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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Kommentar
Kommentar vom Hochblauen
Diskrete Strippenzieher mit dem Finger am Abzug
Von Evelyn Hecht-Galinski

Ich schrieb einmal, auf Israel bezogen: "Wenn man auf einer Insel lebt, muss man sich das Meer zum Freund machen". In der Tat, Israel wähnt sich als Insel im Chaos. Was für eine Wahrnehmung. Klar, wenn man selbst daran beteiligt ist Chaos zu erzeugen, um von israelischen Interessen abzulenken. Wer spricht noch von den völkerrechtswidrigen Siedlungen und immer neuen Bauankündigungen? Während der sogenannten Friedensgespräche mit den Palästinensern bleiben die besiedelten Territorien nach Israels Meinung doch sowieso in "jüdischer" Hand?

Cartoon: Kostas Koufogiorgos
 

Der "jüdische Staat" kann sich im Windschatten von Chaos und Schrecken immer gelassener auf Siedlungen und Besatzung zurückziehen und der Welt weismachen, dass er als einziger Fels in der Brandung gegen Islamisten und Terror, als Bollwerk des Westens übrig bleibt. Der Mythos "der einzigen Demokratie" im Nahen Osten und der ständigen Sicherheitsbedrohung durch die Nachbarstaaten und den Iran muss nur ständig wiederholt werden, um von der Welt als Gehirnwäsche gespeichert zu bleiben. Schlägt man jetzt die Zeitungen auf, liest man mehr über die gefährdete Sicherheitslage für Israel, schaltet man den Fernseher ein, ein ähnliches Szenario. Israel hat es wieder einmal meisterhaft verstanden, die Propaganda in die richtige Richtung für die eigenen Belange zu ziehen. Ministerpräsident Netanjahu sagte nach der wöchentlichen Sitzung des Sicherheitkabinetts:"Wir haben den Finger am Abzug".
 
Unterstützte Israel vorher das Mubarak Regime, so schlug man sich jetzt folgerichtig auf die Seite der Putschisten, also auf die Sisi-Seite des ägyptischen Militärs. Israel arbeitet auch schon wieder mit Ägypten zusammen, es heißt laut Haaretz, dass der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Beth extra eine eigene Einheit gebildet hat, die "diskret" ihre Erkenntnisse mit den ägyptischen Truppen teilt, um Anschläge aus dem Sinai zu vereiteln. Israel weiß nur zu genau, dass große Teile der ägyptischen Bevölkerung nicht vergessen haben, wie eng die Zusammenarbeit mit dem Mubarak-Regime und Israel war. Es gab eine große Unterschriftenaktion in Ägypten, mit schon mehr als 300.000 Unterzeichnern. Auch der Tamarod Bewegung, also den Demonstranten gegen Mursi und die Muslimbrüder kommt langsam ein Zweifel hoch, ob denn dieser Umsturz durch das Militär wirklich in die richtige Richtung führt. Tatsächlich ist der alte Spitzelstaat wieder auferstanden. Alle haben Angst und sind verdächtig, Islamisten, Christen, Journalisten und Ausländer.
 
Fassen wir einmal zusammen, Mubarak wurde gestürzt, aber was war das für ein Sturz? Er wurde für 2 Jahre in Untersuchungshaft gesteckt, aus der man ihn jetzt aus formalen Gründen entlassen musste und unter Hausarrest stellte. Warum, wurde sein Prozess und der seiner Söhne so verschleppt? Weil man Mubarak und seinen Clan gar nicht verurteilen will. Das erscheint auch mehr als verständlich, da die Verbindungen der alten Mubarak-Pharaonen zur Militärbande nie beendet wurde. Die Interessen dieser Gruppe waren immer deckungsgleich. Beide halten die Kontrolle über die Milliarden und die Wirtschaft. So ist es folgerichtig, wenn Israel sich immer mit Militärdiktaturen so ausgesprochen gut versteht und diese tatkräftig unterstützt. Dass ging von Chile bis Argentinien, dass ging von Südafrika bis Indonesien, das ging vom Schah-Iran, bis Griechenland und Taiwan, oder im Kampf gegen die Tamilen.
 
