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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Inland
Deutschlands Verantwortung – Teil II
Historische Schuld und einseitige Solidarität
Von Sabine Schiffer

Das Dilemma deutscher Befindlichkeit im sog. Nahostkonflikt brachte nicht zuletzt Deniz Yücel in einem taz-Kommentar auf den Punkt: Man solle sich gefälligst selbst zensieren und jede Kritik an israelischer Politik verkneifen. Alles andere gebiete sich nicht. Die Lehre aus der deutschen Geschichte, dem Holocaust, sei nicht Menschlichkeit für alle, sondern die unabdingbare Solidarität mit Israel – also für bestimmte Menschen (sic!). Alles andere sei offener bis verkappter Antisemitismus und den könne man getrost den Einwanderern überlassen.

Mitgefühl mit den verzweifelten Menschen in Gaza – Antisemitismus?
Quelle: http://dtj-online.de
 
Sind das die richtigen Lehren aus dem Holocaust? Nie wieder Judenvernichtung? Ja klar. Aber gilt „Nie wieder Menschenvernichtung!“ nicht? Darf man als Deutscher kein Mitgefühl mit den Palästinensern haben, auf deren Rücken unsere historische Verantwortung abgeladen wurde? Ja, weiter noch: Würde es eine friedliche Lösung für Israel-Palästina geben, wenn nicht Gerechtigkeit sondern einseitige Ungerechtigkeit herrscht? Ist es Israel-solidarisch, wenn man auf militärische Stärke setzt, statt auf friedfertigen Ausgleich mit den Nachbarn? Wie kann das heute noch gelingen, nach all den Jahrzehnten von Völker- und Menschenrechtsverletzungen? Wenn man den naiven Ratschlägen eines Deniz Yücel folgt, jedenfalls nicht.
 
Dann entscheidet man sich fürs Schweigen und Wegschauen. Und dies erkennen doch einige als ein Muster, das man ebenfalls aus der Zeit des sog. Nationalsozialismus, des Krieges und des Holocaust kennt. Soll das nun die richtige Lehre aus der Geschichte sein? Ganz bestimmt nicht, wie nicht nur Rolf Verleger richtig feststellt.
 
Unsere Medien bieten uns da keine Hilfestellung. Sie sind Partei. Sie sind Partei der Eskalation und machen mit ihrer Berichterstattung immer die Extreme groß. Nicht die israelisch-palästinensischen Friedensbemühungen, wie sie einige Organisationen verkörpern, die das IMV zusammen getragen hat (1), spielen medial eine Rolle und schon gar keine Hauptrolle. Medien nehmen die Hetze auf und ergötzen sich an den Folgen davon: schreckliche Bilder, ängstliche und tote Menschen, Zerstörungen, ja gar Verwüstungen, Leid, Leid und nochmal Leid. Als Kontrapunkt ein Foto pausierender IDF-Soldaten auf der Titelseite des Tagesspiegel am 6. August 2014 – Lagerfreuerromantik in der Waffenpause. Sind wir noch zu retten?
 
Antisemitismusbekämpfung firmiert vor Menschenrechten für alle, was ja zunächst mal das auf Leben beinhaltet. Die Krone des menschenverachtenden Diskurses kommt aber eher subtil daher. Sie schlägt sich im Geschwafel von der „Unverhältnismäßigkeit“ der Mittel nieder, statt dem Völkerrecht seinen verdienten Platz einzuräumen – und das ist nach einer Sachverhaltsanalyse, die die permanente Abriegelung des Gaza-Streifens seit 2005 (sic!) feststellt, eindeutig, wer hier sein „Recht auf Selbstverteidigung“ ausübt. Soll damit Schluss sein, dann muss die Blockade beendet werden und Völkerrecht zur Geltung kommen – mit einem bisschen humanitärer Warenlieferung ist da kein Staat zu machen. (PK)
 
(1) http://www.medienverantwortung.de/unsere-themen/informationsportale/alternative-info-nahost/
 
 
Sabine Schiffer (* 1966) ist eine deutsche Sprachwissenschaftlerin und Medienpädagogin. Im November 2005 gründete sie das unabhängige Institut für Medienverantwortung (IMV) in Erlangen, das sie bis heute leitet und mit freien Mitarbeitern betreibt. Erstveröffentlichung dieses Artikels aus einer dreiteiligen Serie im Deutsch-Türkischen Journal, http://dtj-online.de
 


Online-Flyer Nr. 472  vom 20.08.2014

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