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Aktueller Online-Flyer vom 19. März 2024  

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Literatur
Aus dem Buch "Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts" (4)
China: Wirtschaftliche und friedliche Globalisierung
Von Werner Rügemer

In seinem neuen Buch „Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts“ vergleicht Werner Rügemer die Entwicklungslogik des US-geführten westlichen Kapitalismus mit dem Kapitalismus in China, und zwar anhand der Kriterien Völkerrecht, Menschenrechte, volkswirtschaftliche Entwicklung, erneuerbare Energien, Arbeitsverhältnisse, Bekämpfung von Armut und Korruption. Im Folgenden ein Auszug zur gegensätzlichen Praxis der Globalisierung, mit Militär (Westen) und ohne Militär (China)

Allmähliches Vorrücken ins kapitalistische Zentrum

Seit und nach der westlichen Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007 kauft China Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen verstärkt in den zentralen kapitalistischen Staaten, in den USA und in der EU – in der EU zunächst im traditionell verbundenen Großbritannien, dann auch in Deutschland, Frankreich, Italien und auch etwa in der Schweiz. Das begann gleichzeitig mit den Aufkäufen durch die neuen Finanzakteure Blackrock&Co. Der Umfang dieser chinesischen Investitionen im Zentrum des westlichen Kapitals ist allerdings bis heute ungleich niedriger, beträgt in Deutschland 0,3 Prozent aller ausländischen Investitionen, (1)  verursacht aber ein Tausendfaches an öffentlicher Aufregung.

Die Aufkäufe haben nicht das Ziel wie bei den US-Finanzinvestoren, bestehende Substanz zu verwerten und schnellen und hohen Profit herauszuholen. Vielmehr sollen die chinesische Volkswirtschaft und die chinesischen Unternehmen modernisiert, komplettiert werden. Mit der Strategie Made in China 2025 soll die Produktion in China selbst weiter verbessert werden – Entwicklung der Binnenproduktion und des Binnenmarkts. Deshalb rügt der Staat jetzt öffentlich „irrationale“ und schuldenfinanzierte Investments privater chinesischer Konzerne im Ausland und verlangt Korrektur. (2)

Kooperative Globalisierung: Die Neue Seidenstraße

Seit zwei Jahrzehnten investiert China in fast allen anderen Staaten. Für über 90 Staaten wurde China der größte Handelspartner, auch für die mächtigsten wie USA, Japan, Deutschland, Brasilien und Russland.

Im Unterschied zu den westlichen Staaten macht China seine Investitions- und Handelsbeziehungen nicht von Freund-Feind-Kriterien abhängig. Die Volksrepublik entwickelt Beziehungen zu Iran und Saudi-Arabien, zu Israel und Palästina, zur Ukraine und zu Russland. Friedliche und inklusive Globalisierung ist das Motto. Während die USA sich immer weiter von der UNO entfernen, orientiert sich China prinzipiell am UNO-Völkerrecht: Gleichberechtigung der Staaten (z.B. auch in WTO und IWF), Teilnahme an UN-Friedensmissionen, multipolares Weltsystem, Aufbau von Kooperationen, keine politische Einmischung.

In gewissem Sinne belebt China die breite Bewegung der „Blockfreien“. Seit 1955 hatten sich Dutzende Staaten zusammengeschlossen, die sich aus kolonialer Abhängigkeit und faschistischer Besetzung befreit hatten: Führend waren China, Jugoslawien, Indonesien, Ägypten, Ghana und Indien. Zahlreiche postkoloniale „Entwicklungsländer“ aus Afrika und Lateinamerika schlossen sich an. Doch der US-geführte Westen putschte progressive Regierungen weg (Mossadegh/Persien, Sukarno, Nasser, Allende/Chile, Bolivien), Geheimdienste ermordeten Politiker (Lumumba/Kongo, Sankara/Burkina Faso, Bishop/Grenada), Diktaturen wurden aufgerüstet (Haiti, Guatemala, Venezuela, Apartheid/Südafrika, Argentinien, Uruguay), Marionettenregierungen wurden aufgebaut (Vietnam, Südkorea, Taiwan, Honduras, Kolumbien, Panama, Karibik), reaktionäre Regierungsclans wurden korrumpiert und für günstige Investitionen bestochen (Shah Reza Pahlevi/Iran, Marcos/Philippinen, Suharto/Indonesien). (3)

