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Lokales
Wenn es um die Vermarktung der beliebtesten Teile unserer Stadt geht:
Mülheim – Demokratie abhanden gekommen
Von Lothar Reinhard

Die Demokratie scheint abhanden gekommen zu sein, wenn es um die Vermarktung der schönsten und beliebtesten restlichen Teile der Stadt geht: Bekanntlich hatte die Stadt Mülheim sich für die Sparkassen-Akademie NRW mit 2 Grundstücken beworben - dem wenig aussichtsreichen Ruhrbania-Gelände des ehemaligen Arbeitsamtes und dem sehr attraktiven Gelände der Volkshochschule am Rande des MüGa-Parks neben Schloß Broich. Zitat OB Dagmar Mühlenfeld „Das Beste, was wir haben“.

Blick von der Fußgängerbrücke zu Mülheims Garten an der Ruhr (MüGa) und zur VHS
Quelle: MBI
 
Gleichzeitig hatte der Mülheimer Immobilienspekulant Hoffmeister sein seit 5 Jahren leerstehendes Kaufhof-Gelände in bester Lage angeboten. Nachdem der Planungsdezernent öffentlich diese Bewerbung als die mit Abstand Sinnvollste dargestellt hatte, setzte eine regelrechte Hetzjagd in lokalen Medien und im Rat gegen ihn ein, bis er schließlich schwieg und auch auf alle Ambitionen einer OB-Kandidatur in Mülheim verzichtete, was er nun in Krefeld tut.
 
Im Gesetz über die Sparkassen-Akademie NRW vom 16.7.2013 steht unter § 3: „Spätestens zum 31. Dezember 2014 ist ein zentraler Sitz zu bestimmen.“ Die Entscheidung über den Standort sollte erst spätestens Ende November verkündigt werden. Dann wurde die Entscheidung bzw. die Bekanntgabe verschoben und sollte am 18. Dez. verkündet werden, dem Tag der Etatsitzung des Mülheimer Rates. Auch das wurde anscheinend wieder verschoben auf „Ende des Jahres“, wie OB Dagmar Mühlenfeld im Rat am 17.12. vom Sparkassenverband zu glauben wusste - als Begründung zur Ablehnung des MBI-Antrags, einen Punkt "Aussprache zur geplanten Spk-Akademie" auf die Tagesordnung des Rates am 17. oder am 18.12. aufzunehmen. Die große Ratsmehrheit (SPD, CDU, Grüne und AfD) wollte ebenfalls nicht im Rat darüber debattieren. Das hatten sie bereits ähnlich am 25.9. bei der nachträglichen Abnickung des „Dringlichkeitsbeschlusses“ zur Bewerbung von VHS+MüGa-Teilen für die Akademie genauso getan.
 

OB Dagmar Mühlenfeld: „Das Beste,
was wir haben.“
NRhZ-Archiv
Obwohl in der Vorlage - „beschlossen“ nur von der OB und dem CDU-Fraktionschef Ende Juli - genauere Pläne nicht erkennbar waren (eine Zumutung!), gab es keine Wortmeldung, nur die Abstimmung, bei der lediglich die 4 Fraktionslosen dagegen stimmten. Die 2 von DieLinke waren in der Ratssitzung nicht anwesend und die 4 MBI`ler hatten bereits zu Ende der öffentlichen Sitzung aus Protest die Sitzung verlassen, weil sie vorher beim MBI-Antrag auf Bestandsgarantie für die VHS von Dezernent Ernst, SPD und GrünInnen sehr bösartig beschimpft und beleidigt worden waren.
 
Soweit zur defekten Mülheimer repräsentativen Demokratie, bei der die gerade erst Ende Mai neu gewählten Volksvertreter alles im Auge haben, nur ihr Volk nicht.
 
Als gegen Ende Oktober bekannt wurde, dass sowohl der VHS- wie der Kaufhof-Standort in die Auswahl der letzten 6 von ursprünglich 39 Bewerbungen gelangt waren, schrieb die MBI-Fraktion einen Brief an die Auswahljury sowie an diverse Landesbehörden, in dem die eklatanten Probleme des VHS-Standorts erläutert wurden: fehlender Alternativ-Standort, ungeklärte Finanzierung, Denkmalschutz, bedrohte Teile des MüGa-Parks (MüGa = Mülheimer Gartenschau 1994), sinnvollerer Standort Kaufhof sowie Widerstand großer Bevölkerungsteile gegen die Vermarktung von VHS und MüGa-Teilen. Die Reaktion auf diesen Brief von Parteien, beteiligten Immobilienfirmen und den WAZ-Medien war extrem heftig gegen die MBI und vor allem mich als deren Sprecher. Zitat SPD-Wiechering: „Lothar Reinhard müssen wir die Rote Karte zeigen“. Die Hetze, die darüber hinaus insbesondere gegen meine Person von Verwaltung, SPD und Grünen im Privaten versucht wurde, erinnert an Hexenjagden.
 
