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Globales
Betrachtung zur US-Strategie in Syrien
Haben die USA die Assad-muss-weg-Politik begraben?
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Die Bevölkerung Syriens sehnt ihn dringlichst herbei: den gesicherten, andauernden Frieden. Dank des Eingreifens Russlands ist Syrien dem Frieden ein gutes Stück näher gekommen. Doch die weitere Entwicklung hängt von der Strategie der USA ab, die den Krieg in das Land hineingetragen haben. Am 19. Juli 2017, zwölf Tage nach dem G20-Treffen von Trump mit Putin, erscheint in der "Washington Post" ein Artikel mit dem Titel „Trump beendet das CIA-Programm, die Anti-Assad-Rebellen in Syrien zu bewaffnen – ein von Moskau begehrter Schritt“. Darin ist zu lesen: „Mit einem Schritt, der das Interesse widerspiegelt, mit Russland zusammenzuarbeiten, hat Präsident Trump beschlossen, das geheime CIA-Programm zur Unterstützung der gegen Präsident Baschar al-Assad kämpfenden syrischen Rebellen zu beenden.“ (1) Gibt es diesen Schritt tatsächlich? Und wenn ja: bedeutet er das generelle Ende der kriminellen Einmischung in das souveräne Land?

Am 25. Juli 2017 greift US-Präsident Donald Trump auf Twitter die "Washington Post" an. Die im Besitz von Amazon-Gründer Jeff Bezos befindliche Zeitung habe Fakten bezüglich seiner Beendigung der „massiven, gefährlichen und verschwenderischen Zahlungen an syrische, gegen Assad kämpfende Rebellen“ erfunden (The Amazon Washington Post fabricated the facts on my ending massive, dangerous, and wasteful payments to Syrian rebels fighting Assad). (2)

"Der Spiegel" – wie auch andere Medien – eliminiert die Kritik Trumps aus dessen Twitter-Post und bringt am 25. Juli einen Artikel mit dem Titel „Trump bestätigt Ende der Unterstützung für Anti-Assad-Rebellen“. Darin heißt es: „Donald Trump verkündete die Botschaft via Twitter: Er habe die 'massiven, gefährlichen und verschwenderischen Zahlungen an syrische Rebellen, die gegen Assad kämpfen, beendet', schrieb der US-Präsident. Er bestätigte damit erstmals selbst, dass er die unter Barack Obama gestartete Unterstützung gestoppt hat.“ (3) Dass Trump von "erfundenen Fakten" spricht, unterschlägt "Der Spiegel". Der britische "Telegraph" hingegen fragt am 25. Juli: „Hat Donald Trump die Existenz des verdeckten CIA-Programms auf Twitter bestätigt?“ (4)

Ein "Offizier der Aufklärung" meldet sich zu Wort

Bereits einen Tag zuvor, am 24. Juli 2017, hatte Scott Ritter – ehemals Geheimdienstoffizier im US Marine Corps, im deutschen wikipedia als "Offizier der Aufklärung" deklariert (5) – in "The American Conservative" die Darstellung der "Washington Post" aufgegriffen und veröffentlicht einen Artikel mit der Überschrift „Abschied vom Regimewechsel in Syrien – Trumps Entschluss, die Waffenlieferungen an Terroristen einzustellen, verändert alles“. Darin ist zu lesen: „Präsident Donald Trump hat angeordnet, dass die CIA damit beginnen soll, ihr Ausbildungs- und Ausrüstungsprogramm zur verdeckten Unterstützung der so genannten 'gemäßigten', gegen das Regime von Syriens Präsident Baschar al-Assad kämpfenden Rebellen auslaufen zu lassen.“ (6)

Auch die "Deutschen Wirtschafts Nachrichten" erkennen in der laut Donald Trump erfundenen Darstellung die Realität. Am 14. September ist dort zu lesen: „Neben dem Pentagon hatte die CIA unter dem Codenamen 'Timber Sycamore' eine verdeckte Operation laufen, mit der unter anderem die so genannte 'Freie Syrische Armee' und, wie die [Süddeutsche Zeitung] SZ schreibt, 'andere vorab als politisch unbedenklich eingestufte Gruppen für den Kampf gegen Präsident Baschar al-Assad trainiert und mit Waffen versorgt' wurden. Das CIA-Programm war von US-Präsident Trump vor einigen Monaten beendet worden. Allerdings ist unklar, ob das Programm noch läuft.“ (7) Kurios diese Formulierung: wie kann etwas Beendetes noch laufen?