1973 bildeten sozialistische und Entwicklungsländer die G 77. Mit ihrer Mehrheit beschloss die UNO die New International Economic Order: Gleichberechtigte Wirtschaftsbeziehungen, Abrüstung und die Anerkennung der Charta der UNO. Doch der US-geführte Westen zerstörte die Entwicklung. 1975 bildeten die USA, Großbritannien, Frankreich, Japan, Italien, Kanada und Deutschland mit G 7 die Gegen-Revolution; IWF und Weltbank organisierten mit den Vorläufern der neuen Finanzakteure die Überschuldung von Staaten und erpressten Privatisierungen und Regierungswechsel (Mexiko, Brasilien, Venezuela, Argentinien, Ägypten, Marokko, Jugoslawien, Südkorea…). (4)

Chinas gegenwärtiger Aufbau weltweiter Infrastruktur, die Entwicklung unterschiedlicher regionaler Bündnisse, verbunden mit der Wirtschaftskraft und dem Kreditpotential Chinas kann dieser erstickten, aber nach wie vor bestehenden Hoffnung in vielen Dutzend Staaten und Regionen einen neuen, nachhaltigen,  strategischen Impuls verleihen.

Regionale und kontinentale Kooperationen

Mit den fortgesetzten internationalen Investitionen und Handelsbeziehungen  hat China mehrere regionale und kontinentale Kooperationen initiiert. Sie sind der jeweiligen Situation angepasst.

Shanghai Cooperation Organisation (SCO) - Auf Initiative von China wurde 2001 die Shanghai Organisation für Zusammenarbeit (SCO) gegründet. Als eine eurasische Union umfasst sie neben der Volksrepublik auch Russland, Indien, Pakistan, Kirgisien, Tadschikistan, Usbekistan und Kasachstan. In diesen Staaten wohnen etwa 40 Prozent der Menschheit. Als Beobachterstaaten kamen die Mongolei, Afghanistan, Weißrussland und der Iran hinzu. Weitere 10 Staaten haben Dialog- und Gaststatus. Gründungsziel war die Bekämpfung von Terrorismus und Separatismus, deshalb werden auch kleinere Militärmanöver organisiert. (5) In der Folgezeit kamen wirtschaftliche Kooperationsprojekte hinzu. Der IWF, der sich unbeliebt gemacht hat, wird allmählich durch chinesische Kreditgeber ersetzt. Während der Westen sich in Afghanistan militärisch eingräbt, entwickelt die SCO sogar dort Infrastrukturprojekte. (6)

BRICS - Auf anderen gemeinsamen und keineswegs einheitlichen Interessen beruht der Zusammenschluss Chinas mit den Schwellenländern Brasilien, Indien, Russland, Südafrika (BRICS). Sie repräsentieren fast die Hälfte der Weltbevölkerung. Seit 2009 treffen sich die Regierungen reihum in den Hauptstädten, um Kooperationen zu vereinbaren. China hat Ägypten, Mexiko, Thailand, Tadschikistan und Guinea zur Teilnahme eingeladen.