Die Signale aus der Bevölkerung waren aber entgegengesetzt. Das musste auch die WAZ zur Kenntnis nehmen, so dass sie, anders als ihre ohnehin absterbende Schwester NRZ, nicht alle Leserbriefe oder Stellungnahmen verweigern konnte.
 
Die MBI luden deshalb zusammen mit DieLinke und WirAusMülheim zu einer Gründungsversammlung zur Vorbereitung eines Bürgerbegehrens für den Fall des Zuschlags der Akademie für das VHS-Gelände im MüGa-Park. Die Resonanz war riesig und die Bürgerinitiative „Erhalt unserer VHS in der MüGa“ wurde gegründet. Ein Arbeitskreis erarbeitete zur nächsten Sitzung Anfang Dezember den Text für ein evtl. notwendiges Bürgerbegehren. Doch war wider Erwarten bei der 2. Sitzung die Entscheidung zum Standort der Spk-Akademie noch nicht getroffen bzw. nicht verkündet worden. Das Bürgerbegehren war dennoch mit den besprochenen Änderungsvorschlägen im Wesentlichen fertig und ggfs. griffbereit. Außerdem erklärten sich 4 BI-Mitglieder bereit, einen Antrag auf Einsicht in das Sanierungsgutachten für die VHS zu stellen. Das stammte vom gleichen Architekten, der auch die Bewerbung des VHS-Geländes für die Akademie ausgearbeitet hatte. Gschmäckle? Nicht in Mülheim!
 
Die BI verabredete sich ferner zu einer Lichterkette vor der VHS und dem Schloß am 13.12. vor Beginn des Festival-Rockkonzerts von verschiedenen Bands in der VHS. Beide Veranstaltungen waren gut besucht und eindrucksvolle Demonstrationen für unsere VHS.
 
Am gleichen 13.12. erhielten ca. 2.000 Bürger/innen, die die Unterschriftenliste des VHS-Förderkreises unterschrieben hatten, einen entlarvenden und z.T. unaufrichtigen Brief des zuständigen Dezernenten Ernst zur VHS-Zukunft. (Mehr dazu unten im Ausschnitt aus der MBI-Etatrede.)
 
Weil der Rat sich nicht mit dem VHS-Thema befassen wollte, fand am 18.12. um 15.30 Uhr vor der Etatsitzung um 16 Uhr eine spontane Kundgebung vor dem Rathaus statt. Als die Stadtspitze das kurz zuvor mitbekam, bestellte sie unverzüglich die Polizei und ließ alle Rathauseingänge von Mitarbeitern des Ordnungsamts bewachen, damit kein Demonstrant ins Rathaus gelangen könne. Die Polizei war da, kam gezielt auf mich zu und kündigte mir eine Anzeige wegen unerlaubter Demo an. Begründung: Ich sei bekannt. Ich sagte ihnen, sie sollten tun, was ihnen aufgetragen wurde, außerdem müsse ich gleich zur Ratssitzung, die mit meiner Etatrede beginnen werde. Kurze Zeit später machten die Polizisten sich auch noch an den Kollegen Reinhard Schnell heran, weil der eine kurze Rede gehalten hatte - draußen vor dem Rathauseingang am Rathausmarkt bei blockiertem Zugang zum Rathaus.

Zwei Polizisten bedrohen MBI-Mitglied Reinhard Schnell vor dem Rathaus
Foto: MBI 
 
Die Etatsitzung begann mit der MBI-Etatrede, doch die Befürworter des VHS-Erhalts mussten draußen vor dem Rathaus bleiben bis auf wenige, die eine Eintrittskarte für die Zuschauertribüne hatten.
 
