Mainstream-Medien, bevor er jene Meldung verbreitet hat, erst einmal nachgeprüft, ob die Meldung stimmt? Hat denn nicht einmal das zionistische Kampfblatt „Welt“ bevor es die Antisemitismuskeule schwingt, geprüft, ob es zumindest aus radikalzionistischer Sicht gerechtfertigt ist? Weitere Recherchen ergeben, dass eigentlich niemand behauptet, dass sämtliche Siedlerwohnungen im Westjordanland von Airbnb gestrichen worden sind, es geht nur um eine begrenzte Zahl von Wohnungen.

Weitere Recherchen hingegen ergeben rechtliche Probleme, die für das Unternehmen zu ernsthaften Schwierigkeiten hätten führen können. „The Guardian“ erläutert im Jahr 2016, dass Airbnb die Wohnungen in den so genannten Siedlungen als Wohnungen in Israel gekennzeichnet hat ganz im Sinn des zionistischen Traums von Groß-Israel [10]. Das aber verstößt eindeutig gegen internationales Recht. Der Middle-East Monitor schreibt im Jahr 2016 über 300 gelistete Angebote auf besetztem Gebiet [11]. Die Zahl der Angebote dürfte in den letzten zwei Jahren deutlich gestiegen sein. Gemäß „Spiegel“ werden aber nur 200 Angebote gestrichen [12]. Was geschieht mit den restlichen Angeboten?

Die absolute Mehrheit der Menschheit steht innerlich an der Seite der Palästinenser und richtet sich gegen Besatzung. Bis auf wenige radikalzionistische Besatzungsfanatiker unter Juden und Nichtjuden würde niemand die Kolonialisierung Palästinas gutheißen. Daher stellt sich abschließend die Frage, was von dem aktuellen Spektakel in wenigen Wochen bleiben wird: In wenigen Wochen wird sich die Mehrheit der Nachrichtenkonsumenten nur noch daran erinnern, das Airbnb eine der größten Wohnungsvermittlungsgesellschaften ist und neuerdings einige Besatzer nicht mehr auflistet. Das dürfte die wohl größte und gleichzeitig preisgünstigste weltweite Werbemaßnahme sein, die solch ein Unternehmen jemals in den Medien untergebracht hat.

Zudem wird in Erinnerung blieben, dass jeder als Antisemit diffamiert und an den Pranger des kapitalistisch-imperialistischen Systems gestellt wird, der nicht jedes Verbrechen des Zionismus mitträgt. Selbst wenn die Kritiker selber Juden sind und ihr Leben lang für Israel geworben haben, sind sie nicht geschützt vor diesem Vorwurf. Sogar die als „Links“ eingestufte „Haaretz“ hat einen Gastkommentar veröffentlicht, in dem Airbnb Antisemitismus vorgeworfen wird, weil sie ihren Teilboykott nicht auf andere besetzte Gebiete in der Welt angewandt habe [13]. So bleibt für Presstituierten aller Welt hängen: Du musst jedes Verbrechen Israels und jeden Rassismus des Zionismus mittragen und schönreden, sonst könntest du deinen Job verlieren. Und so werden jene Presstituierten sich auch weiterhin presstituieren, bis der Spuk des letzten verbliebenen Apartheidstaates als koloniales Erbe des weißen Mannes ein Ende findet. Das könnte schon früher geschehen, als es die Copy-and-Paste-Presstituierten sich vorstellen können.


Fußnoten:

[1] https://www.handelsblatt.com/video/politik/besetztes-westjordanland-airbnb-streicht-unterkuenfte-in-israelischen-siedlungen-/23663830.html?ticket=ST-3428105-o9PpKdbExOEU6tBubmHy-ap1
[2] https://www.welt.de/debatte/kommentare/article184256510/Airbnb-schreibt-Besuchern-der-Westbank-vor-Schlaft-nicht-beim-Juden.html
[3] http://www.faz.net/aktuell/politik/israelische-siedlungen-billiger-wohnraum-oder-landnahme-198921.html
[4] https://www.welt.de/politik/ausland/article184254558/Westjordanland-Israelischer-Minister-ruft-zum-Boykott-von-Airbnb-auf.html
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Boycott,_Divestment_and_Sanctions
[6] https://www.jerusalemonline.com/news/world-news/the-jewish-world/young-and-filthy-rich-6-out-of-top-10-billionaires-under-35-are-jewish-15427
[7] https://jewishbusinessnews.com/2016/06/02/17-more-billionaires-agree-to-give-away-their-loot-8-are-jewish/
[8] http://www.muslim-markt.de/Palaestina-Spezial/diverse/aufruf_gegen_antisemitismus.htm
[9] https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/26277
[10] https://www.theguardian.com/technology/2016/jan/12/airbnb-listings-illegal-settlements-israel-palestine-west-bank
[11] https://www.middleeastmonitor.com/20161121-protests-at-airbnb-lists-properties-in-illegal-settlements/
[12] http://www.spiegel.de/reise/aktuell/airbnb-streicht-angebot-in-siedlungen-israel-ruft-zum-boykott-auf-a-1239615.html
[13] https://www.haaretz.com/us-news/.premium-boycott-airbnb-unless-you-re-good-with-anti-semitism-1.6675605


Erstveröffentlichung am 22.11.2018 bei Muslim-Markt

Online-Flyer Nr. 685  vom 05.12.2018

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