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Aktueller Online-Flyer vom 18. April 2024  

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Aktuelles
KIT Karlsruhe: Militärfinanzierung raus! Zivilklausel rein!
Die Fabel „Reine Grundlagenforschung“
Von Peter Kleinert

Hier eine Pressemitteilung der Initiative gegen Militärforschung an Universitäten vom 26. Januar zur Pentagon-Finanzierung von Forschungs-Projekten des Karlsruher Instituts für Technologie KIT unter dem Titel „Friedliches KIT gefordert II“. Dies ist eine Antwort auf die Entgegnung des KIT-Präsidenten Prof. Hanselka am 24. Januar bei ka-news auf die Pressemitteilung der Initiative vom 19. Januar (unten angefügt) unter dem Titel „Friedliches KIT gefordert“.
 
Die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten hatte in einer Presse-Erklärung am 19. Januar ihre Bestürzung über das Ausmaß an militärischer Finanzierung für Forschungsprojekte des Karlsruher Instituts für Technologie KIT erklärt und die unverzügliche Beendigung eines laufenden vom Office of Naval Research (US-Marine) finanzierten Projekts sowie erneut die Zivilklausel für das KIT gefordert. Das Online-Magazin ka-news [1] hatte die Presse-Erklärung der Initiative veröffentlicht. KIT-Präsident Prof. Holger Hanselka sagte dem Magazin dazu in einem Interview [2], bei allen Projekten handele es sich um „reine Grundlagenforschung ohne militärischen Charakter“ und die Zivilklausel sei ein „Totschläger-Argument“.
 
Dazu erklärt die Initiative:
1. Die in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE veröffentlichte Tabelle [3] enthält das am KIT vom Office of Naval Research (ONR) finanzierte Informatik-Projekt “Dynamic Data to Decisions” mit einer Laufzeit 2013/14, dessen Einstellung wir verlangen. Im Internet wimmelt es von einschlägigen Konferenz-Beiträgen über den Charakter dieser Forschung für militärische Zwecke, so in den jährlichen internationalen »Information Fusion«-Konferenzen mit Dutzenden von vortragenden Wissenschaftlern aus dem KIT, Fraunhofer-Instituten und der Weltraum-Rüstungsschmiede EADS, mit Sponsoring von ONR, THALES und BAE, mit Vorträgen von hunderten Referenten aus Militärforschungs-Institutionen aus Großbritannien, Australien, Singapur, Kanada, China, Schweden, Polen und der Türkei. Die zivil-militärische Informatik-Forschung wie die anderen in der Tabelle [3] angeführten KIT-Projekte mit US-Militärfinanzierung seit 2003 wurden absichtsvoll verschwiegen. Im Gegensatz zur Behauptung von Prof. Hanselka gibt es einen eindeutig militärischen Hintergrund und genau deswegen die ONR-Finanzierung. Andere machen nicht den geringsten Hehl aus den militärischen Zwecken. Als Kostprobe hängen wir den Eröffnungsbeitrag der »Information Fusion«-Konferenz 2013, vorgetragen von einem Referenten aus dem britischen Verteidigungsministerium an (*). Co-Chair der Konferenz war ein KIT-Wissenschaftler.
 
2. Die Frankfurter Allgemeine [4] hatte am 21. Sept. 2013 festgestellt: „Eine »Zivilklausel« - das Verbot, militärisch zu forschen - will der KIT-Präsident in Karlsruhe nicht einführen, obwohl er sie als Vizepräsident der TU Darmstadt durchgesetzt hat.“ Das bedeutet, Prof. Hanselka hat sich, wenn man seine Einlassungen ernst nimmt, an der TU Darmstadt, zuletzt als deren Vize-Präsident, an der Einführung einer Zivilklausel beteiligt, die er heute als „Totschläger-Argument“ bezeichnet. Aufgrund von demokratischen Senatsbeschlüssen gibt es inzwischen an 14 Hochschulen [5] Zivilklauseln. Nach dem Willen des SPD-Landesparteitags 2013 in Baden-Württemberg [6] soll die Zivilklausel Bestandteil des Hochschulgesetzes und des KIT-Gesetzes werden. Der AStA [7] hatte unter Verweis auf die Erfahrungen Prof. Hanselkas an der TU Darmstadt erwartet, dass er zur Belebung der am KIT festgefahrenen Zivilklausel-Debatte beiträgt.
 
