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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Globales
CDU-Kauder versucht sich als Zuchtmeister für Vietnam
Wer im Glashaus sitzt
Von Heinz W. Hammer

Zahlreiche online- und Printmedien veröffentlichten am 25. und 26. August Meldungen über den ersten Besuch des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder in der Sozialistischen Republik Vietnam, wobei sie sich allesamt auf eine entsprechende dpa-Meldung stützten, die wiederum auf die Pressemitteilung von Kauder zurückging. (1) Die Pressemeldungen waren durchweg mit dem Tenor »Kauder verlangt in Vietnam Glaubensfreiheit« (nd, 26.08.) betitelt. In der CDU-Pressemitteilung heißt es wörtlich: »Die kommunistische Regierung von Vietnam ist zu einem vertieften Dialog über Menschenrechtsfragen bereit. Damit legt sie die Grundlage für einen weiteren Ausbau der Beziehungen mit Deutschland, auch der wirtschaftlichen. Den Ankündigungen sollten nun rasch Taten folgen.«

CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender Volker Kauder
NRhZ-Archiv
 
Im Münchner Merkur heißt es ergänzend: »Kauder sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Ich hoffe, dass die kommunistische Regierung in Hanoi erkannt hat, dass wirtschaftliche und politische Freiheit auf Dauer nicht auseinander fallen können.“ Vertreter der deutschen Wirtschaft lobten Vietnam als Land mit hohen Wachstumsraten und großen Chancen. Kauder mahnte aber: „Ein Land wird nur dann wirtschaftlich erfolgreich sein, wenn es seinen Bürgern auch ein Mindestmaß an Freiheit zubilligt.“« (2)
 
Wofür und in welcher Tradition steht dieser Herr Kauder, der dem sozialistischen Vietnam hier so unverblümt Vorschriften machen will? Und: Welche Rolle spielten die von Kauder repräsenterte Partei und die ehemalige BRD im Vernichtungskrieg der USA gegen Vietnam?
 
Erinnerungen an Vietnam
 
In ihrem Buch »Sieg in Saigon – Erinnerungen an Vietnam« (Pahl-Rugenstein, Bonn, 2005) berichten Irene und Gerhard Feldbauer sehr anschaulich über diese Rolle. Unter der Überschrift »Nazi-Diplomaten Botschafter in Saigon« (S.113f.) erinnern sie sich:
 
»Als wir unsere Arbeit in Hanoi aufnahmen, war in Saigon ein Dr. Wilhelm Kopf Bonns Chefdiplomat, der sich seine Sporen bereits unter Hitler verdient hatte. Im Dezember 1968 wurde ein Dr. Horst von Rom sein Nachfolger. Er war im Dritten Reich Mitarbeiter der faschistischen Justiz, was seine Karriere in der Bundesrepublik in keiner Weise behindert hatte. Vorher war er u. a. Konsul in Atlanta. Auch für die USA war seine Nazi-Vergangenheit kein Anlass gewesen, seine Akkreditierung abzulehnen. Warum auch, war doch in Saigon einer ihrer Marionettenchefs, der bereits erwähnte Nguyen Cao Ky, der Hitler öffentlich zu seinem „Vorbild“ erklärte und hinzufügte, „wir brauchen vier oder fünf Hitlers“.
 

Nguyen Cao Ky
Quelle: wikipedia
Von Rom versicherte ihm bei seinem Amtsantritt, die Bundesrepublik werde die Unterstützung Südvietnams auch weiterhin als ihre „wesentliche Pflicht“ betrachten. Dazu gehörten bis dahin Rüstungsgüter, Kredite und anderweitige Zuschüsse in Höhe von 1,165 Milliarden DM. Unter den Regierungen Adenauer und Erhard leistete die Bundesrepublik auf der Grundlage eines „Devisenaus-gleichsabkommens“ in Form von Waffenkäufen zwischen 1961 bis 1965 Devisenhilfe in Höhe von über 10,8 Milliarden DM. Bei einem USA-Besuch sicherte Bundeskanzler Erhard 1966 Präsident Johnson zu, auch künftig „dem Devisenausgleichsabkommen nachzukommen“. Mit Erhard unterstützte ein weiterer Helfershelfer der Kriegsverbrechen des „Dritten Reiches“ den ähnlichen Kurs des Weißen Hauses. Er war ab 1943 „wirtschaftswissen-schaftlicher Berater“ der „Reichsgruppe Industrie und der IG Farben“ gewesen.«
 
