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Gaza, das Land am Meer und die Zukunft unserer Kinder
Mit meinen Augen
Von Ezz al Zanoon
Das Freiluftgefängnis Gaza ist einzigartig in der Welt. Unter israelischer Besatzung ist für die dort lebenden Palästinenserinnen und Palästinenser weder eine Ausreise noch eine Verbindung mit den palästinensischen Gebieten der Westbank möglich. Auf dem Meer patroullieren israelische Kanonenboote und machen den Fischern und auch mal den badenden oder am Strand Fußball spielenden oft Kindern und Jugendlichen das Leben zur Hölle. Trotzdem muss das Leben weitergehen. Der 26jährige in Gaza geborene Fotograf, Ezz al Zanoon, hat sich mit seinen ästhetisch anspruchsvollen Fotografien vorgenommen, das Leben so darzustellen, wie es dort möglich ist und wie die BewohnerInnen es sich gestalten. Es erscheinen Menschen in seinen Bildern, deren größter Wunsch ist, Gewalt und kriegerische Attacken zu überwinden. Die Realität sieht in diesen Tagen wieder anders aus. Der Apparat der hochtechnisierten israelischen Armee ist nicht für den Frieden bestimmt, wenn auch Militärangehörige (Breaking the Silence) gegen die unverhältnismäßigen Kriegshandlungen vom Rüstungsriesen Goliath gegen den Steinschleuder bestückten David intervenieren. Ezz al Zanoon hat sein Land, in dem sein gesamtes bisheriges fotografisches Werk entstand, vor zehn Monaten verlassen und lebt jetzt als Flüchtling in Europa. Vor zehn Jahren übernahm er die Kamera seines älteren Bruders, als dieser von einer israelischen Rakete getroffen wurde. Die Neue Rheinische Zeitung war bei der Ausstellungseröffnung im Café Palestine Colonia dabei und führte ein Gespräch mit ihm.
alle Fotos: Gaza, von Ezz al Zanoon
Der Fotograf Ezz al Zanoon
folgende Fotos: arbeiterfotografie.com
I live in Europe. Sometimes in Germany, sometimes in Belgium, Netherlands. I am artist. Ich möchte meine Bilder mit Menschen unter einem humanistischen und künstlerischen Aspekt teilen. Ich hasse den politischen Weg.
Aber wie kann es eine Lösung ohne politischen Weg geben?
Es war mir eigentlich egal, ob es eine politische Aussage in meinen Bildern gibt oder nicht. Es sind künsterlische Fotos, die das Leben in Gaza zeigen. Sie zeigen, dass wir auch ein wunderschönes Leben in Gaza haben. Es ist nicht so, dass wir gar nichts haben. Wir haben den Strand, wir haben besonderes Essen (nice food), wir geniessen eine Menge Dinge. Es gibt künstlerisch arbeitende Menschen dort. Und wir suchen den Frieden. Und ich hoffe, eines Tages wird der Krieg zu Ende sein und auch die politischen Probleme. Es reicht. Jedem reicht's. Und nicht nur den Palästinensern. Das gilt für alle Menschen der Welt. Ich glaube, niemand will mehr diese politische und gewaltsame Art. Das brauchen wir nicht mehr. Was wir brauchen ist Liebe, Frieden. Wir wollen ein gemeinsames gutes Leben. Das können wir erreichen, wenn uns nicht ständig jemand etwas vorschreibt, seien es Politiker, Religionen oder sonstiges. Wir brauchen eine Zukunft für unsere Kinder.
Wie alt bist Du?
Ich bin 26 Jahre alt. Meine Vorstellung ist die von Love & Peace. Und diese Idee möchte ich jedem weitergeben.
Bist Du in Gaza geboren?