3. Nur ein ermutigendes Beispiel aus dem Ländle für verantwortungsbewusste Wissenschaft: Prof. Gregor Lang-Wojtasik, Erziehungswissenschaftler an der PH Weingarten, der sich für eine Zivilklausel [8] einsetzt, erklärte kürzlich in einer bewegenden Grußbotschaft [9] zu einer Konferenz [10] für militärfreie Schulen und Hochschulen (s. Reader u.a. mit Ini-PM 19. Januar): „Wir arbeiten an der Schärfung des Bewusstseins der Hochschulmitglieder, dass Kriegspolitik nicht an den Werkbänken der Unternehmen in der Region beginnt, sondern in den Köpfen derer, die eine solche Produktion hinnehmen und sich einer Politik anvertrauen, die Frieden mit Sicherheit gleichsetzt. Unsere Studierenden sind mit Heranwachsenden konfrontiert, die konstruktive Konfliktlösungen kennen lernen sollen, um demokratisch zu handeln.“ Sein Mitstreiter, der katholische Theologe und Dekan der PH, Prof. Lothar Kuld, brachte laut Schwäbischer Zeitung [11] vom 22. Januar diese Position so zum Ausdruck: »Eine Zivilklausel würde der PH gut tun. Sie würde das Bewusstsein für die Ausrichtung und Zwecke der Hochschule schärfen. Und die können in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft nur zivil sein. Dazu sollten wir unsere Jugend erziehen.« Und selbst wenn er mit der Klausel scheitern sollte: »Wichtig ist bereits der Weg dorthin, und dass wir darüber diskutieren.«
 
Die Initiative bittet Prof. Hanselka erneut, für einen fairen Dialog über die Zivilklausel und die Kritik an der Militärforschung des KIT zu sorgen.
Mit freundlichen Grüßen
für die Initiative
gez.                             gez.                             gez.                             gez.
Nadja Brachmann     Dagmar Hamdi          Ullrich Lochmann      Dietrich Schulze
 
(*) 16. »Information Fusion«-Konferenz im Juli 2013 in Ankara: Eröffnungsbeitrag von Jack Lemon vom britischen Verteidigungsministerium zum Thema „Agile militärische Fähigkeiten: Wie uns die »Information Fusion«-Gemeinschaft helfen kann“ (Kurzfassung):
 
„Wie uns globale Ereignisse ständig vor Augen führen, leben wir in einer gefährlichen und unberechenbaren Welt. Nur weniges spricht überzeugend dafür, dass die Welt bis 2040 friedlicher wird. Der Druck aufgrund von Ressourcen, Klimawandel, Bevölkerungswachstum und einer sich verändernden Machtverteilung wird voraussichtlich die Instabilität und Wahrscheinlichkeit bewaffneter Konflikte vergrößern.
Die globale Verfügbarkeit von Technologien bei zunehmendem Tempo des technischen Wandels bedeutet, dass unser Militär bei der Bereitstellung von Verteidigung und Sicherheit vor wachsenden Herausforderungen und vielfältigen Bedrohungen steht. Dazu gehören voraussichtlich nicht nur anspruchsvolle militärische Waffen, sondern auch innovative, einfallsreiche Anwendungen leicht verfügbarer ziviler Technologien. Kommt menschliches Streben und Einfallsreichtum hinzu, der sich in innovativen Strategien, Taktiken und Doktrinen ausdrückt, kann dies radikale Veränderungen des Charakters von Kriegen oder der Art der Kriegführung herbeiführen.
Zukünftige Militäroperationen werden vermutlich einen Schwerpunkt auf kulturelles Verständnis, auf ein Verstehen des Gegners und komplexer Situationen legen, damit es möglich wird, von kinetischen zu einflussnehmenden Aktivitäten überzugehen.
In einer solchen komplexen und unsicheren Zukunft sind Fähigkeiten erforderlich, die sehr viel schneller angepasst werden können als mit früheren Generationen der Ausrüstung. Da heute die Fähigkeit fortgeschrittener Systeme weitgehend von Algorithmen bestimmt wird, spielt die »Information Fusion«-Gemeinschaft eine wichtige Rolle, um flexible, anpassungsfähige Systeme für unsere militärischen Erfordernisse zu erhalten.“
Engl. Fassung [12] Power-Point-Vortrag [13] KIT-Prof als Co-Chair [14] Konferenz-Broschüre [15]
 
