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Inland
Wurzeln und Böden reaktionärer Ideologie und Politik
Wir sollten wesentlich tiefer graben
Von Rudolph Bauer
Es gibt in Deutschland eine Reihe von gefährlichen Parteien. CDU/CSU, FDP, SPD und GRÜNE gehören ohne Zweifel dazu. Sie haben bereits zur Genüge gezeigt, dass sie im Auftrag des großen (internationalen) Kapitals Krieg nach innen und außen führen: Jugoslawien 1999, Afghanistan ab 2001, Hartz IV 2004, Syrien ab 2011 - um nur einige jüngere Beispiele zu nennen. Sie operieren mit gefakten Feindbildern und erheben Kriminalität zur Staatsräson - siehe Israel. Da reiht sich nun auch die LINKE ein. Eine Partei, die in den vergangenen Jahren einen beträchtlichen Stimmenzuwachs zu verzeichnen hat, ist die so genannte Alternative für Deutschland (AfD). Im Buch "Unsere Antwort. Die AfD und wir – Schriftsteller*innen und der Rechtspopulismus" befassen sich mehrere Autoren mit diesem Phänomen. Einer der Autoren ist Rudolph Bauer. Die NRhZ gibt seinen Beitrag hier wieder.
I. Definition, Geschichte und Rechtsverständnis von Unvereinbarkeit
Unvereinbarkeitsbeschluss (Begriffe und Passagen, die im Wortlaut aus dem Text von Michael Wildenhain übernommen wurden bzw. darauf verweisen, werden nachfolgend kursiv zitiert) ist ein schwerfälliges Siebensilben-Wort, vergleichbar dem Wortungetüm Vorratsdatenspeicherung. Es betrifft „Regelungen von Parteien, Vereinen und Verbänden, nach denen die gleichzeitige Mitgliedschaft in dieser Organisation mit der Mitgliedschaft in einer anderen, namentlich benannten Organisation unvereinbar ist und ein Aufnahmehindernis oder einen Ausschlussgrund darstellt.“ (Wikipedia) Unvereinbarkeit schließt aus, dass der mit dem Bann der Unvereinbarkeit belegten Organisation Haushaltsmittel, Räume oder Sachleistungen zur Verfügung gestellt werden. Seinen Gebrauch fand das U-Unwort schon früh in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Diese hatte erstmals 1925 entschieden, dass eine Mitgliedschaft in der SPD die gleichzeitige Mitgliedschaft im Internationalen Jugendbund und in der Roten Hilfe ausschließe – und umgekehrt. Nach dem Zweiten Weltkrieg richtete sich in den Westzonen ein entsprechender SPD-Beschluss 1948 (bis zur Aufhebung 2010) gegen die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und in der Bundesrepublik 1960 gegen den Demokratischen Kulturbund Deutschlands, 1961 gegen den Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und 2005 gegen die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG). Mitglieder dieser Organisationen hatten kein Anrecht auf die gleichzeitige Mitgliedschaft in der SPD. Das war formal rechtens. Ob die Beschlüsse politisch klug waren, steht auf einem anderen Blatt.
Anders verhält es sich mit den Gewerkschaften. Es wird argumentiert, dass sie im wirtschaftlichen bzw. sozialen Bereich über eine herausragende Macht- und Monopolstellung verfügen. Deshalb sei die Aufnahme als Mitglied für Lohnabhängige aus beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Gründen von erheblicher Bedeutung. In seiner Rechtsprechung unterwirft der Bundesgerichtshof die Gewerkschaften deshalb einem grundsätzlichen Aufnahmezwang und leitet daraus ein nur begrenztes Ausschlussrecht ab, das ausschließlich im Fall einer gewerkschaftsfeindlichen Betätigung eine Ausnahme zulässt.
Mit dieser Feststellung könnte man die von M. W. erhobene Forderung eines Unvereinbarkeitsbeschluss(es) für den VS bzw. ver.di mit der AfD formalrechtlich als erledigt abhaken. ver.di ist eine Gewerkschaft, und der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) ist als Fachgruppe Literatur Teil der ver.di-Fachgruppe 8. Eine Unvereinbarkeit kommt daher nur dann in Frage, wenn ein AfD-Mitglied sich innerhalb der Organisation gewerkschaftsfeindlich betätigt. In einem solchen Fall greifen die gewerkschaftsinternen Ausschlussmechanismen, ohne dass ein Unvereinbarkeitsbeschluss vorliegen muss. Was aber hat man sich vorzustellen unter einer „gewerkschaftsfeindlichen Betätigung“ innerhalb der Fachgruppe Literatur?
II. Zur Dialektik der Begriffe Nation und Volk
Das von M. H. erhobene Plädoyer für einen gewerkschaftlichen Unvereinbarkeitsbeschluss nimmt nicht nur nachweisliche Handlungen zum Anlass. Gefordert wird die Unvereinbarkeit auch für den Fall einer Nicht-Handlung, nämlich einer Meinungsäußerung. Geahndet werden soll bereits eine reaktionäre Gesinnung, nicht erst die gewerkschaftsfeindliche Tat. Begründet wird das wie folgt:
Das Programm der AfD geht aus von einem … Konstrukt, das sich in zwei Begriffe fassen lässt: Nation und Volk. Prägnanter: Deutschland und Deutsche zuerst.