Als Antwort auf das von Obama initiierte Pazifische Freihandelsabkommen TPP – inzwischen von Trump ohnehin blockiert - treibt China eine Asien-Pazifik-Freihandelszone (FTAAP) voran. Die Sanktionen, die von der US-Regierung unter Trump nicht nur gegen China, sondern auch gegen US-Verbündete wie die EU und Kanada gerichtet sind, haben beim BRICS-Treffen 2018 in Südafrika zu gemeinsamem Protest geführt: Die multilateralen Institutionen UNO und WTO und die Herrschaft des Rechts müssten gestärkt werden. (7) Zusätzlich nahmen Regierungsdelegationen aus 18 afrikanischen Staaten sowie Argentiniens und der Türkei an den Beratungen teil. (8)

Forum on China-Africa Cooperation (FOCAC) - China wurde innerhalb eines Jahrzehnts auch zum größten Handelspartner für Staaten des afrikanischen Kontinents. Im Forum on China-Africa Cooperation (FOCAC), 2000 gegründet, wurden alle Staaten des Kontinents Mitglied, außer Swaziland – als einziger unterhält dieser Staat diplomatische Beziehungen zu Taiwan. China fördert die Gründung von kleinem Gewerbe, von kleinen Textilfabriken und dezentralen Solar- und Biogas-Projekten, aber auch den Abbau von Erdöl und den Anbau von Baumwolle. Das ist verbunden mit der Entwicklung der Infrastruktur. So bauen chinesische Unternehmen in Tansania die Eisenbahnverbindung zwischen dem Hafen Daressalam und dem Nachbarland Sambia. Entlang der Strecke entstehen Fabriken als chinesisch-tansanische joint ventures. Die 725 Kilometer lange Eisenbahnverbindung zwischen Addis Abeba und Djibuti ist die erste voll elektrifizierte in Afrika. (9)

McKinsey muss feststellen: Die etwa 10.000 chinesischen, meist privaten Unternehmen auf dem Kontinent tragen zur Verbilligung von Produkten und zur gezielten Ausbildung von Managern und Arbeitern bei. Chinas Investitionen sind „äußerst positiv für die Volkswirtschaften Afrikas, für Regierungen und Arbeiter“, muss sogar McKinsey eingestehen. (10)

China-CELAC Forum - Südamerika ist zeitlich der letzte Kontinent, den China für sich erschließt. Für  wichtige Staaten wie Brasilien, Peru, Chile und Venezuela wurde die Volksrepublik schnell zum größten Handelspartner.

Die zeitliche Verzögerung hat damit zu tun, dass Südamerika seit über einem Jahrhundert der „Hinterhof“ der USA war und vielfach noch ist oder wieder werden soll. Die 33 Staaten Südamerikas selbst haben sich erst 2011 zur Comunidad de Estados Latinoamericanos y Caribenos (CELAC) zusammengeschlossen. Damit soll die nach dem 2. Weltkrieg von den USA gegründete und beherrschte Organisation Amerikanischer Staaten (OAS, Sitz Washington) abgelöst werden. Alle Staaten des Kontinents und der Karibik sind Mitglied – außer den kolonialen Rest-Territorien der Niederlande (Antillen), Frankreichs (Guayana), Großbritanniens (Falkland, Cayman und Virgin Islands, Bermuda) und der USA (Bahamas), die außen-, handels- und steuerpolitisch weiter von ihren ehemaligen Herren und Königinnen abhängig sind.

China hat 2014 das China-CELAC Forum initiiert. Der 2015 beschlossene Kooperationsplan, der bis 2019 läuft, regelt die verschiedenen Formen und Foren der Kooperation, auf Ebene der Regierungen, der Unternehmen und Experten. Zwischen Chile und China soll ein 19.000 Kilometer langes Hochleistungs-Unterseekabel verlegt werden. China hat die CELAC-Staaten auch eingeladen, der Asian Investment and Infrastructure Bank (AIIB) beizutreten. (11) Es geht aber nicht nur um Infrastruktur, Technologie und Finanzen, sondern auch um Kultur, Bildung, Umweltschutz und Tourismus. (12) 

Die Neue Seidenstraße

Die Neue Seidenstraße, Belt and Road Initiative (BRI, Gürtel- und Straßen-Initiative), knüpft an die alte Seidenstraße an: Sie ist derzeit das größte wirtschaftliche Kooperationsprojekt der bisherigen Menschheit. Die Neue Seidenstraße besteht aus zwei Hauptrouten, dem Wirtschaftsgürtel über den Landweg und über den Seeweg. Beide Routen werden durch Korridore, Nebenstrecken, Industrieansiedlungen und Infrastrukturprojekte mit- und untereinander verbunden.