Zur militärpolitischen Bedeutung des Aggressionskrieges für die ehemalige BRD führten die beiden Auslandskorrespondenten der DDR-Nachrichtgenagentur ADN aus: »Lernen, wie heute Kriege geführt werden - Im Rahmen der USA-Strategie des „roll back“ des Sozialismus konnte die Bundesrepublik ihre eigenen revanchistischen Expansionsziele, die sich auf die DDR und andere „verlorene“ Ostgebiete erstreckten, vertreten und, wie Die Welt am 23. Mai 1964 schrieb, in Vietnam „lernen, wie heute Kriege geführt werden“.
 
Bundeswehrreserveoberst Adalbert Weinstein forderte in der FAZ vom 28. Dezember 1965, „neue operative und taktische Erkenntnisse“, die der dort geführte Krieg vermittle, zu studieren. Die Zeitschrift Wehr und Wirtschaft, gleichermaßen Sprachrohr der Bundeswehrführung und der Rüstungsindustrie, sprach in ihrer Nr. 8/9-1965 von der „Kriegsschule Vietnam“, dem „Probefall Vietnam“, der zu „waffentechnischen Überlegungen“ anrege und Erfahrungen, beispielsweise darüber, wie „taktischer Luftkrieg am besten“ geführt wird, vermittelt. Oberstleutnant Holltorf, Generalstabsoffizier und Militärattache in Saigon, erklärte 1967, er habe „selbstverständlich die Aufgabe, alle Entwicklungen, die für die eigene Militärpolitik, für die eigene Waffenentwicklung von Bedeutung sind, zu verfolgen.“ Die etwa 540.000 in Südvietnam stehenden GIs hielt Herr Holltorf für unzureichend und empfahl, „um den Krieg militärisch zu beenden, müssen sie hier Truppen reinpumpen, noch und noch und noch.“ Zum Ende des Krieges äußerte der Bundeswehrmilitär, das könne erst der Fall sein, „wenn Nord-Vietnam zum Einlenken gezwungen wird. Ob dieses Einlenken nun erreicht wird durch eine Besetzung Nordvietnams, oder ob es durch andere militärische Mittel und meinetwegen durch Verschärfung des Luftkrieges, das ist völlig offen.“« (S. 111f.)
 
Ein päsidialer »Saubermann«
 
Einer, der eine nicht unwesentliche Rolle in diesem militärpolitischen Komplex spielte, war der nachmalige Bundespräsident und CDU-Politiker Richard von Weizsäcker. Im online-Personenlexikon uni-protokolle.de heißt es zu diesem Mann:
 
»Seit 1954 ist Weizsäcker Mitglied der CDU. Von 1966 bis zu seiner Wahl zum Bundespräsidenten war er Mitglied des Bundesvorstandes der CDU Deutschlands. Unter seiner Leitung wurde von 1971 bis 1978 ein neues Grundsatzprogramm für die CDU erarbeitet. 1962 wurde er geschäftsführender Gesellschafter des Chemie- und Pharmaunternehmens Boehringer in Ingelheim am Rhein (bis 1966). Als 1964 das US-Unternehmen Dow Chemicals in Lieferschwierigkeiten geriet (wegen Dioxinvergiftungen der Arbeiter) verhandelte Weizsäcker mit den Amerikanern. Boehringer schloss die Produktionslücke und überliess auch ein verbessertes Produktionsverfahren für hochgiftige Stoffe, aus denen dann Agent Orange hergestellt wurde. Dies hatte verheerende Auswirkung im Vietnamkrieg. Die Fa. Boehringer beteuerte aber von all dem nichts gewusst zu haben. Zugleich hieß es aber von Boehringer auch: "Solange der Vietnam-Krieg andauert sind keine Absatzschwierigkeiten zu erwarten.“« (3)  
 