Zutreffend verweist die Argumentation darauf, dass man bei Nation und Volk von geschichtlich gewordenen Phänomene(n) sprechen kann. Von einem Nationalisten würden beide Begriffe jedoch nicht als überholt und vergänglich angesehen werden, sondern als unhintergehbare geistige Entitäten einer unmittelbaren Evidenz (welch eine bräsige Formulierung!). Die Begriffe Nation und Volk als vergänglich zu bezeichnen, mag angehen (obwohl die Sache so einfach nicht ist; Lebewesen sind vergänglich, aber Begriffe …?). Begriffe sind so lange nicht überholt, so lange sie im Umlauf sind, auch wenn dies in rückwärtsgewandt reaktionärer Absicht und Gesinnung der Fall ist.
Die Begriffe Nation und Volk den Herrschenden und ihrem völkisch-faschistischen Fußvolk kampflos als ideologische Versatzstücke zu überlassen, ist ein politischer Fehler. Nation und Volk sind Termini, deren emanzipatorisch-fortschrittliche Bedeutung nicht übersehen werden darf. So lange Demokratie Volksherrschaft bedeutet, so lange ist die Distanzierung von einem Begriff wie Volk auch ein Abgesang auf die Rolle des Volkes in einer demokratischen Gesellschaftsordnung – also tendenziell antidemokratisch.
Warum sollte das Wort Volk – wenn es in seiner Bedeutung nicht auf den rassistischen Mythos von Blut und Boden verkürzt wird – nicht die gesamte Bevölkerung umfassen, auch die Zugewanderten, Migranten und Flüchtlinge, Männer und Frauen, Kinder und Alten? Warum beinhaltet Deutsch-Sein den Unsinn, den die Rechten damit verbinden: germanisch zu wabern und preußisch zu salutieren? Kann Deutschland nicht einfach begriffen werden als das Territorium des Geltungsbereichs der Verfassung, des Grundgesetzes von 1949? Warum sprechen wir nicht einfach von der Bundesrepublik?
Dem reaktionär vereinnahmten Begriff Nation kann dialektisch eine fortschrittliche, zukunftsweisende Bedeutung entgegen gehalten werden – eine, die das kulturell gewachsene und progressive Element betont, welches im Verlauf der Französischen Revolution mit der Entstehung der Nationalstaaten verbunden war. Wenn Ernst Bloch in sozialistisch-utopischer Absicht vom „Umbau der Welt zur Heimat“ spricht, dann kann darunter sehr wohl auch der Umbau zur Nation als heimatlicher Ort verstanden werden – als Ort von existenzieller Sicherheit und Geborgenheit in zukunftsoffener Perspektive. An diesem geschichtsmächtigem Entwurf kollektiver Verbundenheit hatten Philosophen und Intellektuelle, nicht zuletzt auch bedeutende Schriftsteller, ihren wesentlichen Anteil. Nation und Nationalgefühl weisen einerseits eine dunkle Seite auf. Diese speist sich aus einer Heroisierung und den Mythen der Vergangenheit.
Hieran angedockt, entstand die „rassereine“ völkische Nazi-Gesinnung. Hieraus speist sich auch heute wieder eine in die Geschichte zurückschweifende, dumpfe Deutschtümelei: die identitäre Abgrenzung gegenüber den fremden Anderen, die Pegida-Sehnsucht nach dem Vorgestern, das Ausposaunen einer Alternative, die gar keine ist. Andererseits weist die lichte Seite, die auf eine fortschrittliche Entwicklung abzielende Seite von Nation und Nationalbewusstsein den Weg vorwärts in eine solidarische Zukunft der Freien und Gleichen.
III. Die Rolle politisch-ökonomisch verursachter Krisen und Konflikte
Das Anliegen, sich beim Unvereinbarkeitsbeschluss auf einen einzigen Hauptfeind, auf die nationalistischen und rechtsradikalen Parteien sowie auf die AfD als die bei weitem stärkste explizit nationalistische Gruppierung zu konzentrieren, greift viel zu kurz. Die AfD, so wird dramatisch beschworen, werde alles daran setzen, Einfluss in sämtlichen Sektionen der ver.di zu gewinnen. Die verständliche Aufregung über sie lenkt jedoch von der viel wichtigeren Frage ab, woran es liegen mag, dass sie hohen Zulauf erhält, zahlreich gewählt wird und als Bedrohung für die Gewerkschaft ausgerufen wird.
Die Beantwortung dieser von M. H. vernachlässigten Frage hat eine Oberflächen- und eine Tiefendimension. Sowohl die Angst als auch die Wut, wodurch Teile der Deutschen in die Arme der Rechten flüchten, haben Ursachen. Sie sind einerseits die Folgen einer bedrohlichen Stimmungsmache durch tägliches Krimi-Gruseln, Terrorismus-Bilder und Islamfeindlichkeit, Untergangs-Szenarien, Militarisierung, Russophobie usw. Mehr noch sind sie andererseits die Konsequenz von gesellschaftlichen Entwicklungen, Krisen und Konflikten, die politisch-ökonomische Wurzeln haben.