Zu dem Brief des Dezernenten Ernst trug ich folgendes vor: 
„Der für die VHS zuständige Dezernent schrieb u.a.: „ ...Sollte Mülheim … den Zuschlag für die Sparkassenakademie erhalten … und dabei der Standort an der Bergstraße ausgewählt werden, muss kurzfristig für ca. 2-3 Jahre eine Interimslösung und dann ein endgültiger Standort für die VHS gefunden werden…“ Mit anderen Worten: Ersatzlösungen gibt es immer noch nicht, weder für eine Interims-, noch für eine endgültigere VHS, und das viele Monate nach der Bewerbung. Wo und wie es mit der VHS weitergehen könnte, wenn sie einer Akademie weichen müsste, die bereits 2017 bezugsfertig sein muss, immer noch Fehlanzeige. Dabei ist die VHS noch in vollem Betrieb. Sie müsste also im Fall des Zuschlags für die Akademie kurzfristig irgendwo zwischengelagert werden, bis etwas Neues Zentrales gefunden würde, denn anders als noch im Juni/Juli redet keiner mehr von Dezentralisierung oder/und Aufteilung auf Nachbarstädte. Zu den möglichen Kosten für Zwischen- und Endlösungen herrscht ebenfalls Stillschweigen bzw. Unkenntnis, weil ja noch (Zitat) „gefunden werden“ muss. Das meine Damen und Herren, ist hochgradig abenteuerlich. Seriöse Planung sieht vollkommen anders aus, ganz abgesehen von dem unzumutbaren Umgang (besser Umspringen) mit den VHS-Beschäftigten und -Nutzern.“
 
Fast alle anderen Etatreden beschäftigten sich ebenfalls mit dem VHS-Thema, doch bis auf Linke und WirAusMülheim ging keiner auf meinen Beitrag ein, sondern insbesondere SPD, Grüne und AfD pöbelten gehörig hauptsächlich gegen MBI und mich. Ganz im Sprachduktus eines Erich Honecker von 1961 sagte der SPD-Chef u.a.: „Es bestand, entgegen den Behauptungen von MBI, Linke und anderen Falschmünzern, weder von der Verwaltung noch seitens der SPD jemals die Absicht einer Dezentralisierung“. Diese nachweislich falsche Behauptung war noch das relativ Harmloseste in dieser schrecklichen Ratssitzung, in der das VHS-Thema nicht auf der Tagesordnung erscheinen durfte, aber dafür an anderen Stellen umso präsenter! Beschämend.
 
Am Tag nach der Sitzung wurde am frühen Abend dann verkündet, dass Dortmund den Zuschlag für die Akademie bekommen habe. Anstatt darüber zu berichten und verschiedene Reaktionen abzudrucken, gab es beim WAZ-Konzern die bereits bekannte Arbeitsteilung. Die Rest-NRZ, die sich schon länger als bösartiges Hetzblatt gegen alles geoutet hatte, was OB und SPD in Mülheim im Wege steht, titelte: „Polemik der MBI minderten die Siegeschancen“ und die WAZ folgte der OB mit dem Versuch einer Flucht nach vorne mit dem einzigen Artikel zu der Akademie-Standortentscheidung, aber nicht zum umstrittenen VHS-Standort, sondern zum Kaufhof des Mülheimer Immobilienhändlers Hoffmeister mit dem Artikel: „Mülheims Plan B: Seniorenresidenz statt Akademie“. Und auch Frau OB konnte frohlocken: „Hoffmeister und seine Partner haben es geschafft, dass erst gar keine schlechte Laune aufkommt. Ein ganz tolle Nachricht nach einer schlechten - damit kann ich sehr gut umgehen“, freute sich OB Dagmar Mühlenfeld. Na denn… Eines jedenfalls scheint klar: Es war wohl doch nicht allen vorher unbekannt, was am 19.12. verkündet wurde. Nur offiziell sollte der Rat sich damit nicht befassen. Warum auch? Das will die Ratsmehrheit schließlich auch nicht. Doch egal, hier meine erste Stellungnahme zum Thema "Dortmund erhält Zuschlag für Sparkassen-Akademie NRW: Atempause für unsere bedrohte VHS":
 
Volkshochschule und Müga bleiben fürs erste verschont. Doch leider erhielt auch der Kaufhof nicht den Zuschlag für die Sparkassenakademie. Das wäre für Mülheim die Königslösung gewesen. Doch Schloss Hörde am Phönix-See ist halt auch ein sehr spannendes Areal.
Es war auch eine Riesendummheit der OB und der Ratsfraktionen von SPD, CDU, Grünen, FDP und AfD, dem seit 5 Jahren leerstehenden Kaufhof-Gelände mit dem attraktiven VHS-Gelände Konkurrenz zu machen. Und das ohne für die VHS auch nur eine richtige Idee für einen Alternativstandort zu haben.
Da hilft es auch nicht, die Bürgerinitiative, die MBI oder mich als Person weiter als die Bösen hinzustellen, zu diffamieren oder gar wie gestern vor der Ratssitzung noch zu versuchen zu kriminalisieren. Die Damen und Herren sollten lieber dankbar sein, dass die Gründung der Bürgerinitiative und die Drohung mit einem Bürgerbegehren mitgeholfen hat, sie vor dem unverantwortlichen Abenteuer und Chaos zu bewahren, das beim Zuschlag der Akademie für VHS und MüGa zweifelsohne erzeugt worden wäre! Es ist bereits mehr als genug Schaden und Verunsicherung alleine durch die Bewerbung entstanden, am meisten für die VHS-Beschäftigten und Nutzer.
 