Ja, aber meine Familie stammt aus Jaffa. Ich bin Flüchtling in Gaza. Und jetzt bin ich wieder Flüchtling, diesmal in Europa. Ich hoffe, dass Krieg und Gewalt bald ein Ende haben. Und – wie gesagt – nicht nur in Palästina. Auch in Syrien, im Jemen, im Mittleren Osten. Es ist genug. Es reicht! Millionen Menschen sehen täglich verrückte Bilder und hören wahnsinnige Nachrichten. Mir reicht es. Meine Aufgabe sehe ich darin, Menschen glücklich zu machen. Um zu einem wunderschönen Zusammenleben zu finden.
Wie schwierig ist es für Dich, Gaza zu verlassen oder auch wieder einzureisen, um Deine Fotos zu machen?
Das ist überhaupt nicht einfach, weil – das ist bekannt – wir keine eigenen Grenzen haben. Und auch weil wir seit Jahrzehnten dem Belagerungszustand ausgesetzt sind. Es gibt für uns die israelischen und die ägyptischen Grenzen. Die werden willkürlich geschlossen und geöffnet. Manchmal läßt Israel Nahrungsmittel reinkommen oder andere Sachen. Das gleiche von ägyptischer Seite. Aber das ist nicht ausreichend für die Menschen. Sie wollen hingehen, wohin sie möchten, wollen selbst entscheiden, mit wem sie zusammen leben möchten. Ich denke, alle Menschen in Gaza wollen diesen Zustand beendet sehen. Und niemand will das auf gewaltsame Art. Wir haben eine meschugge Regierung. Und dasselbe spielt sich in Israel ab. Die sind auch verrückt. Ich bin der Überzeugung, dass die Regierung in Gaza sich nicht genug um die Bewohner kümmert. Überall gibt es nur Grenzen, aber niemand schert sich um die Menschen, auch nicht die Israelis und die Ägypter. Und die Menschen wollen doch nur ihr Leben leben.
Lebt noch Familie von Dir in Gaza?
Ja, meine ganze Familie lebt in Gaza. Ich bin gegangen, weil ich Probleme habe mit der islamischen Regierung. Wenn Du offen bist für andere Lebensformen, Frauen unterstützt... Schließlich bin ich gegangen.
Was machst Du jetzt in Europa? Wo lebst Du hauptsächlich?
Ich lebe zeitweise in Deutschland, in Niederlande, in Belgien. Wo ich auch hingehe, empfinde ich es wie mein Land.
Und da hast Du keine Probleme, zwischen den Staaten zu wechseln?
Ich kann gehen, wohin ich will.
Hast Du Fotografie studiert?
Nein. Hab ich nicht. Ich hab es mir selbst beigebracht. Die Zeit hat es mich gelehrt und Gaza hat es mich gelehrt. Es gibt so viele wunderschöne Seiten von Gaza, die ich fotografiert habe. Es gibt so viele Geschichten der Menschen dort.
Mit welcher Technik arbeitest Du? Analog, digital?
Ich finde, das Fotografieren hat überhaupt nichts mit der Art der Kamera zu tun. Ich kann mit jeder Kamera Bilder machen, auch mit dem i-phone. Die Kamera selbst ist nicht entscheidend. Was wichtig ist, ist das Auge und das Gefühl für das Bild.
Das denke ich auch. Wenn da keine Idee ist, keine Intention...
Es sind Deine Augen. Die Kamera kann keine besseren Bilder machen, als die, die ich sehe. Damit will ich nicht sagen, dass die Technik unwichtig ist. Aber Du kannst jede Kamera benutzen, um Deine Bilder zu machen. Du braucht ein Gespür und eine Idee, und dann kannst Du gute Bilder machen. Und das kann jeder, auch mit dem Mobiltelefon.
Natürlich gibt es technische und optische Möglichkeiten, ein Bild mit Brennweite, Schärfe und Unschärfe etc. zu gestalten...
Wenn ich mir Deine Bilder ansehe, bin ich beeindruckt.
Was ist die Beziehung zwischen Dir und den von Dir Fotografierten? Was passiert da?