Stichworte müssen hier genügen, um zunächst die beunruhigenden Oberflächenphänomene anzudeuten. Es handelt sich um:
In der Tiefendimension verweisen sämtliche dieser Krisen und Konfliktfelder direkt oder mittelbar auf das gegenwärtige Wirtschaftssystem der Ausbeutung, der Unterdrückung und der Anhäufung von übermäßigem Reichtum auf Kosten der großen Mehrheit. Das Diktat der Profitmaximierung durch Leistungssteigerung einerseits sowie der Rüstungswahnsinn und der Irrsinn kriegerischer Zerstörungen zum Zweck des profitablen Wiederaufbaus andererseits beherrschen auf allen Ebenen die politisch-ökonomischen Prozesse: vom entfremdeten und geschundenen Individuum bis hin zu den tödlichen Auswirkungen im globalen Ausmaß.
Die zunehmenden Erfolge der AfD-Partei sind eine Reaktion auf die grenzenlos anwachsende Häufung der kapitalistischen und imperialistischen Reichtums- und Machtexpansion sowie auf die damit im Zusammenhang sich verschärfenden Gefahren unterschiedlicher Grade der Vernichtung des Planeten. Sie sind ein Reflex auf die damit einhergehenden Krisen und Konflikte.
Wer sich schon allein durch den Blick auf die Stärke der AfD blenden lässt, der kann nicht erkennen (ja, er stellt nicht einmal die Frage), welche tiefer liegende Ursachen es gibt, die durch einen Unvereinbarkeitsbeschluss allein noch nicht aus den Angeln gehoben oder gar beseitigt werden. Es ist notwendig, wesentlich tiefer zu graben, um die Wurzeln und die Nährböden reaktionärer Ideologie und Politik zu erkennen und Erfolg versprechend bekämpfen zu können.
IV. Die Rolle von Gewerkschaft und Sozialdemokratie
Die antifaschistische Fixierung auf die AfD sowie auf andere politisch rechte Gruppierungen nützt diesen und der Partei mehr als sie ihnen schadet. Auf sie konzentriert sich alles – auch in der von M. W. ausgearbeiteten Begründung für den Unvereinbarkeitsbeschluss. Die Reaktionäre erscheinen als die eigentliche Wurzel allen Übels. Die wahren Verursacher und Verursachungszusammenhänge werden jedoch ausgeblendet und übersehen. Stattdessen erlangen die Partei und ihre Anhänger Aufmerksamkeit und Publizität. Ihnen wird besondere Bedeutung beigemessen, beispielsweise indem es heißt:
Aus diesen Bemerkungen spricht die Überschätzung der Erfolgsaussichten eines Unvereinbarkeitsbeschlusses im Kampf gegen die AfD. Zugleich werden die tieferen politisch-ökonomischen Ursachen der Entstehung der AfD und ihrer zunehmenden Verankerung in der Gesellschaft übersehen bzw. verkannt. Damit einher geht eine massive Fehleinschätzung des DGB und seiner Einzelgewerkschaften. Die Gewerkschaft gilt als
In der Geschichte der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung war das Politische seit jeher eine Sache der Partei. Sache der Gewerkschaft war es hingegen, in Fragen von Lohn, Arbeitsorganisation und innerbetrieblicher Ordnung aktiv zu sein. Das ist heute nicht anders. Zwischen Partei und Gewerkschaft gibt es eine Art Arbeitsteilung. Für das Politische zuständig ist die Partei. Sie, die staatstreue SPD, ist nach Einschätzung von M. W. gegenwärtig allerdings dort, wo sie aktuell hingehört: am Boden.
Diese Argumentation lässt den Schluss zu, dass M. W. der Gewerkschaft jene politische Rolle zutraut, die bisher von der SPD ausgefüllt wurde bzw. werden sollte und von ihr aktuell nicht mehr wahrgenommen wird. Können wir realistisch damit rechnen, dass ver.di oder der gesamte DGB bereit und in der Lage sind, die Rolle der Partei einzunehmen und beispielsweise zum politischen Streik aufzurufen? Mir scheint, dass die Argumentation von M. W. auf Illusionen gründet, hinter welchen der politisch wenig wirksame Zustand des Gewerkschaftssektors der Bundesrepublik wie hinter einem dichten Nebel sich verbirgt. Hier werden Erwartungen in die Welt gesetzt, denen keine Analyse vorausgegangen ist und die keiner ernsthaften Prüfung standhalten.