Der Landweg besteht aus drei großen Güterzug-Verbindungen: 1. China-Mongolei-Russland, 2. Neue eurasische Landbrücke, 3. China – Zentralasien – Westasien. Von ihnen sollen wiederum weitere Nebenstrecken abzweigen. Zum Seeweg gehört u.a. die Route, die Chinas Ostküstenhäfen mit dem neuen und modernisierten Großhafen Piräus/Griechenland und mit dem Großhafen Rotterdam/Niederlande verbindet.

Bisher sind 68 Staaten beteiligt, aus Europa und Eurasien 23, aus dem Nahen Osten und Afrika 16, aus Ost- und Südostasien 13, aus Mittel- und Südasien 13 – weitere können hinzukommen. Bisher hat China etwa eine Billion Dollar investiert, vereinbart oder geplant. Gleichzeitig investieren auch beteiligte Staaten und Unternehmen.

Damit sollen auch neue Industrien und Dienstleistungen entstehen, der gegenseitige Handel soll weiter wachsen: Mit Beginn wuchsen die Exporte der beteiligten Staaten nach China schneller als die Exporte Chinas in diese Staaten. Schon bisher sind bei den BRI-Projekten etwa 200.000 neue Arbeitsplätze entstanden. (13)

Auch die traditionelle chinesische Medizin gehört dazu - In die Seidenstraße ist etwa auch die traditionelle chinesische Medizin eingebunden. Sie wird in China verstärkt gefördert. Zwei Dutzend Zentren für Forschung und Praxis wurden auch bereits im Ausland eingerichtet. Dabei wird mit vergleichbaren Methoden in anderen Kulturen experimentiert, etwa in Verbindung von Akupunktur mit  moderner Medizintechnik.

So entwickeln in Afrika einheimische Doktoren zusammen mit chinesischen „Barfuß-Ärzten“ die Verbindung mit afrikanischer Heilkräuter-Behandlung. Man kooperiert mit der internationalen Organisation „Ärzte ohne Grenzen“. Am Zentrum für traditionelle chinesische Medizin an der Universität von Guangzhou wird geforscht, wie bei AIDS das Immunsystem gestärkt werden kann. Die Entwicklung hat auch in der etablierten Öffentlichkeit an Aufmerksamkeit gewonnen, nachdem die Pharmakologin Tu Youyou 2015 den Medizin-Nobelpreis bekommen hatte – sie forscht über die Behandlung von Malaria mithilfe alter Methoden. (14)

China in Ost- und Südeuropa

Die EU hat in den 1990er Jahren, nach der Zerschlagung Jugoslawiens und dem Zusammenbruch der anderen sozialistischen Staaten, diverse Pläne zum wirtschaftlichen Aufbau Ost- und Südeuropas aufgelegt.
 
Doch aus diesen Plänen wurde fast nichts. Die von der Troika aufgezwungene Sparpolitik trug ebenso dazu bei wie das mangelnde Interesse der neuen Finanzakteure: Hier müsste erst etwas Neues aufgebaut werden, bevor es nach der Methode von BlackRock und Blackstone verwertet werden kann. Einzelne „Leuchttürme“ wurden in die Landschaft gestellt, etwa die vom US-Baukonzern Bechtel gebauten Bezahl-Autobahnen in Kroatien. Aber die Infrastruktur in der Fläche verfällt. Millionen von Arbeitsmigranten verlassen die vernachlässigte EU-Peripherie, die neben der Bereitstellung von Niedriglöhnern lediglich dafür gut ist, neue Amazon- und NATO-Stützpunkte aufzunehmen. Die von der EU geförderten Sonderwirtschaftszonen werden in bleibende Unterentwicklung gepresst, politisch getragen vornehmlich von nationalistisch-rechtsradikalen Parteien, die vom Westen für die Überwindung des Sozialismus gefördert werden. (15)