Du meinst in Gaza? Weil alle meine Bilder sind aus Gaza. Hier (in Europa) fange ich gerade erst an. Es gibt auch hier vieles, was mir gefällt. Aber es ist noch alles neu für mich. Natürlich möchte ich meine Fotografie auch hier fortsetzen. Schönes, Künstlerisches schaffen. Aber Gaza ist schon besonders für mich. Ich bin dort geboren. Ich habe ein Gefühl für die Menschen dort.
Sprichst Du, bevor Du fotografierst, mit den Leuten, oft Kindern?
Unbedingt.
Immer?
Nein, nicht immer. Es gibt Situationen, die so, wie sie im Moment sind, aufgenommen werden. Das Leben in der Straße. Aber normalerweise spreche ich mit denen, die ich fotografieren möchte. Die Menschen in Gaza lieben Fotos. Sie lächeln. Sie sind glücklich, wenn sie fotografiert werden.
Fragen sie, was Du mit Deinen Bildern machst?
Ja, sie möchten gerne wissen, wo sie ihr Bild dann später sehen können. Und tatsächlich mache ich die Bilder auch für sie, zeige und schicke sie ihnen.
Das Gespräch von Anneliese Fikentscher mit Ezz al Zanoon fand als Spontan-Interview mit begrenzter Dauer statt. Weitere Fragen aus dem Publikum s.u.
Im Gespräch mit den Ausstellungsbesuchern (übersetzt von Hakam Abdel-Hadi) ergeben sich u.a. noch folgende Fragen:
Publikum (Peter Wald): Die Regierung der Vereinigten von Amerika hat vor kurzem die Gelder stark gekürzt, die von UNRWA seit der Staatsgründung Israels für die Flüchtlinge benutzt werden. Hat sich das schon auf die Kinder von Gaza ausgewirkt? Werden Schulen geschlossen, Lehrer entlassen? Es wird nämlich befürchtet, dass es eine Art von Aushungerungstaktik gibt. Wo die Leute gar nicht wissen, wo sie hingehen sollten, wenn sie entweichen wollten...
Ezz: 70% der Bevölkerung in Gaza sind Flüchtlinge. Wenn die UNO aufhört, das zu unterstützen, gibt es eine Katastrophe – ohne Zweifel. Aber ich lebe zur Zeit nicht in Gaza und kann deshalb nicht über den Alltag berichten.
Publikum (auch aus Gaza): Ich kann vielleicht dazu sagen, mein Vater arbeitet als Lehrer bei der UNRWA. Sie haben in Gaza angefangen einzusparen, und das kann man schon feststellen. Es gibt in jeder Schule Psychologen für die Kinder wegen der ganzen Kriege. Und genau diese Psychologen wurden jetzt rausgeschmissen.
siehe auch:
http://www.nordbayern.de/politik/ich-habe-mich-keine-einzige-minute-mehr-sicher-gefuhlt-1.7191359
Ausstellung
noch bis 18. November 2018
Quäker Nachbarschaftshaus, Kreutzerstraße 5-9 in Köln-Ehrenfeld
Weitere Veranstaltung / Finissage (ohne Ezz al Zanoon):
mit Fidaa Zaanin aus Beit Hanoun in Gaza und Salwa Duaibis, Ramallah
Moderation: Annette Groth
Leben in den besetzten palästinensischen Gebieten –
Frauen-Alltag in der Westbank und in Gaza
Sonntag 18. November 2018, 12:00 -15:00 Uhr
Quäker Nachbarschaftshaus, Kreutzerstraße 5-9 in Köln-Ehrenfeld
Nachdem uns Ezz Al Zanoon mit seiner Foto-Ausstellung (vom 10. bis 18.11. – die Bilder sind an diesem Sonntag hier bei uns den letzten Tag zu sehen!) ein Gaza gezeigt hat, in dem es für seine Bewohner*innen jenseits von Besatzung und gewaltsamen Auseinandersetzungen auch ein ganz alltägliches Leben mit vielen Momenten der Freude und des Lachens gibt, wollen wir uns heute mit der Situation der Frauen in Palästina beschäftigen.