V. Statt eines Unvereinbarkeitsbeschlusses: drei Notwendigkeiten
Die Forderung nach einem Unvereinbarkeitsbeschluss ist formalrechtlich schwer umsetzbar. Kampflos überlässt sie Begriffe wie Nation und Volk den Herrschenden und ihrem völkisch-faschistischen Fußvolk als ideologische Versatzstücke. Verbissen fokussiert M. W. seine ablehnende Haltung auf die AfD und andere reaktionäre Organisationen. Er nimmt aber nicht deren Wurzeln und Nährböden zur Kenntnis: die politisch-ökonomisch verursachten Krisen und Konflikte. Sein Votum für einen Unvereinbarkeitsbeschluss beruht auf einer Fehleinschätzung hinsichtlich der Rolle der Gewerkschaften.
Was bleibt da noch, um der reaktionären Herausforderung zu widerstehen? Die Antwort lautet, dass mehr und anderes notwendig ist, als die mit ziemlicher Sicherheit zum Scheitern verurteilte Forderung nach einem gewerkschaftlichen Unvereinbarkeitsbeschluss in die moralisch und emotional aufgeladene Debatte zu werfen. Drei Notwendigkeiten stehen an:
Die drei Notwendigkeiten resultieren aus der Überzeugung, dass es gilt, angesichts der AfD, ihrer Ideologie, ihres Personals und ihrer institutionellen Begleiterscheinungen wesentlich tiefer zu graben, um die Wurzeln des Schreckens freizulegen. Ein Unvereinbarkeitsbeschluss trocknet nicht die Nährböden aus und nicht den Schoß, der immer noch fruchtbar ist.
Mit Dank entnommen aus "Unsere Antwort. Die AfD und wir – Schriftsteller*innen und der Rechtspopulismus"
herausgegeben von Klaus Farin, mit Texten von Rudolph Bauer, Zoë Beck, Carlos Collado Seidel, Lena Falkenhagen, Klaus Farin, Nina George, Werner Schlegel, Leonhard F. Seidl, Sophie Sumburane und Michael Wildenhain, Hirnkost-Verlag, Hardcover, 172 Seiten, 12 Euro
Online-Flyer Nr. 660 vom 23.05.2018
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Wurzeln und Böden reaktionärer Ideologie und Politik
Wir sollten wesentlich tiefer graben
Von Rudolph Bauer
Es gibt in Deutschland eine Reihe von gefährlichen Parteien. CDU/CSU, FDP, SPD und GRÜNE gehören ohne Zweifel dazu. Sie haben bereits zur Genüge gezeigt, dass sie im Auftrag des großen (internationalen) Kapitals Krieg nach innen und außen führen: Jugoslawien 1999, Afghanistan ab 2001, Hartz IV 2004, Syrien ab 2011 - um nur einige jüngere Beispiele zu nennen. Sie operieren mit gefakten Feindbildern und erheben Kriminalität zur Staatsräson - siehe Israel. Da reiht sich nun auch die LINKE ein. Eine Partei, die in den vergangenen Jahren einen beträchtlichen Stimmenzuwachs zu verzeichnen hat, ist die so genannte Alternative für Deutschland (AfD). Im Buch "Unsere Antwort. Die AfD und wir – Schriftsteller*innen und der Rechtspopulismus" befassen sich mehrere Autoren mit diesem Phänomen. Einer der Autoren ist Rudolph Bauer. Die NRhZ gibt seinen Beitrag hier wieder.
I. Definition, Geschichte und Rechtsverständnis von Unvereinbarkeit
Unvereinbarkeitsbeschluss (Begriffe und Passagen, die im Wortlaut aus dem Text von Michael Wildenhain übernommen wurden bzw. darauf verweisen, werden nachfolgend kursiv zitiert) ist ein schwerfälliges Siebensilben-Wort, vergleichbar dem Wortungetüm Vorratsdatenspeicherung. Es betrifft „Regelungen von Parteien, Vereinen und Verbänden, nach denen die gleichzeitige Mitgliedschaft in dieser Organisation mit der Mitgliedschaft in einer anderen, namentlich benannten Organisation unvereinbar ist und ein Aufnahmehindernis oder einen Ausschlussgrund darstellt.“ (Wikipedia) Unvereinbarkeit schließt aus, dass der mit dem Bann der Unvereinbarkeit belegten Organisation Haushaltsmittel, Räume oder Sachleistungen zur Verfügung gestellt werden. Seinen Gebrauch fand das U-Unwort schon früh in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Diese hatte erstmals 1925 entschieden, dass eine Mitgliedschaft in der SPD die gleichzeitige Mitgliedschaft im Internationalen Jugendbund und in der Roten Hilfe ausschließe – und umgekehrt. Nach dem Zweiten Weltkrieg richtete sich in den Westzonen ein entsprechender SPD-Beschluss 1948 (bis zur Aufhebung 2010) gegen die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und in der Bundesrepublik 1960 gegen den Demokratischen Kulturbund Deutschlands, 1961 gegen den Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) und 2005 gegen die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG). Mitglieder dieser Organisationen hatten kein Anrecht auf die gleichzeitige Mitgliedschaft in der SPD. Das war formal rechtens. Ob die Beschlüsse politisch klug waren, steht auf einem anderen Blatt.