Der Mossad war ein guter Lehrmeister und die israelische Waffenindustrie ist ein starker Faktor. Genauso wie Israel sich mit Diktaturen gut versteht, schafft die israelische Propaganda-Industrie es immer wieder, nicht genehme Staaten oder Organisationen auf Terrorlisten zu setzen. Hat nicht Israel, wie mehrere US-Zeitungen berichteten, seine Botschafter in den Hauptstädten angewiesen die jeweiligen Regierungen auf "Schmusekurs" gegenüber dem Sisi-Regime zu halten, zu dem Israel gute Beziehungen hält. Hier unterstützt man gemeinsam mit den USA, Saudi-Arabien, Qatar und Kuwait das ägyptische Militär, um die von Israel gewünschte "Ruhe" aufrecht zu erhalten und eigene Interessen zu verfolgen. Da braucht es auch diese Putsch-Regierung nicht weiter ernst zu nehmen, wenn die US-Waffenhilfe weg fällt, da springen Saudi Arabien und reiche Golfstaaten sofort ein. Schließlich haben sie diesen "Umschwung" auch so vorteilhaft für sich inszeniert.
 
Kommen wir zu Syrien, hier liegen die Dinge etwas anders. In Syrien unterstützt Israel nicht mehr den Machthaber Assad, sondern versucht mit allen Mitteln, die USA und die Verbündeten endlich in den Krieg gegen Assad zu zwingen. Der "jüdische Staat" ist bestürzt über die Toten. Ministerpräsident Netanjahu äußerte sich "bestürzt über den Einsatz chemischer Waffen gegen Zivilisten", wollte sich aber noch nicht über den Verursacher auslassen. Das erscheint mir mehr als berechtigt, denn ob es sich um chemische Kampfstoffe und welche, oder  wer sie eingesetzt hätte, wenn es denn so wäre ist momentan überhaupt nicht auszumachen. Verstärkt sich vielmehr der Eindruck, dass hinter dieser „Giftgas Provokation“ Gegner von Assad stehen. Auch Saudi Arabien spielt in diesem Fall meiner Meinung nach ein gefährliches Spiel und waren Fotos, die die Opposition verbreitete und die das angebliche Massaker zeigten, nicht schon einen Tag vor dem Vorfall auf Al Jazeera und im Netz? Ich halte Assad auch nicht für so dumm, als das er vor den Augen der UN-Kampfstoff-Experten der Verursacher dieser Angriffe ist.  Am Sonntag gestattete er den UN-Inspekteuren sich zu den Schauplätzen der Giftgas-Attacke (?) zu begeben. Er garantierte in diesem umkämpften Gebiet für Waffenruhe zu sorgen, daher auch die Verzögerung. Aber ob diese Tatsache den USA, Großbritannien und Frankreich ausreichen wird, um ihren "Finger vom Abzug" zu nehmen erscheint mir mehr als fraglich, da die Ampeln auf Kriegsgrund stehen. Es ist zu hoffen, dass Russland und Präsident Putin sich nicht beirren lassen und dagegen einschreiten werden.