Politisch hat sich die Lage in Palästina und in Gaza in den vergangenen Monaten enorm verschlechtert. Darüber-hinaus kommt es insbesondere im Gazastreifen durch dessen jahrelange strikte Abriegelung zu extremen ökonomischen, humanitären und sozialen Problemen. Die Situation stellt an die Bewohner*innen von Westbank und Gaza sehr hohe Anforderungen, speziell jedoch an die Frauen. Zusätzlich leiden sie in der isolierten und kulturell stark patriarchalisch geprägten Gesellschaft Gazas an sozialer Diskriminierung und sehr häufig unter familiärer Gewalt. Wie alle palästinensischen Frauen wollen sie aber nicht als Opfer wahrgenommen werden, sondern als Menschen, die um Würde und Selbstbestimmung kämpfen. Sie verdienen unseren Respekt und unsere Solidarität!
Über die Lage der Frauen in Palästina informieren und diskutieren unsere Gäste Fidaa Zaanin aus Beit Hanoun in Gaza und Salwa Duaibis, die in Ramallah lebt und arbeitet, sowie Annette Groth, Menschenrechtsaktivistin und bis 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages. Sie wird die Diskussion auch leiten.
Fidaa ist als Feministin und Menschenrechtsaktivistin u. a. für verschiedene UN-Organisationen sowie in Deutsch-land für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit tätig. Sie lebt seit anderthalb Jahren in Berlin und informiert von dort über die anhaltende humanitäre Notlage in Gaza und die Folgen der Isolierung für seine zwei Millionen Bewohner*innen.
Salwa ist Soziologin und Psychotherapeutin und ein prominentes Mitglied von Military Court Watch. Ihr besonderes Thema ist die permanente Unsicherheit als Lebensgefühl palästinensischer Frauen.
Übersetzung aus dem Englischen bei Bedarf.
Eintritt: 5 EURO
Veranstalter:
Café Palestine Colonia und der Städtepartnerschaftsverein Köln-Bethlehem
Online-Flyer Nr. bitte eintragen! vom 14.11.2018
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Gaza, das Land am Meer und die Zukunft unserer Kinder
Mit meinen Augen
Von Ezz al Zanoon
Das Freiluftgefängnis Gaza ist einzigartig in der Welt. Unter israelischer Besatzung ist für die dort lebenden Palästinenserinnen und Palästinenser weder eine Ausreise noch eine Verbindung mit den palästinensischen Gebieten der Westbank möglich. Auf dem Meer patroullieren israelische Kanonenboote und machen den Fischern und auch mal den badenden oder am Strand Fußball spielenden oft Kindern und Jugendlichen das Leben zur Hölle. Trotzdem muss das Leben weitergehen. Der 26jährige in Gaza geborene Fotograf, Ezz al Zanoon, hat sich mit seinen ästhetisch anspruchsvollen Fotografien vorgenommen, das Leben so darzustellen, wie es dort möglich ist und wie die BewohnerInnen es sich gestalten. Es erscheinen Menschen in seinen Bildern, deren größter Wunsch ist, Gewalt und kriegerische Attacken zu überwinden. Die Realität sieht in diesen Tagen wieder anders aus. Der Apparat der hochtechnisierten israelischen Armee ist nicht für den Frieden bestimmt, wenn auch Militärangehörige (Breaking the Silence) gegen die unverhältnismäßigen Kriegshandlungen vom Rüstungsriesen Goliath gegen den Steinschleuder bestückten David intervenieren. Ezz al Zanoon hat sein Land, in dem sein gesamtes bisheriges fotografisches Werk entstand, vor zehn Monaten verlassen und lebt jetzt als Flüchtling in Europa. Vor zehn Jahren übernahm er die Kamera seines älteren Bruders, als dieser von einer israelischen Rakete getroffen wurde. Die Neue Rheinische Zeitung war bei der Ausstellungseröffnung im Café Palestine Colonia dabei und führte ein Gespräch mit ihm.
alle Fotos: Gaza, von Ezz al Zanoon
Der Fotograf Ezz al Zanoon
folgende Fotos: arbeiterfotografie.com
I live in Europe. Sometimes in Germany, sometimes in Belgium, Netherlands. I am artist. Ich möchte meine Bilder mit Menschen unter einem humanistischen und künstlerischen Aspekt teilen. Ich hasse den politischen Weg.