Anders verhält es sich mit den Gewerkschaften. Es wird argumentiert, dass sie im wirtschaftlichen bzw. sozialen Bereich über eine herausragende Macht- und Monopolstellung verfügen. Deshalb sei die Aufnahme als Mitglied für Lohnabhängige aus beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Gründen von erheblicher Bedeutung. In seiner Rechtsprechung unterwirft der Bundesgerichtshof die Gewerkschaften deshalb einem grundsätzlichen Aufnahmezwang und leitet daraus ein nur begrenztes Ausschlussrecht ab, das ausschließlich im Fall einer gewerkschaftsfeindlichen Betätigung eine Ausnahme zulässt.
Mit dieser Feststellung könnte man die von M. W. erhobene Forderung eines Unvereinbarkeitsbeschluss(es) für den VS bzw. ver.di mit der AfD formalrechtlich als erledigt abhaken. ver.di ist eine Gewerkschaft, und der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) ist als Fachgruppe Literatur Teil der ver.di-Fachgruppe 8. Eine Unvereinbarkeit kommt daher nur dann in Frage, wenn ein AfD-Mitglied sich innerhalb der Organisation gewerkschaftsfeindlich betätigt. In einem solchen Fall greifen die gewerkschaftsinternen Ausschlussmechanismen, ohne dass ein Unvereinbarkeitsbeschluss vorliegen muss. Was aber hat man sich vorzustellen unter einer „gewerkschaftsfeindlichen Betätigung“ innerhalb der Fachgruppe Literatur?
II. Zur Dialektik der Begriffe Nation und Volk
Das von M. H. erhobene Plädoyer für einen gewerkschaftlichen Unvereinbarkeitsbeschluss nimmt nicht nur nachweisliche Handlungen zum Anlass. Gefordert wird die Unvereinbarkeit auch für den Fall einer Nicht-Handlung, nämlich einer Meinungsäußerung. Geahndet werden soll bereits eine reaktionäre Gesinnung, nicht erst die gewerkschaftsfeindliche Tat. Begründet wird das wie folgt:
Das Programm der AfD geht aus von einem … Konstrukt, das sich in zwei Begriffe fassen lässt: Nation und Volk. Prägnanter: Deutschland und Deutsche zuerst.
Zutreffend verweist die Argumentation darauf, dass man bei Nation und Volk von geschichtlich gewordenen Phänomene(n) sprechen kann. Von einem Nationalisten würden beide Begriffe jedoch nicht als überholt und vergänglich angesehen werden, sondern als unhintergehbare geistige Entitäten einer unmittelbaren Evidenz (welch eine bräsige Formulierung!). Die Begriffe Nation und Volk als vergänglich zu bezeichnen, mag angehen (obwohl die Sache so einfach nicht ist; Lebewesen sind vergänglich, aber Begriffe …?). Begriffe sind so lange nicht überholt, so lange sie im Umlauf sind, auch wenn dies in rückwärtsgewandt reaktionärer Absicht und Gesinnung der Fall ist.
Die Begriffe Nation und Volk den Herrschenden und ihrem völkisch-faschistischen Fußvolk kampflos als ideologische Versatzstücke zu überlassen, ist ein politischer Fehler. Nation und Volk sind Termini, deren emanzipatorisch-fortschrittliche Bedeutung nicht übersehen werden darf. So lange Demokratie Volksherrschaft bedeutet, so lange ist die Distanzierung von einem Begriff wie Volk auch ein Abgesang auf die Rolle des Volkes in einer demokratischen Gesellschaftsordnung – also tendenziell antidemokratisch.
Warum sollte das Wort Volk – wenn es in seiner Bedeutung nicht auf den rassistischen Mythos von Blut und Boden verkürzt wird – nicht die gesamte Bevölkerung umfassen, auch die Zugewanderten, Migranten und Flüchtlinge, Männer und Frauen, Kinder und Alten? Warum beinhaltet Deutsch-Sein den Unsinn, den die Rechten damit verbinden: germanisch zu wabern und preußisch zu salutieren? Kann Deutschland nicht einfach begriffen werden als das Territorium des Geltungsbereichs der Verfassung, des Grundgesetzes von 1949? Warum sprechen wir nicht einfach von der Bundesrepublik?
Dem reaktionär vereinnahmten Begriff Nation kann dialektisch eine fortschrittliche, zukunftsweisende Bedeutung entgegen gehalten werden – eine, die das kulturell gewachsene und progressive Element betont, welches im Verlauf der Französischen Revolution mit der Entstehung der Nationalstaaten verbunden war. Wenn Ernst Bloch in sozialistisch-utopischer Absicht vom „Umbau der Welt zur Heimat“ spricht, dann kann darunter sehr wohl auch der Umbau zur Nation als heimatlicher Ort verstanden werden – als Ort von existenzieller Sicherheit und Geborgenheit in zukunftsoffener Perspektive. An diesem geschichtsmächtigem Entwurf kollektiver Verbundenheit hatten Philosophen und Intellektuelle, nicht zuletzt auch bedeutende Schriftsteller, ihren wesentlichen Anteil. Nation und Nationalgefühl weisen einerseits eine dunkle Seite auf. Diese speist sich aus einer Heroisierung und den Mythen der Vergangenheit.