Deutsche Kanzler voll auf Kriegskurs
 
Das Ganze war eingebettet in die offizielle Staatspolitik unter dem damaligen CDU-Kanzler. Das Internet-Nachschlagewerk wikipedia schreibt hierzu u.a.:
 
»Bundeskanzler Ludwig Erhard unterstützte den US-Kriegseinsatz auch gegenüber skeptischen NATO-Partnern, gab den USA aber im April 1965 mit 30 Millionen Dollar weniger als die Hälfte der geforderten Summe. Er versuchte im Dezember 1965, die Zahlungsfristen für deutsche Rüstungskäufe in den USA zu verlängern, die der frühere Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß den USA 1961 zum Ausgleich der US-Devisen für die in der Bundesrepublik stationierten US-Truppen zugesagt hatte. Johnson wies diesen Vorstoß im September 1966 zurück. Der Dissens mit den USA über die Aufteilung der Militärkosten trug wesentlich zum Sturz Erhards bei. Sein Nachfolger Kurt Georg Kiesinger vereinbarte daraufhin mit den USA und Großbritannien im Januar 1967, die Zentralbanken der EWG und die westdeutschen Banken würden ihre Reserven von US-Dollar nicht zum Ankauf von Gold nutzen. Damit stützte die Bundesrepublik wesentlich den Dollarkurs und seine Funktion als Leitwährung, die das durch den Vietnamkrieg verursachte US-Haushaltsdefizit erheblich gefährdet hatte.«
 
Am Rande sei erwähnt, dass auch die SPD sich an diesem schmutzigen »Spiel« beteiligte, wie wikipedia weiter schreibt:
 
»Willy Brandt kritisierte den Kriegseinsatz der USA weder als Bundesaußenminister noch als Bundeskanzler, um die Sicherheitsgarantien der USA für Berlin nach der Berlinkrise 1961, die deutsch-amerikanische Freundschaft, den Ruf der SPD als atlantische Partei und seine Entspannungspolitik nicht zu gefährden. 1965 kritisierte er die Dominotheorie, Anfang 1968 nannte er den Rückzug der USA aus Vietnam wünschenswert und lehnte deutsche Militärbeiträge ab. Im Februar forderte die SPD auf Druck der Parteibasis einen sofortigen Bombardierungsstopp. Brandt betonte dagegen den Friedenswillen der USA und äußerte auch für Nixons Bombardierungen 1972 Verständnis.« (4)
 
CDU prügelt’s durch
 
Speziell die CDU sorgte dafür, dass auch auf der Straße diese Kriegspolitik durchgeprügelt wurde. Uwe Bergmann erinnert sich in seinem Beitrag »Das Vietnam-Semester 1965/66« - »Einen Sprengkörper gegen eine studentische Veranstaltung hatte die Berliner Presse als einen Silvesterscherz behandelt; jene sechs Eier gegen ein Gebäude versetzten das offizielle Berlin jedoch in Panik, sie wurden zum Gegenstand von Schlagzeilen und Leitartikeln. Der Regierende Bürgermeister und der Rektor der FU schrieben devote Entschuldigungsbriefe an den amerikanischen Stadtkommandanten und stellten sich damit öffentlich hinter die Vemichtungspolitik der USA. Drei Tage später zeigte sich auf einer Gegendemonstration der CDU vor dem Amerika-Haus, an der ungefähr 150 Personen teilnahmen, wie weit Teile der Berliner Bevölkerung durch die Presse und durch Äußerungen von Politikern, besonders des Beauftragten der Bundesregierung Emst Lemmer, faschisisiert worden waren. Kritiker der Kundgebung wurden von CDU-Demonstranten zum S-Bahnhof geprügelt, gezwungen, Fahrkarten "nach drüben" zu kaufen und wurden an den Haaren auf den Bahnsteig geschleift.« (5)
 