Aber wie kann es eine Lösung ohne politischen Weg geben?
Es war mir eigentlich egal, ob es eine politische Aussage in meinen Bildern gibt oder nicht. Es sind künsterlische Fotos, die das Leben in Gaza zeigen. Sie zeigen, dass wir auch ein wunderschönes Leben in Gaza haben. Es ist nicht so, dass wir gar nichts haben. Wir haben den Strand, wir haben besonderes Essen (nice food), wir geniessen eine Menge Dinge. Es gibt künstlerisch arbeitende Menschen dort. Und wir suchen den Frieden. Und ich hoffe, eines Tages wird der Krieg zu Ende sein und auch die politischen Probleme. Es reicht. Jedem reicht's. Und nicht nur den Palästinensern. Das gilt für alle Menschen der Welt. Ich glaube, niemand will mehr diese politische und gewaltsame Art. Das brauchen wir nicht mehr. Was wir brauchen ist Liebe, Frieden. Wir wollen ein gemeinsames gutes Leben. Das können wir erreichen, wenn uns nicht ständig jemand etwas vorschreibt, seien es Politiker, Religionen oder sonstiges. Wir brauchen eine Zukunft für unsere Kinder.
Wie alt bist Du?
Ich bin 26 Jahre alt. Meine Vorstellung ist die von Love & Peace. Und diese Idee möchte ich jedem weitergeben.
Bist Du in Gaza geboren?
Ja, aber meine Familie stammt aus Jaffa. Ich bin Flüchtling in Gaza. Und jetzt bin ich wieder Flüchtling, diesmal in Europa. Ich hoffe, dass Krieg und Gewalt bald ein Ende haben. Und – wie gesagt – nicht nur in Palästina. Auch in Syrien, im Jemen, im Mittleren Osten. Es ist genug. Es reicht! Millionen Menschen sehen täglich verrückte Bilder und hören wahnsinnige Nachrichten. Mir reicht es. Meine Aufgabe sehe ich darin, Menschen glücklich zu machen. Um zu einem wunderschönen Zusammenleben zu finden.
Wie schwierig ist es für Dich, Gaza zu verlassen oder auch wieder einzureisen, um Deine Fotos zu machen?
Das ist überhaupt nicht einfach, weil – das ist bekannt – wir keine eigenen Grenzen haben. Und auch weil wir seit Jahrzehnten dem Belagerungszustand ausgesetzt sind. Es gibt für uns die israelischen und die ägyptischen Grenzen. Die werden willkürlich geschlossen und geöffnet. Manchmal läßt Israel Nahrungsmittel reinkommen oder andere Sachen. Das gleiche von ägyptischer Seite. Aber das ist nicht ausreichend für die Menschen. Sie wollen hingehen, wohin sie möchten, wollen selbst entscheiden, mit wem sie zusammen leben möchten. Ich denke, alle Menschen in Gaza wollen diesen Zustand beendet sehen. Und niemand will das auf gewaltsame Art. Wir haben eine meschugge Regierung. Und dasselbe spielt sich in Israel ab. Die sind auch verrückt. Ich bin der Überzeugung, dass die Regierung in Gaza sich nicht genug um die Bewohner kümmert. Überall gibt es nur Grenzen, aber niemand schert sich um die Menschen, auch nicht die Israelis und die Ägypter. Und die Menschen wollen doch nur ihr Leben leben.
Lebt noch Familie von Dir in Gaza?
Ja, meine ganze Familie lebt in Gaza. Ich bin gegangen, weil ich Probleme habe mit der islamischen Regierung. Wenn Du offen bist für andere Lebensformen, Frauen unterstützt... Schließlich bin ich gegangen.