Hieran angedockt, entstand die „rassereine“ völkische Nazi-Gesinnung. Hieraus speist sich auch heute wieder eine in die Geschichte zurückschweifende, dumpfe Deutschtümelei: die identitäre Abgrenzung gegenüber den fremden Anderen, die Pegida-Sehnsucht nach dem Vorgestern, das Ausposaunen einer Alternative, die gar keine ist. Andererseits weist die lichte Seite, die auf eine fortschrittliche Entwicklung abzielende Seite von Nation und Nationalbewusstsein den Weg vorwärts in eine solidarische Zukunft der Freien und Gleichen.
III. Die Rolle politisch-ökonomisch verursachter Krisen und Konflikte
Das Anliegen, sich beim Unvereinbarkeitsbeschluss auf einen einzigen Hauptfeind, auf die nationalistischen und rechtsradikalen Parteien sowie auf die AfD als die bei weitem stärkste explizit nationalistische Gruppierung zu konzentrieren, greift viel zu kurz. Die AfD, so wird dramatisch beschworen, werde alles daran setzen, Einfluss in sämtlichen Sektionen der ver.di zu gewinnen. Die verständliche Aufregung über sie lenkt jedoch von der viel wichtigeren Frage ab, woran es liegen mag, dass sie hohen Zulauf erhält, zahlreich gewählt wird und als Bedrohung für die Gewerkschaft ausgerufen wird.
Die Beantwortung dieser von M. H. vernachlässigten Frage hat eine Oberflächen- und eine Tiefendimension. Sowohl die Angst als auch die Wut, wodurch Teile der Deutschen in die Arme der Rechten flüchten, haben Ursachen. Sie sind einerseits die Folgen einer bedrohlichen Stimmungsmache durch tägliches Krimi-Gruseln, Terrorismus-Bilder und Islamfeindlichkeit, Untergangs-Szenarien, Militarisierung, Russophobie usw. Mehr noch sind sie andererseits die Konsequenz von gesellschaftlichen Entwicklungen, Krisen und Konflikten, die politisch-ökonomische Wurzeln haben.
Stichworte müssen hier genügen, um zunächst die beunruhigenden Oberflächenphänomene anzudeuten. Es handelt sich um:
- politische Krisen und Konflikte: z.B. rechte Regierungsmehrheiten und Sezessionsbestrebungen in der EU; Große Koalitionen; sog. Politikverdrossenheit; Militarismus und Kriegseinsätze entgegen deren mehrheitlicher Ablehnung seitens der Bevölkerung; Rüstungsexporte in Krisenregionen; Tabuisierung linker Regierungsmehrheiten; das Versagen der Medien als kritische Instanz; Vorratsdatenspeicherung; Staatstrojaner usw.;
- ökonomische Krisen und Konfliktlagen: Bankenkrise; Umweltzerstörung und Klimawandel; Globalisierung; Dieselskandal; Investitionsstau in den Bereichen für Bildung und Infrastruktur; Maßnahmen und Folgen der Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge; steigende Mieten usw.;
- gesellschaftliche Krisen und Konfliktherde entlang der Widersprüche arm/reich, alt/jung, gesund/krank, Deutsche/Ausländer, christlich-jüdisch vs. islamisch, feste vs. prekäre Beschäftigung; Arbeitslosigkeit, Hartz IV und Mindestlöhne; Massenmigration; Antisemitismus als Tendenz und Etikettierung; soziale Folgen der Ökonomisierung und Kommerzialisierung aller Lebensbereiche usw.
In der Tiefendimension verweisen sämtliche dieser Krisen und Konfliktfelder direkt oder mittelbar auf das gegenwärtige Wirtschaftssystem der Ausbeutung, der Unterdrückung und der Anhäufung von übermäßigem Reichtum auf Kosten der großen Mehrheit. Das Diktat der Profitmaximierung durch Leistungssteigerung einerseits sowie der Rüstungswahnsinn und der Irrsinn kriegerischer Zerstörungen zum Zweck des profitablen Wiederaufbaus andererseits beherrschen auf allen Ebenen die politisch-ökonomischen Prozesse: vom entfremdeten und geschundenen Individuum bis hin zu den tödlichen Auswirkungen im globalen Ausmaß.
Die zunehmenden Erfolge der AfD-Partei sind eine Reaktion auf die grenzenlos anwachsende Häufung der kapitalistischen und imperialistischen Reichtums- und Machtexpansion sowie auf die damit im Zusammenhang sich verschärfenden Gefahren unterschiedlicher Grade der Vernichtung des Planeten. Sie sind ein Reflex auf die damit einhergehenden Krisen und Konflikte.
Wer sich schon allein durch den Blick auf die Stärke der AfD blenden lässt, der kann nicht erkennen (ja, er stellt nicht einmal die Frage), welche tiefer liegende Ursachen es gibt, die durch einen Unvereinbarkeitsbeschluss allein noch nicht aus den Angeln gehoben oder gar beseitigt werden. Es ist notwendig, wesentlich tiefer zu graben, um die Wurzeln und die Nährböden reaktionärer Ideologie und Politik zu erkennen und Erfolg versprechend bekämpfen zu können.
