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Aktueller Online-Flyer vom 28. März 2024  

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Inland
Einrichtung einer Professur zu Ehren des ehemaligen US-Außenministers?
Widerstand in Bonn gegen "Kissinger-Professur"
Von Lukas Mengelkamp

In Bonn mehrt sich die Kritik an einer neuen Professur für Internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung, die nach dem ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger benannt werden soll. Bei einer öffentlichen Veranstaltung wurde die Entscheidung der Universitätsleitung hinterfragt und auch im akademischen Mittelbau regt sich Widerstand.
 

US-Präsident Nixon und Henry Kissinger:
Kein Vorbild für Forschung und Lehre
Quelle: National Archives 
"Wie kommt man nur auf die Idee, nach Henry Kissinger eine Professur für Völkerrechts-ordnung zu benennen?", fragten unlängst Besucher einer der Veranstaltungen. Die Diskus-sionsrunde war von der vor allem studentisch organisierten "Bonner Initiative gegen die Henry-Kissinger-Professur" organisiert worden. Es war die zweite große Veranstaltung nach einer kritischen Debatte, die am 4. Dezember von Wissenschaftlern der Asienfor-schung organisiert worden war.
 
Die Initiative hat sich gebildet, um auf die dunkle Seite des politischen Schaffens von Henry Kissinger aufmerksam zu machen, dem zu Ehren das Bundesverteidigungsministerium, das Auswärtige Amt und die Universität Bonn die Professur einrichten wollen. Die Initiative besteht aus studentischen Gruppen und dem Arbeitskreis Nord-Süd der Bonner Grünen, aber auch aus nicht organisierten Studierenden und Bonner Bürgerinnen und Bürgern. Im November zeigte sie den Oscar-prämierten Film "Missing" des griechisch-französischen Regisseurs Constantin Costa-Gavras. Der Streifen spielt während des Putsches in Chile 1973 und thematisiert den Mord am US-Staatsbürger Charles Horman durch die neue Junta in Mitwissenschaft der in den Putsch verwickelten US-Behörden.
 
Im Dezember wurde eine Vortragsveranstaltung mit dem emeritierten Soziologen und Lateinamerika-Kenner Klaus Meschkat organisiert. Meschkat hatte 1973 seine Arbeit als Professor für Soziologie in der chilenischen Hafenstadt Concepción aufgenommen, als das Militär unter seinem Oberbefehlshaber Augusto Pinochet gegen die demokratisch gewählte sozialistische Regierung von Salvador Allende putschte. Dabei konnte sich das Militär dank Henry Kissinger der Hilfe der USA erfreuen. Meschkat traf das Schicksal viele linker oder vermeintlich linker Intellektueller zu der Zeit: Er wurde vom Militär verhaftet und in eine Basis der Marine gebracht, die bald zu einem Konzentrationslager umgebaut wurde. Was sein Schicksal von dem anderer unterscheidet ist, dass er auf die Initiative des damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Wischnewski freigelassen und des Landes verwiesen wurde. Andere mussten schwerste Folter über sich ergehen lassen. Bis zu 3.000 Menschen wurden entweder sofort vom Militär ermordet oder überlebten die Folter nicht.
 
Klaus Meschkat drückte am Ende seines Vortrags über seine Zeit in Chile noch einmal seine Entrüstung über die geplante "Henry-Kissinger-Professur" aus. Man könne Kissinger viele Leistungen zurechnen, doch diese könnten niemals seine Verantwortung für die Massenbombardements über Vietnam, Kambodscha und Laos, seine Unterstützung der chilenischen und argentinischen Militärjuntas und seine Billigung des Angriffskrieges Indonesiens gegen Osttimor entschuldigen. Für jemanden, der noch die Proteste gegen die Wiederbewaffnung Westdeutschlands erlebt hat, sei die Finanzierung eines Lehrstuhls an einer deutschen Universität durch das Bundesverteidigungsministerium im Übrigen bis vor kurzem kaum vorstellbar gewesen.
 
Mittlerweile ist es ungefähr ein halbes Jahr her, dass die Universität Bonn und die Ministerien für Verteidigung und Äußeres bekannt gaben, eine sogenannte "Henry Kissinger Professur für Internationale Beziehungen und Völkerrecht" einzurichten. Insgesamt wollen die beiden Ministerien 300.000 Euro pro Jahr an die Universität überweisen.
 
Die Proteste gegen das Vorhaben sollen auch im neuen Jahr fortgesetzt werden. Die Aufnahme des Lehr- und Forschungsbetriebs ist für das Wintersemester 2014 geplant. Bis dahin kann sich die Universität noch entscheiden, ob sie wirklich ein Forum bieten möchte, um "sicher(zu)stellen, dass die außerordentlichen Leistungen Henry Kissingers auf den Gebieten der Diplomatie, Strategie und der transatlantischen internationalen Beziehungen die sicherheits- und verteidigungspolitische Debatte dauerhaft beflügeln“, wie der ehemalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière sagte. (PK)
 
 
Diesen Artikel haben wir mit Dank vom Portal amerika21.de http://amerika21.de/2013/12/95853/bonn-kissinger-protest übernommen.
 


Online-Flyer Nr. 439  vom 01.01.2014

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