Für das von EU-Kommissionspräsident Juncker „auf ewig“ bekräftigte Bündnis von EU, USA und NATO (16) hat die militärische Einbindung der verarmten EU-Staaten Priorität. So freute sich der griechische Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos im Juli 2018 über die „geopolitische Aufwertung“ seines sozial und zivil kaputt gesparten Landes: „Griechenland ist auf NATO-Ebene viel stärker, in Bezug auf die Erfüllung seiner Mission, als es noch vor ein paar Jahren war.“ (17)

Balkan: Aufregung in der EU

Den Neubau der Bahnstrecke zwischen Budapest und Belgrad hatte zwar schon die EU geplant, aber auch daraus wurde nichts. So gewährt nun die chinesische Export-Import-Bank Ungarn einen Zwei-Milliarden-Kredit. Diese Hochgeschwindigkeits-Strecke wird zudem an den griechischen Hafen Piräus angeschlossen. So finanzieren und bauen chinesische Unternehmen auch eine Ost-West-Tangente in Nord-Mazedonien, das öffentliche Verkehrsnetz der Hauptstadt Skopje und ein Kraftwerk in Serbien.

Seit 2012 versammelt China mit der 16+1-Plattform jährlich mittel- und osteuropäische Staaten zu einer Investitions-Konferenz. Sie findet reihum in einer der Hauptstädte statt. Zu den Treffen kommen die fünf bisher noch Nicht-EU-Staaten Albanien, Montenegro, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien, aber auch die 11 EU-Mitgliedsstaaten Polen, Tschechien, Slowakei, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Kroatien, Slowenien und die drei baltischen Staaten. Mehrere hunderte Unternehmer und Experten beider Seiten nehmen teil. Neben Infrastrukturprojekten werden Tourismus- und Kulturprojekte vereinbart. China kauft hier vermehrt Agrarprodukte ein. (18)

Eigentlich könnten die EU-Verantwortlichen zufrieden sein, dass ihre verarmten Mitgliedsstaaten aus der Unterentwicklung herausgeholt werden. Doch die EU ist seit 2017 plötzlich in  höchster Besorgnis. „Peking nutzt die innere Schwäche der EU, um im östlichen Europa Macht auszuüben“, schreiben dümmliche deutsche Alpha-Journalisten. (19) Sie blenden aus, dass die EU für die Unterentwicklung in Osteuropa selbst verantwortlich ist – Serbien wurde von der NATO zerbombt, erobert, der Sozialismus  bzw. seine Reste wurden vernichtet: mission accomplished. Hastig reiste EU-Kommissar Juncker Anfang 2018 in diese Staaten, um mit finanziellen Versprechungen China rauszuhalten.

Friedliche, gleichberechtigte und kooperative Globalisierung

Die chinesische Führung hält am Begriff der „Globalisierung“ fest. Die von China initiierten Zusammenschlüsse – SCO, FOCA, China-CELAC Forum, 16+1 - bestätigen, dass eine multipolare Weltordnung möglich und für alle Beteiligten vorteilhaft ist.

Gegenpol: America first - Dem steht der Ansatz der USA entgegen: Sie praktizieren den Anspruch der „einzigen Supermacht“. Er manifestiert sich auch in Leitbegriffen wie America First, national interest und God’s own country. Er ist verfassungsmäßig darin verankert, dass der Staat als einziger großer Staat kein Außenministerium hat, sondern ein  Staatsministerium, State Department. Aber die verdummten Vasallen-Journalisten und -Politiker des Westens sprechen trotzdem beschönigend vom „USA-Außenministerium“.