IV. Die Rolle von Gewerkschaft und Sozialdemokratie
Die antifaschistische Fixierung auf die AfD sowie auf andere politisch rechte Gruppierungen nützt diesen und der Partei mehr als sie ihnen schadet. Auf sie konzentriert sich alles – auch in der von M. W. ausgearbeiteten Begründung für den Unvereinbarkeitsbeschluss. Die Reaktionäre erscheinen als die eigentliche Wurzel allen Übels. Die wahren Verursacher und Verursachungszusammenhänge werden jedoch ausgeblendet und übersehen. Stattdessen erlangen die Partei und ihre Anhänger Aufmerksamkeit und Publizität. Ihnen wird besondere Bedeutung beigemessen, beispielsweise indem es heißt:
- Im Falle eines umfassenderen Erfolgs der AfD würde die Politik der Partei zwingend zu einer Erosion Europas führen … (als ob die EU nicht längst schon erodiert).
- Wenn es der Partei nicht versagt wird, wird sie ihre Positionen innerhalb der Gewerkschaften ausbauen. (Hängt es nicht in erster Linie vom Bewusstsein der organisierten Mitglieder und von den demokratischen Strukturen einer Gewerkschaft ab, ob die AfD gewerkschaftliche Positionen einnehmen und ausbauen kann?)
- Die Einheitsgewerkschaft … könnte sich im schlechtesten Fall ins genaue Gegenteil verkehren.
- Der DGB würde dann zum Transmissionsriemen einer gesellschaftlichen Wende nach rechts. (Ein ,interessanter‘ Gedanke, hier noch im Konjunktiv.)
Aus diesen Bemerkungen spricht die Überschätzung der Erfolgsaussichten eines Unvereinbarkeitsbeschlusses im Kampf gegen die AfD. Zugleich werden die tieferen politisch-ökonomischen Ursachen der Entstehung der AfD und ihrer zunehmenden Verankerung in der Gesellschaft übersehen bzw. verkannt. Damit einher geht eine massive Fehleinschätzung des DGB und seiner Einzelgewerkschaften. Die Gewerkschaft gilt als
- mächtiger Akteur mit Millionen Mitgliedern,
- Versicherung gegen nationalistische und neonazistische Kräfte,
- Transmissionsriemen,
- Bollwerk gegen nationalistische und extrem rechte Bestrebungen,
- Raum, in dem die Diskussion für einen notwendigen Neuanfang linker Politik … organisiert werden kann.
In der Geschichte der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung war das Politische seit jeher eine Sache der Partei. Sache der Gewerkschaft war es hingegen, in Fragen von Lohn, Arbeitsorganisation und innerbetrieblicher Ordnung aktiv zu sein. Das ist heute nicht anders. Zwischen Partei und Gewerkschaft gibt es eine Art Arbeitsteilung. Für das Politische zuständig ist die Partei. Sie, die staatstreue SPD, ist nach Einschätzung von M. W. gegenwärtig allerdings dort, wo sie aktuell hingehört: am Boden.
Diese Argumentation lässt den Schluss zu, dass M. W. der Gewerkschaft jene politische Rolle zutraut, die bisher von der SPD ausgefüllt wurde bzw. werden sollte und von ihr aktuell nicht mehr wahrgenommen wird. Können wir realistisch damit rechnen, dass ver.di oder der gesamte DGB bereit und in der Lage sind, die Rolle der Partei einzunehmen und beispielsweise zum politischen Streik aufzurufen? Mir scheint, dass die Argumentation von M. W. auf Illusionen gründet, hinter welchen der politisch wenig wirksame Zustand des Gewerkschaftssektors der Bundesrepublik wie hinter einem dichten Nebel sich verbirgt. Hier werden Erwartungen in die Welt gesetzt, denen keine Analyse vorausgegangen ist und die keiner ernsthaften Prüfung standhalten.
V. Statt eines Unvereinbarkeitsbeschlusses: drei Notwendigkeiten
Die Forderung nach einem Unvereinbarkeitsbeschluss ist formalrechtlich schwer umsetzbar. Kampflos überlässt sie Begriffe wie Nation und Volk den Herrschenden und ihrem völkisch-faschistischen Fußvolk als ideologische Versatzstücke. Verbissen fokussiert M. W. seine ablehnende Haltung auf die AfD und andere reaktionäre Organisationen. Er nimmt aber nicht deren Wurzeln und Nährböden zur Kenntnis: die politisch-ökonomisch verursachten Krisen und Konflikte. Sein Votum für einen Unvereinbarkeitsbeschluss beruht auf einer Fehleinschätzung hinsichtlich der Rolle der Gewerkschaften.
