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Inland
Das Desinteresse des deutschen Staates an Spendenpraktiken von Extremisten
"PI-Spendenmarathon"
Von Abraham Goldstein

Unter einer Spende verstand man für gewöhnlich eine freiwillige Zuwendung für mildtätige Zwecke, die im Laufe der Zeit auch auf religiöse, kulturelle, gemeinnützige oder auch politische Institutionen ausgeweitet wurde. Als Spender hatte man dabei ein gutes Gefühl, jemandem geholfen zu haben – inklusive seiner eigenen Steuererklärung, wenn eine steuerliche Absetzbarkeit möglich war und gleich doppelt, weil der Staat so indirekt an der Spende beteiligt wurde.
 

Spendenbanner auf der Internet-
seite von „PI-News“
Spenden für einen guten Zweck – und was man darunter versteht
 
Laut einer „Bilanz des Helfens“ vom Deutschen Spendenrat haben im Jahr 2012 die Deutschen rund 4,2 Milliarden Euro gespendet – fast 400 Millionen Euro weniger als im Jahr der Tsunami-Katastrophe 2004/2005 und inflationsbereinigt deutlich sowie kontinuierlich rückläufig. Dies mag auch daran liegen, dass spätestens seit Helmut Kohls Rolle in der CDU-Spendenaffäre zur Jahrtausendwende das Image der Spende stark gelitten hat. Denn plötzlich offenbarte sich, dass Spenden auch einen unangenehmen Ruch haben konnten. Dass der ehemalige Kanzler dann auch noch wegen seines „Ehrenwortes“ die Namen der Spender sanktionslos verschweigen durfte – ein Vergehen, für das gewöhnliche Bürger unter Umständen in Beugehaft genommen werden können – und mit einem Strafbefehl über 300.000,- DM davon kam, tat sicherlich ein übriges.
 
Dieses dunkle Kapitel in der Spendenaffäre zeigt jedoch auch, dass Spenden keine harmlose Sache sind und der Staat eigentlich ein Interesse an der Transparenz von Spenden haben muss, denn insbesondere bei Spenden an politische Parteien kann durchaus Einflussnahme auf wirtschafts- oder womöglich gesellschaftspolitische Entscheidungen genommen werden; man denke nur an das Privileg einer verringerten Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen oder eine industriefreundliche Gestaltung von Abgasnormen.
 
Weitaus mehr müsste es den Staat jedoch interessieren, woher Geldströme kommen und an wen sie gehen, denn Geld aus der Anonymität ist unkontrollierbar und kann über Spenden auch in gewisser Weise „gewaschen“ werden. Im schlimmsten Fall könnten die Mafia oder Drogenkartelle und Waffenhändler über ein gut konstruiertes System ihr Geld aus kriminellen Geschäften unauffällig in den legalen Kreislauf einspeisen. Oder Extremisten können ihre finsteren antidemokratischen und menschenverachtenden Ziele durch Spenden finanzieren.
 
Anonyme Geldströme – und der Staat schaut weg
 
Dass genau dies unter den desinteressierten Augen der deutschen Regierung passiert, zeigt das Beispiel der anti-muslimischen und homophoben Internetseite „PI-News“: Nachdem die im Jahre 2004 vom nordrhein-westfälischen Sportlehrer Stefan Herre gegründete Plattform für rechtspopulistisch-religiöse „Nachrichten“ im Jahre 2007 angeblich an anonyme Betreiber „übergeben“ wurde und weitestgehend von anonymen Autoren redaktionell befüllt wird, gab es immer wieder neue Versuche, aus dem Betrieb der Hasspredigerseite Profite zu erzielen. Laut den der Frankfurter Rundschau zugespielten Insiderinformationen im Jahre 2011 erwiesen sich diese jedoch als recht jämmerlich. Das änderte sich allerdings schlagartig, als „PI“ vor Ende 2012 eine großangelegte Spendenkampagne durchführte, weil der Fortbestand seines Portals gefährdet sei. Nach eigenen Angaben nahmen die anonymen Betreiber binnen kürzester Zeit 32.854,- Euro bis zum Stichtag 30.09.2012 ein. (1) Der Erfolg solcher Aktionen veranlasste die Beteiligten offenbar auch schon vorher dazu, die Spendenkanäle professionell auf Lastschriftverfahren, Kreditkartenakzeptanz und Bezahldienste wie PayPal auszuweiten, wie man unschwer auf der Internetseite von „PI-News“ nachlesen kann.
 
„PI-News“ und „Pax Europa“ – Partners in Crime?
 
Anonyme Spenden an die anonymen Betreiber von „Politically Incorrect“ für anonyme Zwecke in Deutschland. Solche Spendenpraktiken klingen nicht nur dubios, sie sind es schlichtweg auch. Schließlich könnte diese nicht gerade unbedeutende Summe für extremistische Gewaltaktionen verwendet werden. Dass hier mehr als nur ein „Geschmäckle“ vorliegt, zeigt denn auch die PI-Spendenaktion von 2012: nach vorliegenden Informationen gingen die Gelder auf ein Konto der “Bürgerbewegung Pax Europa” bei der Baden-Württembergischen Volksbank Main-Tauber.
 