Dieses Ministerium war und ist das staatlich-organisatorische Zentrum für die Einverleibung fremder Territorien und Staaten zunächst in den US-Staat (Ausdehnung des Gründungsstaates in Nordamerika) und danach für unterschiedliche Formen der Durchdringung oder Einbeziehung in das US-Herrschaftsgebiet. Dieser  Anspruch wurde durchgesetzt durch Völkermord, Investitionen, Verträge, Bündnisse, Kriege, zunächst  auf dem nordamerikanischen Territorium, griff dann über mit regime changes auf Mittelamerika und die Karibik, dann auf den Pazifik (Philippinen, diverse Inseln). Regierungsamtlich wurde der Anspruch formalisiert zuerst 1823 durch die Monroe-Doktrin: Im Gesamtraum, der „Amerika“ benannt wurde, dürfen raumfremde Mächte – damals gemünzt auf Europa – nicht intervenieren, hier herrscht auf immer nur der Staat USA. Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Anspruch schließlich auf die ganze Erde ausgedehnt. „Interventionsverbot für raumfremde Mächte“ - so imitierte Hitlers Kronjurist Carl Schmitt diesen Anspruch auf Weltherrschaft.

Wie geschildert, manifestiert sich der Weltherrschafts-Anspruch auch gegenwärtig im Namen des „nationalen Interesses“, wenn rund um den Globus Militärstützpunkte betrieben und wenn bei kriegerischen Interventionen notfalls die UNO ausgeschaltet oder belogen wird und wenn gegen Unternehmen, Staaten und Individuen exterritoriale Strafen exekutiert werden. Nach der UNO-Charta besteht aber „nationales Interesse“ gerade darin, das nationale Interesse anderer Nationen als gleichberechtigt zu achten.

China: Aufstieg und Globalisierung ohne militärische Begleitung - Erst als die USA mit der strategischen Verlagerung ihres militärischen Engagements nach „Asien“ gegen China aufrüsteten, zog die Volksrepublik nach, und zwar begrenzt auf ihre unmittelbare Umgebung und im Sinne der Verteidigung ihres Territoriums.

Der einzige militärisch ergänzte Stützpunkt Chinas außerhalb der unmittelbaren Umgebung liegt im ostafrikanischen Staat Djibuti. Dort verläuft eine der wichtigsten See-Handelsrouten. Dort soll der Hafen von Doraleh, der von einem chinesischen Unternehmen betrieben wird, geschützt werden. Dafür sind seit 2017 etwa 300 chinesische Soldaten stationiert.

China ist damit aber der letzte Staat, der in Djibuti militärisch präsent wurde. Frankreich, Italien, Japan betreiben hier schon länger größere Militärstützpunkte, die USA seit 2007. Während das chinesische Militär eine zivile Anlage schützt, war und ist das US-Camp Lemonnier mit 4.000 Soldaten in das US-Afrika-Kommando AFRICOM (Zentrale in Stuttgart) eingebunden und damit in militärische Operationen beim regime change in Libyen (Sturz Ghaddafis), in Somalia und gegenwärtig im Jemen.

So stehen dem einzigen Militärstützpunkt Chinas im Ausland, von dem zudem keine militärischen Operationen ausgehen, etwa 1.000 US-Militärstützpunkte gegenüber, die rund um die Welt auf etwa 60 Staaten Staaten und US-eigene Territorien und Inseln verteilt und in weltweite militärische Operationen integriert sind. Neue Militärstützpunkte im südchinesischen Meer hat China errichtet, als die USA die militärische Umkreisung in den Nachbarstaaten begonnen hatten; dazu gehören auch die atombombenfähigen US-Raketen in Südkorea, die unter Präsident Obama installiert wurden.