Die MBI hoffen, dass nach der Bekanntgabe der Standortentscheidung die Diskussion um die Zukunft unserer VHS wieder auf den Boden zurückkehrt, so dass möglichst schnell ein nachvollziehbares Sanierungskonzept entwickelt werden kann, das nicht mehr gegen die Sanierung von Schulen oder dem "Wennmann-Bad" ausgespielt werden kann. Auch der Landeskonservator wird nun in Ruhe die Prüfung der Denkmalwürdigkeit der VHS im nächsten Jahr durchführen können.
 
P.S. 1: Von meiner Seite aus ganz herzlichen Dank an viele Menschen unserer Stadt unabhängig von jeder Parteicouleur, die sich in den letzten Monaten sehr mutig und zahlreich für unsere VHS eingesetzt haben. Großen Dank auch an Prof. Brödel von der Uni Münster und Herrn Jahn aus Duisburg für den Landesverband der Volkshochschulen, die bei dem Auftakt zur Verteidigung unserer VHS überaus kompetent die Wichtigkeit und Notwendigkeit darstellten.
Herzlichen Dank auch an Thorsten Sterk von Mehr Demokratie, der uns bei der Gründung der BI und der Vorbereitung auf ein ggfs. notwendiges Bürgerbegehren sehr hilfreich zur Seite stand.
 
P.S. 2: Der Kaufhof-Inhaber Hoffmeister hat in der Vergangenheit sehr viel gewinnbringende Immobiliengeschäfte zu Lasten der Stadt machen können, z.B. Heifeskamp, Bürgeramt, ehemaliges Arbeitsamt, Feuerwache u.v.m.. Seine besten Beziehungen zur Mülheimer SPD waren dabei sicher hilfreich. Mit dem Erwerb des Kaufhofs hatte er sich aber verspekuliert. In der Hoffnung auf gehörige Steuergelder durch das angrenzende Ruhrbania, sorgte dieses Prestigeprojekt durch die Großbaustellen aber für die Schließung des Kaufhofs. Nachdem über Jahre kein Investor dort mehr hin wollte wegen des eklatanten Niedergangs der Mülheimer Innenstadt, wurde in den letzten 2 Jahren über lange Zeit darüber gerätselt, wie man diese städtebauliche Blockade der Kaufhof-Ruine wiederbeleben könnte - ohne jegliches Ergebnis. Nun ergab sich mit der Sparkassen-Akademie zumindest theoretisch eine Chance, auch noch ohne städtisches Geld einsetzen zu müssen, und dann reduzierte die Stadt selbst die Chancen mit der Gegenbewerbung des VHS-Grundstücks. Das wirkt nur vordergründig dumm. Es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass das Kalkül so aussah: Akademie statt VHS, und die kommt dann in den Kaufhof. Das wäre zwar alles viel teurer geworden als jede noch so kostspielige VHS-Sanierung, doch hätte es keine wirkliche Alternative für eine zentrale VHS gegeben. Nur sagen wollte das niemand im Vorfeld. Da macht es auch Sinn, dass nun, wo auch statt VHS keine Akademie kommt, sofort Plan B präsentiert wird und Frau OB „Ein ganz tolle Nachricht nach einer Schlechten“ sieht.
 
Das Ganze würde auch die Hasstiraden auf die MBI erklären, aber nicht entschuldigen. Unser „Verbrechen“ bestand darin, mit Demokratie und Bürgerentscheid gedroht zu haben. Und nicht nur die MBI waren anscheinend davon überzeugt, dass ein solcher mit großer Mehrheit für den Erhalt von VHS und MüGa stimmen würde. Was in keiner Weise zu entschuldigen ist, ist das völlige Versagen der großen Mehrheit der gewählten Ratsvertreter. Die ließen sich vor einen schmierigen Karren spannen. (PK)
 
Lothar Reinhard, MBI-Fraktionssprecher, hat uns diesen aufklärenden Artikel am 19.12. geschickt, wofür wir und vermutlich auch die Mülheimer BürgerInnen ihm herzlich danken.


Online-Flyer Nr. 490  vom 24.12.2014

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