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Medien
Programmbeschwerde eines pensionierten Verwaltungsrichters:
ARD-Tagesschau verfälscht die Wahrheit
Von Peter Vonnahme

Der pensionierte Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Peter Vonnahme wirft dem Norddeutschen Rundfunk am 17. Januar in einer Programmbeschwerde vor, am 11. Januar nach den Attentat gegen die Redaktion von Charlie Hebdo in einigen Tagesschau- und Tagesthemen-Sendungen die Zuschauer betrogen zu haben. Man habe in den Sendungen den falschen "Eindruck erweckt, dass 40 Staats- und Regierungschefs an der Spitze des Trauerzuges von mehr als einer Million Teilnehmern marschiert sind." Hier sein Brief an Intendant und Chefredakteur des NDR.

Merkel, Hollande u.a.Spitzenpolitiker spielen per Foto Beteiligung am Trauermarsch für die Attentatsopfer in Paris.
Quelle: http://www.tagesschau.de/
 
 
An den Norddeutschen Rundfunk
Herrn Intendanten
Lutz Marmor
Rothenbaumchaussee 132
20149 Hamburg
 
nachrichtlich:
Herrn ARD-aktuell-Chefredakteur
Dr. Kai Gniffke
 
Programmbeschwerde
 
Sehr geehrter Herr Marmor,
ich erhebe Beschwerde gegen verfälschende Berichterstattungen in den Fernseh-Nachrichtensendungen der ARD über den sog. Marche Républicaine vom 11. Januar 2015.
Als Beleg dient (beispielhaft) die 20 Uhr-Tagesschau von diesem Tag:
http://www.tagesschau.de/archiv/sendungsarchiv100~_date-20150111.html
 
Im Nachrichtentext und vor allen in den ihn untermalenden Filmsequenzen wird der Eindruck erweckt, dass 40 Staats- und Regierungschefs an der Spitze eines Trauerzuges von mehr als einer Million Teilnehmern marschiert sind. Dieses Bild ist jedoch irreführend und verfälscht die Wahrheit.
 
Tatsache ist nach mir inzwischen vorliegenden Informationen, dass die Spitzenpolitiker den Demonstrationszug nicht angeführt haben, sondern sich lediglich in einer anderen abgesperrten Straße zu einem Fototermin aufgestellt haben. Dabei taten sie so, als gingen sie untergehakt vor dem Demonstrationszug her. In britischen Zeitungen wird berichtet, dass die Politiker nach der inszenierten Aufnahme weggefahren seien und am Trauerzug überhaupt nicht teilgenommen hätten.
 
Auch auf der Tagesschau-Nachrichtenseite im Internet wird wahrheitswidrig informiert („Dutzende Staats- und Regierungschefs aus aller Welt marschierten vorneweg. Frankreichs Präsident Hollande und Kanzlerin Angela Merkel starteten untergehakt zum großen Marsch im Zentrum der Hauptstadt“).
http://www.tagesschau.de/ausland/trauermarsch-paris-113.html
 
Für die Pariser Showveranstaltung mag es rationale Gründe gegeben haben, das kann ich aus der Ferne nicht beurteilen. Ich glaube aber, dass dies jeder vernünftige Zuschauer - ggf. nach einem aufklärenden Hinweis des Nachrichtensprechers – verstanden und akzeptiert hätte. Es ist aber nicht Aufgabe von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, inszenierendes Filmmaterial so in Berichte über die Massendemonstration einzubauen, dass ein mediales Fake entsteht, das normale Zuschauer nicht als solches erkennen können.
 
Meine Kritik lässt sich deckungsgleich auf die Tagesthemen von 23 Uhr und auf weitere Nachrichtensendungen des „Ersten“ im Internet und auf TV-Sendungen am Folgetag übertragen.
 
Durch diese objektiv falsche Berichterstattung werden zentrale Bestimmungen des NDR-Staatsvertrages verletzt.
 
Nach § 5 hat der NDR den Rundfunkteilnehmern einen objektiven und umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und länderbezogene Geschehen zu geben. Sein Programm hat der Information zu dienen.
 
Gemäß § 8 ist der NDR ist in seinem Programm zur Wahrheit verpflichtet. (...) Ziel aller Informationssendungen ist es, sachlich und umfassend zu unterrichten und damit zur selbständigen Urteilsbildung der Bürger und Bürgerinnen beizutragen. Berichterstattung und Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen, auch beim Einsatz virtueller Elemente, zu entsprechen. Sie müssen unabhängig und sachlich sein.
 
Wenngleich durch die Falschberichterstattung - zumindest auf den ersten Blick - kein erkennbarer Schaden eingetreten ist, empfinde ich den Vorgang dennoch als sehr irritierend. Zum einen erinnert er an die überaus tendenziöse Berichterstattung über den Ukrainekonflikt und an die historischen Manipulationen in Diktaturen. Zum anderen wird durch handwerkliches Versagen das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beschädigt. Es verwundert nicht, dass zunehmend von Lügen in den Medien die Rede ist, wiewohl ich nicht alle Motive hinter derartigen Vorwürfen gutheiße (Beispiel: den von Pegida erhobenen Vorwurf „Lügenpresse“).
Außerdem zeigt sich bereits jetzt, dass die sog. „Empörungsindustrie“ solche Fehlleistungen begierig aufgreift. Das kann nicht im Interesse der Programmverantwortlichen liegen. Deshalb zeugt der simplifizierende Blogeintrag des ARD-aktuell-Chefredakteurs Dr. Gniffke von wenig Professionalität und Sensibilität:
http://blog.tagesschau.de/2015/01/13/die-verschwoerung-von-paris/
 
Es würde dem Ansehen der ARD guttun, wenn solche selbstgefälligen Vereinfacher nicht an verantwortlicher Stelle tätig wären.
Sehr geehrter Herr Marmor, ich bitte Sie höflich, darauf hinzuwirken, dass die Redaktionen in Ihrem Zuständigkeitsbereich künftig Nachrichtenverfälschungen unterlassen und mit größtmöglicher Sorgfalt und Unabhängigkeit arbeiten. Bitte informieren Sie mich zeitnah über das von Ihnen Veranlasste.
 
Sollte diese Beschwerde keinen erkennbaren Erfolg haben, beabsichtige ich, den NDR-Rundfunkrat mit der Angelegenheit zu befassen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich über die hierfür notwendigen Verfahrensschritte unterrichten würden. Ich war zwar lange Zeit Richter, bin aber (zumindest noch) kein Experte im Medienrecht.
 
Mit freundlichen Grüßen
Peter Vonnahme
Richter am Bayer. Verwaltungsgerichtshof (i.R.)
Maximilianstr. 6
86916 Kaufering
Tel: 08191-6110
Mail: peter.vonnahme@onlinehome.de
(PK)


Online-Flyer Nr. 494  vom 21.01.2015

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