Ganz anders "Kriegsminister" Mosche Jaalon; dieser meinte, "nicht zum ersten Mal setzt das syrische Regime Chemiewaffen ein". Israel verstand es auch hier meisterhaft, den USA und den Europäern, wegen ihres Zögerns in den Krieg gegen Assad zu ziehen, die Mitschuld an den schrecklichen Geschehnissen zu geben. Die "roten Linien", die Ministerpräsident Netanjahu so gern auch mit Zeichnungen von einer Iran-Bombe vor der UNO benutzte, und die Präsident Obama zog, wenn Giftgas gegen die syrische Bevölkerung eingesetzt werden sollte, ist inzwischen zu einem Muster ohne Wert geworden. Netanjahu droht damit, dass es auch für Israel wieder "rote Linien" gäbe, wenn das "syrische Regime" "strategische Waffen" an radikale Gruppen liefern würde (Hisbollah?), dann behalte man sich das Recht vor militärisch einzuschreiten. Natürlich gilt das auch für Raketen und chemische Waffenlieferungen; mit toxischen Stoffen kennt man sich aus im "jüdischen Staat. In der Nacht zum Sonntag telefonierten die zwei Abhörexperten Präsident Obama und Premier Cameron 45 Minuten, um die Luftschläge als Reaktion gegen Syrien und Assad zu besprechen. Ein vorhersehbarer Kriegsgrund scheint endlich gefunden, zu Mal Frankreich und Großbritannien keine Bedenken haben, auch ohne UN-Mandat einzugreifen. Libyen und Irak lassen grüßen!
 
Fragen wir uns doch einmal, wo die roten Linien sind, die Israel schon längst überschritten hat und nur für andere zieht. Natürlich wird auch schon wieder mit dem Holocaust von verschiedenen Politikern und Journalisten mit dem Holocaust argumentiert. Da kommen dann die üblichen Töne wie: "Schon im Zweiten Weltkrieg hat die Welt nichts getan um den Holocaust zu stoppen". Zalman Schoval, ein ehemaliger Scharon-Berater und Botschafter Israels in den USA, den ich noch in unguter Erinnerung habe, als er vor Jahren schon immer im DLF-Interviews vor "palästinensischen Terror gegen das kleine Israel warnte", der vergleicht jetzt den Syrien-Konflikt mit dem Atomkonflikt mit dem Iran :"Wir können uns nur auf uns selbst verlassen". Netanjahu setzte dann noch nach und bezeichnete Syrien als ein "Experimentierfeld Irans". Ich kann mich nur an ein "Experimentierfeld/Labor" erinnern, nämlich Gaza, und sehe noch heute die schrecklichen Leichenbilder von aufgeblähten Körpern, auch Kinderkörpern vor mir, die mit neuesten Waffen und Kampfstoffen ermordet von der IDF (Israelischen Verteidigungsarmee) nach der Aktion "Gegossenes Blei" zu sehen waren! Aber wer spricht noch über Gaza und die dort Eingeschlossenen, denen es immer schlechter geht? Hier unterstützt man also die Opposition, weil man sich davon eine Schwächung von Iran verspricht, und durch den Sturz von Assad meint man das Golan-Problem für immer zu Gunsten Israels zu lösen.
 
Kommen wir noch zum Libanon. Hier wartet Israel schon lange darauf, endlich das zu vollenden, was ihm 1982 mit dem großen Feldherrn Scharon nicht gelang und danach 2006, unter Olmert und Livni (führt die Farce Friedensverhandlungen und war mit Olmert auch schon beim Gaza Angriff an der Macht) zu vollenden, endlich die Hisbollah zu vernichten und den Libanon nach eigenen Wünschen politisch zu formen, um danach den Iran anzugreifen. Eine Vollendung des großen Wunschzieles und in Erfüllung  scheint immer näher zu rücken, um dann in Erfüllung zu gehen.
 
Ich sah mit eigenen Augen die Kriegsschäden und durch Bomben, die von der IDF angerichtet wurden Ich sah die schrecklichen Flüchtlingslager der aus Israel vertriebenen Palästinenser und ich sah die vielen Gräber der toten Kämpfer. Warum griff Israel auch diesmal wieder direkt ein Flüchtlingslager im Libanon an? Wieder traf es die Ärmsten der Armen. Merkwürdig, dass immer zur "rechten" Zeit Raketen aus dem Libanon oder aus Gaza kommen. Mir scheint da etwas nicht mit rechten Dingen zuzugehen, so als ob diese Raketen, die auch wenig anrichten, immer wie bestellt kommen. Wer sorgt wohl dafür, dass sie immer zur rechten Zeit abgefeuert werden?
 