Da bei Gutschriften in Deutschland der Kontoinhaber die Kontonummer des Überweisenden nicht erfährt, weiß die “Bürgerbewegung” maximal die Namen der Spender – die nicht einmal echt sein müssen, wenn das Geld beispielsweise von den berüchtigten diskreten Banken wie den Virgin Islands kommt. Und nur "Pax Europa" weiß, wem es das Geld weiterleitet – und ob es das Geld überhaupt weiterleitet. Schließlich behauptet der PI-Gründer Herre ja auf Nachfrage stets, er kenne die jetzigen Betreiber seiner „PI-News“ nicht. Im Gegenteil, PI-News selbst bestreitet sogar, dass ihr Autor Michael Stürzenberger der Betreiber sei – ohne den Namen eines anderen zu nennen. (2) Anonyme Spender, die über ein Konto der “Bürgerbewegung Pax Europa” anonymes Geld an anonyme Betreiber schicken.
 
Wie dubios die anonymen Spendenempfänger sind, sieht man anhand der ursprünglichen Begründung von „PI-News“: „In Zukunft möchten wir uns auch an große Gegner wagen und, wo es gerechtfertigt und notwendig ist, auch juristisch gegen unzutreffende Behauptungen über PI und unsere Leser und Kommentatoren vorgehen.“ Wer sind die „großen Gegner“? Wie soll man gegen diese vorgehen, wenn man sich selbst anonym hält? Schließlich gab es schon bei dem Aufruf im Jahre 2008 weder ein Impressum, noch irgendeinen Namen einer natürlichen Person, geschweige denn wenigstens eine Postfachadresse z.B. in der Schweiz oder Liechtenstein.
 
Dass heute wenigstens eine Handvoll Autoren mit ihren echten Namen bekannt sind, verdankt die Öffentlichkeit nicht etwa der nichts zu verbergen habenden „PI“-Truppe, sondern einzig und allein den Recherchen hartnäckiger (ehemaliger) Blogger, wie beispielsweise Dietmar Näher („Politblogger“) und anderer. Nur durch solche Kritiker wurden schließlich Michael Stürzenberger (ehem. Pressesprecher von Monika Hohlmeier, CSU) und die Schweizer Pfarrerin Christine Dietrich ermittelt - oder auch der Betreiber der infantilen Rächerseite „Nürnberg 2.0“, Karl-Michael Merkle alias „Michael Mannheimer“, der indirekt zur Gewalt gegen „Gegner“ aufruft und ihnen mit einer Verfolgung droht.
 
Die örtlichen Finanzämter schauen weg und schweigen
 
Beim Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf – und das Interesse der Finanzbehörden beginnt. Selbst bei Geldgeschenken. Erstaunlicherweise jedoch scheint dies bei den Geldströmen von „PI“ nicht der Fall zu sein. Vielmehr erinnert die Reaktion der deutschen Behörden an das Desinteresse bei rechten Terroristen bzw. die spätere NSU-Pannenserie: keiner fühlt sich zuständig oder antwortet.
 
Bei der Recherche zu diesem Artikel hüllte sich beispielsweise der Leiter des Finanzamtes Bergisch-Gladbach (dem Wohnsitz des „PI-News“-Gründers Stefan Herre), Werner Horster, trotz mehrfacher Nachfragen allgemeiner Art zur Behandlung von Spenden komplett in Schweigen. Das ihm vorstehende Finanzministerium NRW unter Minister Dr. Norbert Walter-Borjans (SPD) tat sich ausgesprochen schwer und antwortete auf konkrete Fragen wie Geldwäsche durch Spenden nur zäh über einen Zeitraum von zwei Monaten. Auch im Falle des für die Volksbank Main-Tauber zuständigen Finanzamtes von Tauberbischofsheim ergab sich eine geradezu bizarre Reaktion des Leiters und gleichzeitigen „Pressesprechers“ der Behörde, Uli Kron: Man verwies auf das „Steuergeheimnis“ nach § 30 Abgabenordnung. – Was das Steuergeheimnis mit einer allgemeinen Frage zur Handhabung von Spenden angeht, bleibt dabei ein Rätsel, dessen Auflösung nur Herr Kron kennen mag.
 
Nur Dank des Föderalismus' in Deutschland war es möglich, wenigstens brauchbare Antworten vom Finanzministerium Baden-Württemberg als Sitzland der involvierten Volksbank Main-Tauber sowie vom Bundesfinanzministerium in Berlin zu erhalten. Im Kern jedoch enthielten die Antworten die irritierende Botschaft, dass man diesen Spendeneinnahmen keine Beachtung schenkt. Möglicherweise weil man sie für zu gering hält und die gesellschaftspolitische Dimension nicht erkennt. Im Prinzip ideale Bedingungen für Geldwäsche und Terrorfinanzierung. (PK)
 
(1) http://newpi.wordpress.com/
(2) Vgl. PI 12.01.2014
 
Abraham Goldstein, geboren 1970 in Kansas, ist in NRW aufgewachsen. In den 1980er Jahren kehrte seine Familie zurück in die USA. Dort studierte er Politik und war als Journalist und Publizist tätig. Seit 2013 lebt er in Berlin.
 


Online-Flyer Nr. 471  vom 13.08.2014

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