Auch der Berliner Tagesspiegel griff die Rolle der CDU anlässlich des 40. Jahrestages des Sieges des vietnamesischen Volkes in einem Artikel am 30.04.2015 auf. In seinem Beitrag »Berlin und der Vietnamkrieg - Studenten gegen die Schutzmacht« schildert der Autor Uwe Soukoup die Szenerie: »Von Hühnereiern zu Steinen - Der erste Protest gegen den Vietnamkrieg in West-Berlin fand am 5. Februar 1966 in der Hardenbergstraße statt. Etwa 2000 Demonstranten zogen vom Steinplatz kommend am Amerikahaus vorbei. Im Laufe des Nachmittags wurde die USA-Flagge auf Halbmast heruntergezogen und es flogen drei Eier gegen das Amerikahaus, das schon auf Grund seiner zentralen Lage immer wieder zum Objekt der Protestierenden wurde. Noch waren es Hühnereier, nebenan im Supermarkt gekauft, in späteren Jahren sollten es Farbeier und Steine werden. Aber auch die Hühnereier verfehlten ihre Wirkung nicht. Willy Brandt, damals in seinem letzten Jahr als Berlins Regierender, mahnte an, dass es Deutschen nicht besonders gut stehe, den historischen Lehrmeister zu geben und entschuldigte sich beim amerikanischen Stadtkommandanten für die unbotmäßigen Berliner Studenten. Drei Tage später gab es eine Gegenkundgebung, zu der CDU, Junge Union und der Ring christlich-demokratischer Studenten aufgerufen hatten. Am Rande der Kundgebung wurden junge Leute, die durch Zwischenrufe aufgefallen waren, an den meist längeren Haaren gepackt und im Bahnhof Zoo in die S-Bahn Richtung Friedrichstraße gesetzt, um „nach drüben“ zu fahren. Das war die Folie für ähnliche Vorkommnisse allerdings größeren Ausmaßes nur zwei Jahre später.«  (6)
 
Über Legitimationen
 
Die kaum vorstellbaren Folgen des barbarischen Vernichtungskrieges gegen die USA halten bis heute an. (7) Ein Herr Kauder oder die von ihm vertretene Partei oder der von ihm vertretene Staat haben angesichts der direkten wie indirekten Beteiligung an den Kriegsverbrechen gegen dieses geschundene Land nicht einen Hauch von Legitimation, der Sozialistischen Republik Vietnam Vorhalte ausgerechnet in Sachen Menschenrechte zu machen. Jedes einzelne Wort in diesem Sinne gehört ihnen in den Rachen zurückgestopft. (PK)
 
(1) https://www.cducsu.de/presse/pressemitteilungen/vietnam-ist-offen-fuer-dialog-ueber-menschenrechte
(2) http://www.merkur.de/politik/kauder-setzt-sich-vietnam-glaubensfreiheit-zr-5379891.html
(3) http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Richard_von_Weizs%E4cker.html
(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Vietnamkrieg#Verb.C3.BCndete_Staaten
(5) Aus : Bergmann, Dutschke, Lefèbre, Rabehl, »Rebellion der Studenten«, Reinbeck, Mai 1968, S. 18ff; hier zitiert nach: http://www.infopartisan.net/archive/1967/266707.html
(6) http://www.tagesspiegel.de/berlin/berlin-und-der-vietnamkrieg-studenten-gegen-die-schutzmacht/11709088.html
(7) siehe: Gerhard Feldbauer: »Die Augustrevolution 1945 in Vietnam / Die Kommunistische Partei – Organisator der siegreichen nationalen Befreiungsrevolution«, offen-siv, Hannover 2015, S.153ff. – und siehe auch unter: http://www.cubafreundschaft.de/Internationale%20Solidaritaet/Vietnam,%202015-08-21,%20Rezension%20Feldbauer-Vietnam%201945.pdf


Online-Flyer Nr. 527  vom 09.09.2015

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