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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Kultur und Wissen
Wie erkennen wir, was Wahrheit und was Lüge ist?
Im Labyrinth der (Des-)Informationen
Von Dr. Rudolf Hänsel

Sigmund Freud, Begründer der Psychoanalyse und einflussreicher Denker seiner Zeit, soll um die letzte Jahrhundertwende geäußert haben, die Welt sei ein Irrenhaus. Einige Jahre danach begann der Erste Weltkrieg. Heute, über 100 Jahre später, haben viele Menschen rund um den Erdball wieder dieses Gefühl, dass die Welt einem Irrenhaus gleicht: Die weltpolitischen und -wirtschaftlichen Ereignisse überschlagen sich, sind aber für die meisten von uns nicht mehr nachvollziehbar.
 
Obwohl wir den ganzen Tag über auf mehreren Kanälen „informiert“ werden, findet sich kaum noch jemand in diesem Labyrinth von Informationen und Desinformationen zurecht: Was z. B. spielt sich wirklich ab in der Ukraine und in Syrien? Steuert die Welt auf einen neuen großen Krieg zu? Wird die Weltwirtschaft kollabieren? Welche Rolle in diesem Welttheater spielen die Massenmedien? Gibt es überhaupt eine objektive Wahrheit und wie erkennen wir sie?
 
Wenn wir uns in dieser immer komplizierter werdenden Welt noch zurechtfinden und persönliche Entscheidungen für die Zukunft auf gesicherter Grundlage treffen wollen, müssen wir auf diese Fragen eine Antwort finden.
 
Quo vadis Ukraine, Syrien, Venezuela, Bosnien-Herzegowina, Mali?
 
Wohin führt die Reise in der ehemaligen Sowjetrepublik Ukraine und der Autonomen Republik Krim? Handelt es sich in Syrien, Venezuela, Bosnien- Herzegowina und in Mali „nur“ um hausgemachte Unruhen oder Bürgerkriege oder um Stellvertreterkriege der Großmächte? Um dies beurteilen zu können, sind wir auf objektiv berichtende Medien und unabhängige Analysten angewiesen. Der US-amerikanische Ökonom Paul Craig Roberts (1) und der frankokanadische Professor für Wirtschaftswissenschaften Michel Chossudovsky (2), Experte für die Militärpolitik der USA in Asien und auf dem Balkan, gehören neben anderen Persönlichkeiten zu diesen vertrauenswürdigen Analysten. Vertrauenswürdig sind sie m. E. dann, wenn sich ihre Analysen in der Praxis und im Laufe der Geschichte bestätigen.
 
Paul C. Roberts z. B. fragt vor dem Hintergrund der Neuauflage der inszenierten prowestlichen „Orangenen Revolution“ in der Ukraine, ob die Weltmächte am 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs wieder dabei seien, „sich schlafwandelnd auf den Weg in einen zerstörerischen Konflikt zu begeben. Sein Streben nach weltweiter Vorherrschaft hat Washington dazu bewogen, sich in die inneren Angelegenheiten der Ukraine einzumischen, aber die gegenwärtigen Entwicklungen entgleiten immer mehr der Kontrolle Washingtons.“ (3) Bereits Ende letzten Jahres schrieb er, dass Washington die Welt in Richtung Krieg steuere und es die USA nach der Niederlage gegen die Taliban nun mit Russland und China aufnehmen. (4) Michel Chossudovskys Rede bei der XIX. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2014 in Berlin befasste sich ebenfalls mit Amerikas Weltmachtstreben. Titel: „Imperial Conquest: America’s 'Long War’ against Humanity“ "(Imperialistische Eroberung: Amerikas 'langer Krieg' gegen die Menschheit"). (5) In diesem Vortrag nahm Chossudovski auch zum Krieg in Syrien Stellung, indem er sagte: „Der anhaltende Krieg gegen Syrien ist Ausgangspunkt für einen Krieg gegen Iran, der zu einem Prozess militärischer Eskalation führen könnte. Auch Russland und China, beide Verbündete von Syrien und Iran, befinden sich im Visier der USA-NATO.“ (6) Nicht nur die Umwälzungen in der Ukraine und auf der Krim stehen im Zusammenhang mit den geopolitischen Zielen des Imperiums, auch die von außen geschürten Unruhen im südamerikanischen Venezuela gegen den Nachfolger von Hugo Chávez, Nicolás Maduro, in Bosnien-Herzegowina und der Krieg im nordafrikanischen Mali.
 