Was machst Du jetzt in Europa? Wo lebst Du hauptsächlich?
Ich lebe zeitweise in Deutschland, in Niederlande, in Belgien. Wo ich auch hingehe, empfinde ich es wie mein Land.
Und da hast Du keine Probleme, zwischen den Staaten zu wechseln?
Ich kann gehen, wohin ich will.
Hast Du Fotografie studiert?
Nein. Hab ich nicht. Ich hab es mir selbst beigebracht. Die Zeit hat es mich gelehrt und Gaza hat es mich gelehrt. Es gibt so viele wunderschöne Seiten von Gaza, die ich fotografiert habe. Es gibt so viele Geschichten der Menschen dort.
Mit welcher Technik arbeitest Du? Analog, digital?
Ich finde, das Fotografieren hat überhaupt nichts mit der Art der Kamera zu tun. Ich kann mit jeder Kamera Bilder machen, auch mit dem i-phone. Die Kamera selbst ist nicht entscheidend. Was wichtig ist, ist das Auge und das Gefühl für das Bild.
Das denke ich auch. Wenn da keine Idee ist, keine Intention...
Es sind Deine Augen. Die Kamera kann keine besseren Bilder machen, als die, die ich sehe. Damit will ich nicht sagen, dass die Technik unwichtig ist. Aber Du kannst jede Kamera benutzen, um Deine Bilder zu machen. Du braucht ein Gespür und eine Idee, und dann kannst Du gute Bilder machen. Und das kann jeder, auch mit dem Mobiltelefon.
Natürlich gibt es technische und optische Möglichkeiten, ein Bild mit Brennweite, Schärfe und Unschärfe etc. zu gestalten...
Wenn ich mir Deine Bilder ansehe, bin ich beeindruckt.
Was ist die Beziehung zwischen Dir und den von Dir Fotografierten? Was passiert da?
Du meinst in Gaza? Weil alle meine Bilder sind aus Gaza. Hier (in Europa) fange ich gerade erst an. Es gibt auch hier vieles, was mir gefällt. Aber es ist noch alles neu für mich. Natürlich möchte ich meine Fotografie auch hier fortsetzen. Schönes, Künstlerisches schaffen. Aber Gaza ist schon besonders für mich. Ich bin dort geboren. Ich habe ein Gefühl für die Menschen dort.
Sprichst Du, bevor Du fotografierst, mit den Leuten, oft Kindern?
Unbedingt.
Immer?
Nein, nicht immer. Es gibt Situationen, die so, wie sie im Moment sind, aufgenommen werden. Das Leben in der Straße. Aber normalerweise spreche ich mit denen, die ich fotografieren möchte. Die Menschen in Gaza lieben Fotos. Sie lächeln. Sie sind glücklich, wenn sie fotografiert werden.
Fragen sie, was Du mit Deinen Bildern machst?
Ja, sie möchten gerne wissen, wo sie ihr Bild dann später sehen können. Und tatsächlich mache ich die Bilder auch für sie, zeige und schicke sie ihnen.
Das Gespräch von Anneliese Fikentscher mit Ezz al Zanoon fand als Spontan-Interview mit begrenzter Dauer statt. Weitere Fragen aus dem Publikum s.u.
Im Gespräch mit den Ausstellungsbesuchern (übersetzt von Hakam Abdel-Hadi) ergeben sich u.a. noch folgende Fragen:
Publikum (Peter Wald): Die Regierung der Vereinigten von Amerika hat vor kurzem die Gelder stark gekürzt, die von UNRWA seit der Staatsgründung Israels für die Flüchtlinge benutzt werden. Hat sich das schon auf die Kinder von Gaza ausgewirkt? Werden Schulen geschlossen, Lehrer entlassen? Es wird nämlich befürchtet, dass es eine Art von Aushungerungstaktik gibt. Wo die Leute gar nicht wissen, wo sie hingehen sollten, wenn sie entweichen wollten...