Am 14. September 2017 bringt "Rubikon" den Artikel von Scott Ritter in deutscher Übersetzung – bedauerlicherweise ohne zeitlichen Bezug und ohne skeptische Distanz (8). Der Artikel beginnt mit folgender Passage: „Präsident Donald Trump hat angeordnet, dass die CIA ihr Ausbildungs- und Ausrüstungsprogramm zur verdeckten Unterstützung der so genannten 'gemäßigten' Rebellen im Kampf gegen das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad auslaufen lassen soll. Das Programm war die Speerspitze des übergeordneten Ziels eines Regimewechsels, dessen Verfolgung seit September 2013 offizielle Politik der Vereinigten Staaten war, als Präsident Obama nach einem Chemie-Angriff in Ghuta bei Damaskus mit Hunderten von zivilen Opfern erklärt hatte: 'Assad muss gehen'.“

Wer für den Chemie-Angriff verantwortlich gemacht wird, wird nicht explizit formuliert. Aber indem Scott Ritter Obamas Reaktion "Assad muss gehen" erwähnt ohne die Urheberschaft in Frage zu stellen, bleibt im Raum stehen, dass es Assad gewesen sein muss, der den Chemie-Angriff zu verantworten hat.

Weiter Scott Ritter: „Mit diesem Schritt entfernt sich Präsident Trump vom Standpunkt, dass Amerika eine aktive Rolle spielen müsse, um den Abgang des syrischen Präsidenten zu erzwingen, und ist stattdessen bereit, die Entscheidung über Assads Schicksal dem syrischen Volk und seinen Verbündeten zu überlassen. Trumps Entschluss, die Unterstützung der 'gemäßigten' Rebellen zu beenden, ist zwar kein Ausdruck einer Politik, die einen Regimewechsel in Syrien verwirft, zeigt aber doch deutlich wie nie zuvor, dass die Vereinigten Staaten ihren Kurs geändert haben und nicht mehr versuchen, einen Regimewechsel in Damaskus als Vorbedingung für eine politische Lösung der syrischen Krise zu erzwingen.“

Was wird damit zum Ausdruck gebracht? Die Artikelüberschrift „Abschied vom Regimewechsel in Syrien“ suggeriert, die USA hätten sich von ihrer Politik des Regime-Change verabschiedet. Doch der Artikel besagt das Gegenteil. Trumps (angeblicher) Entschluss sei „kein Ausdruck einer Politik, die einen Regimewechsel in Syrien verwirft“. Das heißt doch im Klartext, dass der Regimewechsel in Syrien weiterhin Ziel der USA ist.

Weiter Scott Ritter: „Das Ausbildungs- und Ausrüstungsprogramm der CIA lässt sich zurückverfolgen bis zum Frühjahr 2011, als in Libyen eine Revolution gegen die diktatorische Herrschaft von Muammar al-Gaddafi ausbrach.“

Es klingt höchst eigenartig, wenn formuliert wird, in Libyen – dem Land mit dem höchsten Lebensstandard in ganz Afrika – sei eine Revolution "ausgebrochen" – gegen die "diktatorische Herrschaft" Gaddafis – des Revolutionsführers, der seinem Land den beachtlichen Wohlstand gebracht hatte und der ganz Afrika aus der Abhängigkeit vom US-Imperium befreien wollte. (9)

Erfolglose Politik der Vergangenheit zügeln?

Der Artikel von Scott Ritter endet mit folgender Passage: „Die Entscheidung von Präsident Trump, Timber Sycamore zu beenden, und damit Obamas 'Assad muss weg'-Politik gleich mit zu begraben, ist in diesem Kontext der bis jetzt eindeutigste Ausdruck seines Willens, die erfolglose Politik der Vergangenheit zu zügeln. Diese Entscheidung des Präsidenten ist ein Befreiungsschlag für die Vereinigten Staaten, die sich nun dem Kampf gegen den IS und den islamischen Extremismus widmen können, einem Kampf, der nicht mehr von einer Politik behindert wird, die den Interessen Amerikas kaum zuträglich ist und gleichzeitig seine Gegner stärkt. Durch die Zusammenarbeit mit Russland mit dem Hauptziel der Zerschlagung des IS versetzt Präsident Trump die Vereinigten Staaten in die Lage, eine wichtige Rolle bei der Gestaltung einer politischen Lösung für Syrien, die dem syrischen Volk und der Region Frieden bringen wird, zu spielen. Der Weg zu einer solchen Lösung wird nicht einfach werden und es ist ungewiss, ob es sie überhaupt geben wird. Timber Sycamore aber war in diesem Zusammenhang nur ein Klotz am Bein, und Präsident Trump tat gut daran, diesen abzuschütteln.“

Wie ist diese Darstellung des "ehemaligen Offiziers der Aufklärung", die sich im Kern mit der Darstellung weiter Teile der Herrschaftsmedien deckt, einzuschätzen? Dient sie tatsächlich der Aufklärung? Oder dient sie der Beruhigung der Weltöffentlichkeit? Scott schreibt von einer „erfolglosen Politik der Vergangenheit“. Worin hätte der Erfolg bestanden? Und wäre es aus seiner Perspektive besser gewesen, sie wäre erfolgreich verlaufen – wie in Libyen bei der Beendigung der mit seinen Worten „diktatorischen Herrschaft“ Gaddafis?