Verdeckte psychologische Operationen (PSYOPS) Washingtons
 
Was sind die imperialen Interessen, die geopolitischen Ziele der USA? Zbigniew Brzezinski, ehemaliger Sicherheitsberater Präsident Carters, schreibt in seinem Buch „Die einzige Weltmacht – Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ (1999), dass seines Erachtens Eurasien – die europäischen und asiatischen Länder zwischen Lissabon und Wladiwostok – das Schachbrett ist, auf dem sich der Kampf um die globale Vorherrschaft abspielt. Das Gebot für Amerika laute, „keinen eurasischen Herausforderer aufkommen zu lassen, der den eurasischen Kontinent unter seine Herrschaft bringen und damit für Amerika eine Bedrohung darstellen könnte“. (7) Zu den machtpolitischen Interessen zählen nach Brzezinski auch konkrete wirtschaftliche Interessen wie z. B. die alleinige Sicherung und Kontrolle der Erdgas- und Erdölvorkommen dieser Welt. Über die Kontrolle dieser Rohstoffgebiete solle auch die Herrschaft über die aufstrebenden Volkswirtschaften Chinas und Indiens ermöglicht werden.“ (8) Da die aggressive imperialistische Geopolitik Gefahr läuft, die Möglichkeiten des US-Imperiums zu überdehnen, setzt man in den USA seit den großenteils erfolgreich verlaufenden „Bunten Revolutionen“ bzw. „postmodernen Staatsstreichen“ (9) zu Beginn dieses Jahrhunderts vermehrt auf „Soft Power“ (sanfte Macht) oder „Smart Power“ (geschickt genutzte Macht).
 
Die Operationen, die die „Propagandakrieger“ des Pentagon (Golinger) als „Soft-Power“-Methoden weltweit durchführen, werden psychologische Operationen („PSYOPS“) genannt und vom Pentagon als seine mächtigste Waffe angesehen. Zu den vielfältigen Methoden von „PSYOP“ gehören u.a. Flugblätter, Radio- und Fernsehsendungen, Filme, Jugendzeitschriften und die neuen Medien wie Internet, Handy, SMS. All diese Produkte zielen darauf ab, die Köpfe und Herzen jener Menschen innerhalb und außerhalb der USA zu gewinnen, die das Pentagon ins Visier nimmt. Dazu werden Erkenntnisse der Psychologie angewandt, manipulative Psychotechniken wie das „Neurolinguistische Programmieren (NLP)“ eingesetzt und professionelle spin doctors (Wahrheitsverdreher) engagiert. (10)
 
„Die Wahrheit ist gestorben und hat die Freiheit mit ins Grab genommen“, schrieb Paul C. Roberts bereits 2010: „Heute werden die US-Bürger durch Propaganda beherrscht. Sie scheren sich nicht um die Wahrheit, haben kaum Zugang zu ihr und nur begrenzte Fähigkeiten, sie überhaupt zu erkennen. Die Wahrheit ist nicht mehr gefragt. Sie stört nur. Sie ist tabu. Wer sie trotzdem ausspricht, läuft Gefahr, als ‚Antiamerikaner’, ‚Antisemit’ oder ‚Verschwörungstheoretiker’ gebrandmarkt zu werden.“ (11)
 
Mainstreammedien als „Fünfte Kolonne“ der Kriegsallianz
 
Die Mainstream-und Leitmedien sind größtenteils im Besitz der Hochfinanz und anderer mächtiger Gruppen und werden von ihnen und der Politik kontrolliert – und das nicht nur in den USA. Welche „Wahrheiten“ werden uns diese Sprachrohre der Mächtigen und Regierenden also verkaufen? Die täglichen Nachrichtensendungen und Zeitungsmeldungen sind deshalb für einen aufgeklärten Zeitgenossen kaum noch zu ertragen. Ständig gaukeln uns diese „willigen Helfer“ eine heile Welt vor, die nur durch Al-Qaida-Terroristen oder böse Buben wie den russischen Präsidenten Wladimir Putin gestört wird. Das Motto lautet: „Audacter calummniare: Semper aliquid haeret.” ("Verleumde nur frech: Es bleibt immer etwas hängen.") Die Berichterstattung über die Olympischen Winterspiele in Sotschi hat uns einen Eindruck von der derzeitigen rassistischen antirussischen Anti-Putin-Kampagne des Westens vermittelt, nachdem Russland unter Putin wieder eine führende Rolle in der Weltpolitik übernommen hat.
 