Fußnoten:

1 BertelsmannStiftung: Chance und Herausforderung. Chinesische Direktinvestitionen in Deutschland, Gütersloh 2016, S. 25
2 Unterstützung von ganz oben, HB 25.6.2018
3 Jason Hickel: Die Tyrannei des Wachstums. München 2018, Kapitel „Das Zeitalter der Staatsstreichs“, S. 153-207
4 Ernst Wolf: Weltmacht IWF. Chronik eines Raubzugs. Marburg 2014, S. 43ff.
5 Siehe eng.sectsco.org
6 David Noack: West- oder Ostanbindung? junge Welt 16.12.2016
7 BRICS Nations Stand Against the ‚New Wave of Protectionism‘, https://thewire.in 5.6.2018
8 Meeting of BRICS leaders with delegation heads from invited states, en.kremlin.ru 27.7.2018
9 Siehe www.focac.org/eng/
10 The closest look yet at Chinas economic engagement in Africa, https://www.mckinsey.com, Juni 2017
11 Antonio Hsiang: As America Withdraws from Latin America, China Steps in, https://thediplomat.com 4.1.2018
12 Siehe www.chinacelacforum.org/eng
13 BRI offers new path to common prosperity, www.xinhuanet.com/english/2018-05-17
14 China strengthens TCM cooperation with Belt and Road countries, www.xinhuanet.com/english/2017-12-23
15 Stiefkinder des Kontinents, Der Spiegel 26/2017; Jaroslav Fiala: The rule of the market in East-Central Europe is absolute, http://political critique.org 28.7.2016
16 Interview zum Treffen mit US-Präsident Trump in ARD 27.7.2018, Protokoll in www.nachdenkseiten.de 30.7.2018
17 Griechische Botschaft Berlin: Griechenland ist ein ausgestreckter Außenposten des Westens und der EU im Osten, Pressemitteilung 1.7.2018
18 Siehe www.china-ceec./org/eng/
19 China macht sich Osteuropa gefügig, Süddeutsche Zeitung 28.11.2017


Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Gemeinverständlicher Abriss zu den neuen Finanzakteuren




360 Seiten, 19,90 Euro, Papyrossa-Verlag, Köln. Typologie und Praktiken von BlackRock, Blackstone, Hedgefunds und anderer unregulierter Schattenbanken sowie deren Beraterheere (Wirtschaftskanzleien, Wirtschafts"prüfer", Unternehmensberater, Ratingagenturen, PR) bei der Verwertung der aufgekauften Unternehmen, Banken und Krisenstaaten. Regulatory capture, systemische Rechtsverletzungen, prekäre Arbeitsverhältnisse, populistische Politik, Parallelgesellschaft in Finanzoasen. Porträts von Fink/BlackRock, Schwarzman/Blackstone, Thiel/Founders Fund, Dalio/Bridgewater, Bezos/Amazon, Schmidt/Google sowie von Ross, Kornblum, Rohatyn, Macron/Lazard/Rothschild. Kooperation von Google&Co mit Militär. Konflikt USA-EU-China. Vergleich des westlichen Kapitalismus mit China (Menschenrechte, Völkerrecht, erneuerbare Energien, Arbeitseinkommen, Armuts- und Korruptionsbekämpfung, wirtschaftliche Gesamtentwicklung, Globalisierung). Das Buch erscheint in chinesischer Sprache auch in China.


Siehe auch:

Auszug 1
Die neuen Finanzmächtigen im westlichen Kapitalismus
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25292

Auszug 2
Wie Angela Merkel und Blackstone den deutschen Kapitalismus veränderten – das war 2006: Erinnert sich jemand?
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25312

Auszug 3
Rothschild, Lazard & Co: Wie mischen diese elitären Investmentbanken in der Politik mit?
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25331


Veranstaltungshinweis:

Werner Rügemer liest aus "Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts"
Galerie Arbeiterfotografie, Merheimer Str. 107, 50733 Köln
Freitag, 23. November 2018, 20 Uhr

Online-Flyer Nr. 680  vom 31.10.2018

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