Was bleibt da noch, um der reaktionären Herausforderung zu widerstehen? Die Antwort lautet, dass mehr und anderes notwendig ist, als die mit ziemlicher Sicherheit zum Scheitern verurteilte Forderung nach einem gewerkschaftlichen Unvereinbarkeitsbeschluss in die moralisch und emotional aufgeladene Debatte zu werfen. Drei Notwendigkeiten stehen an:
- Es ist notwendig, dass sich der VS kritisch positioniert, ohne mit Hilfe der Unvereinbarkeit den Ausschluss von Mitgliedern der AfD zu exekutieren. Letztere sollen begreifen, dass sie im VS politisch keine Chance haben. Am 10. Mai 1933 haben Studenten, Professoren und Mitglieder der NS-Parteiorgane in Berlin und in 21 weiteren Universitätsstädten die Werke von pazifistischen und anderen oppositionellen oder politisch verfemten, sozialdemokratischen, kommunistischen und jüdischen Autorinnen und Autoren verbrannt. Viele von ihnen mussten ihre Zuflucht im Ausland suchen und retteten sich durch den schwierigen Weg in das Exil. Der VS sollte regelmäßig (aber nicht rituell!) an die NS-Bücherverbrennung und den Exodus der deutschen Schriftstellerkolleginnen und -kollegen erinnern. Daraus erwächst ihm die Verpflichtung, sich für das Asylrecht politisch verfolgter Schriftstellerinnen und Schriftsteller einzusetzen. Angesichts der Konzentration im Verlagswesen ist es erforderlich, dass der VS die Arbeit von unabhängigen freien Autoren, Übersetzern und Verlagen bekannt macht, sie ideell und materiell fördert. Neben diesen Beispielen praktischer Positionierung muss der VS auch schriftlich Position beziehen – und zwar in einer Art und Weise, die es klar darauf anlegt, dumpfsinnigen Zeitgenossen die Mitgliedschaft zu vereiteln. Wenn es dem VS ernst ist mit dem Kampf gegen Rechts, für Demokratie und Fortschritt, sollten das Motto und die Veranstaltungen des Literaturkongresses 2019 inhaltlich darauf ausgerichtet werden.
- Es ist notwendig, dass die Gewerkschaft ver.di auf Orts-, Bezirks-, Landes- und Bundesebene jede Art von Zusammenarbeit mit der AfD ablehnt und dies durch einen Beschluss bekräftigt. Gleiches gilt für die Zusammenarbeit mit den der Partei nahestehenden Organisationen. Die Nazis haben die Gewerkschaften 1933 zerschlagen und gleichgeschaltet. Die Gewerkschaftshäuser wurden besetzt, die Streikkassen konfisziert. In Erinnerung an die gewerkschaftlichen Erfahrungen zur Zeit der NS-Diktatur und als Lehre aus der Vergangenheit, aber auch mit Blick auf vergleichbare Regime in der Gegenwart muss ver.di über die Ursachen der Entstehung und des Erfolges von rechten Organisationen sowie der Motive ihrer Mitglieder, Anhänger und Sympathisanten aufklären. Zentraler Teil gewerkschaftlicher Bildungsarbeit hätte es zu sein, die politischen und ökonomischen Zusammenhänge, Krisen und Konflikte zu thematisieren und damit auch in die anderen Fachbereiche von ver.di sowie in die übrigen Einzelgewerkschaften hineinzuwirken.
- Es ist notwendig, dass sich der DGB für eine Politik stark macht, welche dem Frieden dient und die Interessen aller Lohnabhängigen vertritt: der einheimischen ebenso wie der geflüchteten und der Arbeitsmigranten, der Kolleginnen und Kollegen in den Ländern der EU, ferner des Proletariats international. 1939 hat das Nazi-Regime den Zweiten Weltkrieg begonnen, die Männer der Arbeiterklasse an die Front geschickt, die Frauen für die Rüstungsindustrie rekrutiert, Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter geschunden und zu Tode gebracht. Daher ist es die Pflicht des DGB, den Kampf gegen Rechts zu erweitern und zu konkretisieren: ihn als Kampf gegen Militarisierung und Militarismus zu führen, gegen Rüstungsproduktion, für Konversion, gegen den Export von Waffen und Kriegsmaterial, gegen die Entsendung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in andere Länder, für Frieden und gerechte Entwicklung hierzulande und weltweit. Demokratie und gesellschaftlicher Fortschritt brauchen Frieden, Völkerverständigung und Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen.
Die drei Notwendigkeiten resultieren aus der Überzeugung, dass es gilt, angesichts der AfD, ihrer Ideologie, ihres Personals und ihrer institutionellen Begleiterscheinungen wesentlich tiefer zu graben, um die Wurzeln des Schreckens freizulegen. Ein Unvereinbarkeitsbeschluss trocknet nicht die Nährböden aus und nicht den Schoß, der immer noch fruchtbar ist.
Mit Dank entnommen aus "Unsere Antwort. Die AfD und wir – Schriftsteller*innen und der Rechtspopulismus"
herausgegeben von Klaus Farin, mit Texten von Rudolph Bauer, Zoë Beck, Carlos Collado Seidel, Lena Falkenhagen, Klaus Farin, Nina George, Werner Schlegel, Leonhard F. Seidl, Sophie Sumburane und Michael Wildenhain, Hirnkost-Verlag, Hardcover, 172 Seiten, 12 Euro
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