Eigentlich sind die Massenmedien gemäß nationaler und internationaler Vereinbarungen der wahrheitsgemäßen Information von uns Bürgern und dem Frieden verpflichtet. Doch seit eh und je sind sie – wie es Bertha von Suttner ausdrückte – „Werkzeuge der Kriegsministerien“ und stehen „im Dienst der Kriegshetze und Hasspropaganda“ sowie „im Dienst der Verdummung der Massen“. (12) Damit verhalten sie sich wie eine „Fünfte Kolonne“ der Kriegskoalition, für die sie mehr oder weniger subversiv tätig sind. Der österreichische Schriftsteller und Publizist Karl Kraus sprach deshalb von seinen Journalisten-Kollegen in Anlehnung an das französische Wort „Kanaille“ abwertend von „Journaille“, was so viel wie „Presse-Gesindel“ oder „Presse-Pack“ bedeutet.
 
In den USA sollen bald offizielle „Aufpasser“ bzw. „Politkommissare“ der Obama-Regierung in den Nachrichtenredaktionen in ganz Amerika „den Journalisten, Redakteuren und Herausgebern über die Schulter schauen, wenn diese ihre redaktionellen Entscheidungen treffen“. (13) Kein Wunder, dass nach einer Gallup-Umfrage nur 23 Prozent der Amerikaner den Fernsehnachrichten vertrauen. (14) In Deutschland vertrauen die Bürger nur Versicherungsvertretern (19,4 %) und Politikern (15,1 %) noch weniger als Journalisten (37 %). (15)
 
Was ist Wahrheit?
 
Wahrheit ist die Übereinstimmung des Denkens mit den Dingen. Ein Gedanke ist nur dann wahr, wenn er durch einen Sachverhalt belegt werden kann. Dabei gibt es eine Rangordnung unter den Wahrheiten: Wahrheiten über die menschliche Zukunft haben einen höheren Wert als Wahrheiten über die Vergangenheit des Menschen (Geschichte) oder die Gegenwart. Es ist gut, wenn man weiß, was gewesen ist; es ist besser, zu wissen, woran man hier und jetzt ist; am besten aber ist es, wenn man weiß, was sein soll. Philosophen sowie andere Intellektuelle, die für sich und andere Menschen (denkend) Verantwortung übernehmen, müssten uns deshalb vor allem sagen, was wir tun sollen; denn die Wahrheit allein kann uns frei machen.
 
Der große russische Schriftsteller Leo N. Tolstoi schrieb in seiner „Rede gegen den Krieg“ 1909, dass sich in den Händen der Mächtigen Milliarden von Geld und Millionen von Soldaten befänden, dass sich in unseren Händen nur ein Mittel, aber das allerwichtigste Mittel der Welt befände, die Wahrheit. Und deshalb sei uns der Sieg gewiss – aber nur unter der Bedingung, „dass wir die Wahrheit verkündigen und sie rückhaltlos, ohne Umschweife, ohne jede Konzession, ohne jede Milderung heraussagen“. (16). Der englische Literaturnobelpreisträger Harold Pinter, der auf seiner Nobelpreisrede 2005 über die Suche des Schriftstellers nach Wahrheit sprach und dabei die USA als „brutal, verächtlich und skrupellos“ bezeichnete, meinte abschließend, man müsse „den existierenden, kolossalen Widrigkeiten zum Trotz“, die Entschlossenheit bewahren, „als Bürger die wirkliche Wahrheit unseres Lebens und unserer Gesellschaften zu bestimmen“. Und weiter: „Wenn sich diese Entschlossenheit nicht in unserer politischen Vision verkörpert, bleiben wir bar jeder Hoffnung, das wiederherzustellen, was wir schon fast verloren haben – die Würde des Menschen.“ (17)
 
Wie erkennen wir, was Wahrheit und was Lüge ist?
 
Zunächst ist klar zu stellen, dass wir Menschen fähig sind, die Wahrheit zu erkennen. Das widerspricht der Auffassung des Konstruktivismus, dass ein erkannter Gegenstand vom Betrachter selbst durch den Vorgang des Erkennens konstruiert wird, jeder Mensch die Wahrheit dadurch anders wahrnimmt und somit keiner seiner eigenen Wahrnehmung trauen kann. Sodann lässt sich bereits aus dem bisher Gesagten der Schluss ziehen,
 
- dass wir den Regierenden sehr kritisch gegenüberstehen sollten, weil diese durch Propaganda und Manipulation die Wahrheit zu verschleiern suchen,
 
- dass wir auch gegenüber der Berichterstattung der Mainstream- und Leitmedien sehr misstrauisch sein sollten, da sie fest in der Hand der Hochfinanz und der Regierenden sind,
 
- dass wir keine Mühe scheuen sollten, unabhängige Experten und Medien zu Rate zu ziehen, deren Integrität wir immer wieder aufs Neue überprüfen, (wer z.B. zu Hass und Aufruhr oder gar Krieg aufruft, diskreditiert sich von selbst), und
 
- dass wir insgesamt nicht zu schnell urteilen, sondern die zur Verfügung stehenden Argumente und Gegenargumente immer wieder kritisch überprüfen.
 