Ezz: 70% der Bevölkerung in Gaza sind Flüchtlinge. Wenn die UNO aufhört, das zu unterstützen, gibt es eine Katastrophe – ohne Zweifel. Aber ich lebe zur Zeit nicht in Gaza und kann deshalb nicht über den Alltag berichten.
Publikum (auch aus Gaza): Ich kann vielleicht dazu sagen, mein Vater arbeitet als Lehrer bei der UNRWA. Sie haben in Gaza angefangen einzusparen, und das kann man schon feststellen. Es gibt in jeder Schule Psychologen für die Kinder wegen der ganzen Kriege. Und genau diese Psychologen wurden jetzt rausgeschmissen.
siehe auch:
http://www.nordbayern.de/politik/ich-habe-mich-keine-einzige-minute-mehr-sicher-gefuhlt-1.7191359
Ausstellung
noch bis 18. November 2018
Quäker Nachbarschaftshaus, Kreutzerstraße 5-9 in Köln-Ehrenfeld
Weitere Veranstaltung / Finissage (ohne Ezz al Zanoon):
mit Fidaa Zaanin aus Beit Hanoun in Gaza und Salwa Duaibis, Ramallah
Moderation: Annette Groth
Leben in den besetzten palästinensischen Gebieten –
Frauen-Alltag in der Westbank und in Gaza
Sonntag 18. November 2018, 12:00 -15:00 Uhr
Quäker Nachbarschaftshaus, Kreutzerstraße 5-9 in Köln-Ehrenfeld
Nachdem uns Ezz Al Zanoon mit seiner Foto-Ausstellung (vom 10. bis 18.11. – die Bilder sind an diesem Sonntag hier bei uns den letzten Tag zu sehen!) ein Gaza gezeigt hat, in dem es für seine Bewohner*innen jenseits von Besatzung und gewaltsamen Auseinandersetzungen auch ein ganz alltägliches Leben mit vielen Momenten der Freude und des Lachens gibt, wollen wir uns heute mit der Situation der Frauen in Palästina beschäftigen.
Politisch hat sich die Lage in Palästina und in Gaza in den vergangenen Monaten enorm verschlechtert. Darüber-hinaus kommt es insbesondere im Gazastreifen durch dessen jahrelange strikte Abriegelung zu extremen ökonomischen, humanitären und sozialen Problemen. Die Situation stellt an die Bewohner*innen von Westbank und Gaza sehr hohe Anforderungen, speziell jedoch an die Frauen. Zusätzlich leiden sie in der isolierten und kulturell stark patriarchalisch geprägten Gesellschaft Gazas an sozialer Diskriminierung und sehr häufig unter familiärer Gewalt. Wie alle palästinensischen Frauen wollen sie aber nicht als Opfer wahrgenommen werden, sondern als Menschen, die um Würde und Selbstbestimmung kämpfen. Sie verdienen unseren Respekt und unsere Solidarität!
Über die Lage der Frauen in Palästina informieren und diskutieren unsere Gäste Fidaa Zaanin aus Beit Hanoun in Gaza und Salwa Duaibis, die in Ramallah lebt und arbeitet, sowie Annette Groth, Menschenrechtsaktivistin und bis 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages. Sie wird die Diskussion auch leiten.
Fidaa ist als Feministin und Menschenrechtsaktivistin u. a. für verschiedene UN-Organisationen sowie in Deutsch-land für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit tätig. Sie lebt seit anderthalb Jahren in Berlin und informiert von dort über die anhaltende humanitäre Notlage in Gaza und die Folgen der Isolierung für seine zwei Millionen Bewohner*innen.
Salwa ist Soziologin und Psychotherapeutin und ein prominentes Mitglied von Military Court Watch. Ihr besonderes Thema ist die permanente Unsicherheit als Lebensgefühl palästinensischer Frauen.
Übersetzung aus dem Englischen bei Bedarf.
Eintritt: 5 EURO
Veranstalter:
Café Palestine Colonia und der Städtepartnerschaftsverein Köln-Bethlehem
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