Es ist zu wünschen, dass die Darstellung, nach der es Trump jetzt darum geht, im Verbund mit Russland die erfolglose Politik der Vergangenheit zu zügeln, die Assad-muss-weg-Politik zu begraben und Syrien Frieden zu bringen, zutrifft. Und es ist zu wünschen, dass es tatsächlich darum geht, dem so genannten Islamischen Staat, der nach Trumps Aussagen eine Kreation von Barack Obama und Hillary Clinton ist (10)(11), das mörderische Handwerk zu legen. Doch seit Mitte Juli 2017 ist viel Zeit vergangen und die Kräfte des Krieges waren nicht untätig. Am 18. August 2017 musste Trumps – vielfach als "rechts" etikettierter – Strategiechef Stephen Bannon gehen. Die New York Times schrieb einen Tag zuvor: „Von Afghanistan und Nordkorea bis Syrien und Venezuela argumentierte Herr Bannon gegen militärische Drohungen oder die Entsendung amerikanischer Truppen in ausländische Konflikte.“ Bannon habe das "globalistische Imperialprojekt" (globalist empire project) rundweg abgelehnt. (12)

Können wir trotz allem davon ausgehen, dass der verdeckte Krieg der USA gegen Syrien jetzt tatsächlich beendet wird? Zu hoffen ist es. Zu befürchten ist das Gegenteil.


Quellen:

1 Trump ends covert CIA program to arm anti-Assad rebels in Syria, a move sought by Moscow
Greg Jaffe und Adam Entous in "Washington Post", 19.07.2017
https://www.washingtonpost.com/world/national-security/trump-ends-covert-cia-program-to-arm-anti-assad-rebels-in-syria-a-move-sought-by-moscow/2017/07/19/b6821a62-6beb-11e7-96ab-5f38140b38cc_story.html?utm_term=.7f8dbfe2f4fc

2 The Amazon Washington Post fabricated the facts on my ending massive, dangerous, and wasteful payments to Syrian rebels fighting Assad.....
Donald J. Trump (@realDonaldTrump) bei Twitter, 25.07.2017
https://twitter.com/realDonaldTrump/status/889672374458646528

3 Syrienkonflikt: Trump bestätigt Ende der Unterstützung für Anti-Assad-Rebellen
"Spiegel" am 25.07.2017
http://www.spiegel.de/politik/ausland/donald-trump-bestaetigt-ende-der-us-unterstuetzung-fuer-anti-assad-rebellen-a-1159539.html

4 Did Donald Trump confirm existence of a covert CIA programme on Twitter?
Chris Graham in "The Telegraph, 25.07.2017
http://www.telegraph.co.uk/news/2017/07/25/did-donald-trump-confirm-existence-covert-cia-programme-twitter/

5 Wikipedia über Scott Ritter
https://en.wikipedia.org/wiki/Scott_Ritter
https://de.wikipedia.org/wiki/Scott_Ritter

6 Say Goodbye to Regime Change in Syria
Trump's decision to stop sending arms to rebels alters everything.
Scott Ritter in der "The American Conservative", 24.07.2017
http://www.theamericanconservative.com/articles/say-goodbye-to-regime-change-in-syria/

7 USA: Milliarden für Waffen aus Osteuropa, um Assad zu stürzen
Deutsche Wirtschafts Nachrichten, 13.09.2017
https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2017/09/13/usa-milliarden-fuer-waffen-aus-osteuropa-um-assad-zu-stuerzen/

8 Abschied vom Regimewechsel in Syrien
Trumps Entschluss, die Waffenlieferungen an Terroristen einzustellen, verändert alles in Syrien.
Scott Ritter in deutscher Übersetzung bei "Rubikon", 14.09.2017
https://www.rubikon.news/artikel/abschied-vom-regimewechsel-in-syrien

9 Operation Nordafrika
Arbeiterfotografie zu den Vorgängen in Tunesien, Ägypten, Libyen und Syrien seit 2011
http://www.arbeiterfotografie.com/nordafrika
u.a. mit folgenden Beiträgen:
Schauspiel in drei Akten
http://www.arbeiterfotografie.com/nordafrika/nordafrika-0005.shtml
Libyen: Die Schlächter sind unter uns. Stoppen wir sie! (Appell des Bundesverbands Arbeiterfotografie vom 21.3.2011)
http://www.arbeiterfotografie.com/nordafrika/nordafrika-0012.shtml

10 Trump: Obama, Clinton co-founded ISIS
Videoaufzeichnung von USA TODAY vom 11.08.2016
https://www.youtube.com/watch?v=mCHuZM_9qTk

11 'He is the founder of ISIS': Trump repeatedly claims Obama is to blame for creating the terror group and calls Hillary its 'co-founder'
Daily Mail, 01.08.2016
http://www.dailymail.co.uk/news/article-3734124/He-founded-ISIS-Trump-claims-Obama-deserves-credit-creating-Middle-Eastern-terror-army-names-crooked-Hillary-founder.html

12 Bannon’s Dovish Side Emerges as He Contradicts Trump on North Korea
Mark Landler in der New York Times, 17.08.2017
From Afghanistan and North Korea to Syria and Venezuela, Mr. Bannon, the president’s chief strategist, has argued against making military threats or deploying American troops into foreign conflicts...
https://www.nytimes.com/2017/08/17/us/politics/steve-bannon-nationalism-trump.html

Online-Flyer Nr. 629  vom 20.09.2017

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