Auch ist die Selbsterkenntnis hilfreich, dass wir als Kinder unserer Kultur aufgrund von Minderwertigkeitsgefühlen oder aus Angst oft verblendet sind und uns durch staatliche Manipulation und Indoktrination schnell verunsichern lassen. Andere wiederum sind leichtgläubig, lassen sich von gängigen Vorurteilen leiten und nehmen nur das zur Kenntnis, was sie hören wollen. Oder sie lassen es nicht gerne zu, dass ihre kindlichen Sehnsüchte und Illusionen durch harte Tatsachen erschüttert werden. Die beruhigende Selbsttäuschung ist manch einem lieber als der Gedanke an die Gefahr, von der er annimmt, dass sie ihn schon verschonen wird.
 
Um die Lüge von der Wahrheit unterscheiden zu können, bedarf es auch eines guten Menschen- und eines realistischen Weltbilds als Resultat einer positiv verlaufenden Erziehung und Bildung durch aufgeklärte Erzieher in Elternhaus und Schule. So muss man wissen, dass der Mensch von Natur aus gut ist, aber sehr irritiert sein kann. Machtgier in Wirtschaft und Politik sind z. B. solch schwere Irritationen, die immer wieder zu menschlichen Katastrophen führen. Auch ist der Mensch ein soziales, kooperatives, von Natur aus nicht aggressives Wesen. Kriege werden deshalb gemacht, weil sie ein gutes Geschäft sind, nicht weil sie der Natur des Menschen entsprächen. Wertvoll ist es ebenso, sich von der kindlichen Vorstellung einer heilen Welt zu verabschieden. Nichts überlassen die gierigen Plutokraten und die ihnen hörigen Regierungen der Welt dem Zufall; alles wird von oben gesteuert. Sollte es uns aber gelingen, ein gesundes Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln und das Bewusstsein, dass das einzige, was die Menschheit zu retten vermag, die Zusammenarbeit ist, dann werden wir gemeinsam mit unseren Mitmenschen der Wahrheit immer ein Stück näher kommen.
 
Vermittlern der Wahrheit eine Chance geben
 
Eine Reihe unabhängiger, ethisch handelnder Experten stehen ja als Vermittler der Wahrheit bereit. Geben wir ihnen eine Chance. Wenn wir sie vorurteilsfrei anhören, beherzigen wir auch den Grundsatz aus dem römischen Recht “Audiatur et altera pars“ („Man höre auch die andere Seite“). Die Zukunft unserer Kultur wird wesentlich davon abhängen, ob es genügend dieser „Aufklärer“ geben wird, die imstande sein werden, den Völkern jene Vorurteile zu nehmen, die der ideologische Hintergrund der Menschheitskatastrophen sind. In einer Zeit, in der die Selbstvernichtung der Menschheit durch die Atombombe und weitere verheerende Kriegswaffen möglich ist, bedürfen wir mehr denn je „freier Geister“, die uns lehren, was Wahrheit und was Lüge ist. (PK)
 
(1) www.paulcraigroberts.org
(2) www.globalresearch.ca
(3) Kopp online v. 24.02.2014
(4) Kopp online v. 7. u. 18.12.1013
(5) www.gloabalresearch.ca/imperial-conquest-americas-long-way-against-humanity.html
(6) www.jungewelt.de/beilage/art/3280
(7) A.a.O., S. 16
(8) A.a.O., S. 4
(9) Tarpley, W. G. (2008). Barack Obama. Wie ein US-Präsident gemacht wird, S. 36
(10) S. Golinger, E: (2009). Psychologische Operationen (PSYOPS) gegen Venezuela: Washington und sein Krieg gegen die Bolivarianische Revolution, S. 3ff.
(11) www.informationclearinghouse.info/article25066.htm
(12) V. Suttner, B. (1889) u. (1977). Die Waffen nieder, S.XIX
(13) Kopp online v. 21.02.2014
(14) A.a.O.
(15) Spiegel online v. 21.02.14
(16) Tolstoi, L. N. (1968). Rede gegen den Krieg, S.163f.
(17) Zit. n. Spiegel online v. 7.12.2005
 
Dipl.-Psych. Dr. Rudolf Hänsel ist Psychologe in eigener Praxis in Lindau (Bodensee)
www.tugenderziehung.com
 


Online-Flyer Nr. 449  vom 12.03.2014

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