Quellen:
[1] http://www.ka-news.de/region/karlsruhe/studieren-in-karlsruhe./5-US-Projekte-am-KIT-Initiative-fordert-Einstellung-von-Militaerforschung;art6066,1309433
[2] http://www.ka-news.de/region/karlsruhe/studieren-in-karlsruhe./KIT-Praesident-Belastung-der-Studenten-ist-nicht-hoeher-als-frueher;art6066,131215
[3] http://www.nicole-gohlke.de/images/KA_Antwort_18_119_Tabelle1.pdf
[4] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20130921.pdf
[5] http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20130717.pdf
[6] http://beschluss.spd-bw.de/index.php?title=Zivilklausel_in_das_Landeshochschulgesetz_%28Reutlingen%29
[7] http://www.usta.de/sites/www.usta.de/files/pm/20131003_pm_neuer_kit_praesident_hanselka.pdf
[8] http://www.schwaebische.de/region/oberschwaben/weingarten/stadtnachrichten-weingarten_artikel,-Professor-will-Forschung-fuer-Militaer-ausschliessen-_arid,5519145.html
[9] http://www.trueten.de/uploads/Reader_CC20140122.pdf
[10] http://bawue.dfg-vk.de/fileadmin/user_upload/Aktionskonferenz_22.1._kurz_01.pdf
[11] http://www.schwaebische.de/region/oberschwaben/weingarten/stadtnachrichten-weingarten_artikel,-Die-Zivilklausel-bleibt-umstritten-_arid,5573509.html
[12] http://www.fusion2013.org/plenary.php
[13] http://www.fusion2013.org/images/20130701-ISIF_presentation_ver4c-U.ppt
[14] http://www.fusion2013.org/committee.php
[15] http://isif.org/fusion/proceedings/fusion2013/html/programBook.pdf
 
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Pressemitteilung der Initiative gegen Militärforschung an Universitäten 19. Januar 2014
Friedliches KIT gefordert
Militärfinanzierung raus! Zivilklausel rein!
Die Initiative gegen Militärforschung an Universitäten erklärt ihre Bestürzung über das Ausmaß an militärischer Finanzierung für Forschungsprojekte des Karlsruher Instituts für Technologie KIT und fordert Konsequenzen. Wie erst kürzlich aufgrund der Antwort der Bundesregierung auf eine Bundestagsanfrage der Fraktion DIE LINKE. bekannt wurde, sind seit 2003 fünf Forschungsprojekte mit US-Militärfinanzierung in einer Gesamthöhe von etwa 1 Mio. Dollar bearbeitet worden.
Ein Geothermie-Projekt war bereits im November 2013 Gegenstand der öffentlichen Kontroverse. Nach Angabe der Bundesregierung hat das KIT an weiteren drei derartigen Projekten bis August 2013 geforscht. Für ein fünftes Forschungsprojekt aus dem Bereich der Informatik mit einem Volumen von knapp 100.000 Dollar wird der Bearbeitungszeitraum 2013-2014 angegeben.
Die Initiative fordert das KIT-Präsidium auf, dieses Projekt unverzüglich zu beenden und nicht verbrauchte Mittel an das Office of Naval Research (US-Marine) zurück zu geben.
Die Initiative hat einen Brief an KIT-Präsident Prof. Hanselka geschrieben, in dem ausführlich begründet gegen jegliche Militärfinanzierung des KIT (neben weiteren suspekten Problemfeldern) argumentiert und um ein Gespräch im Sinne eines Dialogs gebeten wird, zu dem sich Prof. Hanselka in einem VDI-Interview bekannt hat.
Für die öffentliche Bildungs- und Forschungseinrichtung wird seit einem Studierendenvotum von 2009 eine Zivilklausel gefordert, die den Verzicht auf Forschung und Lehre für militärische Zwecke vorsieht. Diese Forderung wurde zuletzt durch einen Beschluss des SPD-Landesparteitags 2013 Baden-Württemberg bekräftigt.
Die Initiative teilt bei dieser Gelegenheit mit, dass sie einen SprecherInnenkreis gebildet hat, dem Nadja Brachmann, Dagmar Hamdi, Dr. Ullrich Lochmann und Dr. Dietrich Schulze angehören.
Mit freundlichen Grüßen
für die Initiative
Nadja Brachmann Dagmar Hamdi   Ullrich Lochmann   Dietrich Schulze
 
Kontakt: Initiative und SprecherInnenkreis
Dr. Dietrich Schulze dietrich.schulze@gmx.de
Initiative gegen Militärforschung an Universitäten
WebDoku www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf
(PK)


Online-Flyer Nr. 443  vom 29.01.2014

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