Dazu passt auch, das Zentralratspräsident Dieter Graumann werbeträchtig Kinder aus Sderot, dem "Vorzeigeort" für Raketeneinschläge für Israel Besucher, nach Deutschland einlud. Die Kosten trugen der Zentralrat, die Zentralwohlfahrtsstelle und die Fernsehlotterie. Hier sponsert also wieder einmal der deutsche Steuerzahler ein Projekt von Israel und dem Zentralrat. Warum denkt man nicht lieber daran, die eingeschlossenen Kinder aus Gaza nach Deutschland zu holen, um sie aus ihrem "Freiluftgefängnis" ausbrechen zu lassen? Wäre das nicht eine Aufgabe für die Fernsehlotterie?
 
Propaganda im Wahlkampf, den Kanzlerin Merkel mit einem Dachau-Besuch begann und im Bierzelt beendete. Im Konzentrationslager äußerte sie Scham und Betroffenheit, konnte aber danach im Bierzelt schnell wieder in den Wahlkampf einsteigen. Jeder Tag, außerhalb des Wahlkampfes hätte für diesen Besuch gepasst, aber so empfand ich ihn nur als geschmacklosen Holocaust-Instrumentalisierungs-Besuch einer "christlichen Zionistin" in Wahlkampfzeiten. Soweit ich weiß, hatte sie für diesen Besuch auch nur zwei richtige "Fans" dabei, nämlich "Charlys Tante", Charlotte Knobloch, die Vorgängerin von Graumann und Dieter (mir graut vor dir) selbst, die diesen Besuch natürlich begrüßten.
 
Präsident Graumann begrüßte allerdings die Freilassung palästinensischer Häftlinge und deren Empfang überhaupt nicht. Nein, er bezweifelte den Friedenswillen der Palästinenser, weil diese die Freigelassenen mit einem Empfang geehrt hatten. Er forderte gar die Verurteilung dieses "Staatsempfangs" durch die EU. Natürlich würdigte er Israel und dessen grandiose Geste der Menschlichkeit mit der Freilassung von verurteilten sadistischen Mördern. Die Welt solle sehen wie sehr Israel zu buchstäblich höchst schmerzhaften Kompromissen bereit wäre.
 
Ich sehe nur mit Schmerzen, wie dieser Zentralratspräsident als Sprachrohr der israelischen Regierung eine unerträgliche Kitsch- und Verdrehungspropaganda aufführt, die jedes erträgliche Maß vermissen lässt und eine offizielle Erwiderung zu den wirklichen Zuständen im "jüdischen Besatzer-Staat" fordert! Aber so etwas wird von der deutschen Politik und ihren "Schleimspur"-Protagonisten kaum zu erwarten sein.
 
Inzwischen können wir uns schon ausmalen wie der neueste israelische Propagandafeldzug aussehen wird. Die israelische Regierung will nämlich hunderte von Studenten einsetzen, die in sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook politische Beiträge verbreiten und Israel-feindliche Beiträge kommentieren sollen. Als Gegenleistung zahlt man den Studenten dann volle Stipendien. Sie sollen die ganze völkerrechtswidrige und menschenrechtsverletzende Politik Israels damit nämlich koscher machen und legitimieren. Israel versuchte das schon mit vielen Versuchen, mit Touristen und Künstlern oder El-Al Flugpersonal zu erreichen. Aber lassen wir uns durch diesen Hasbara-(Propaganda)Angriff des "jüdischen" Staates nicht beirren. Unrecht bleibt Unrecht, Besatzung, Unterdrückung und Landraub, Kriege und gezieltes Morden kann man nicht schön reden und weiß waschen. Selbst Israel hat dieses Pulver noch nicht erfunden. Auch wenn mein Spruch "Israel darf alles" so immer mehr zutrifft. (PK) 


Evelyn Hecht-Galinski ist Publizistin, Autorin und Tochter des 1992 verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom "Hochblauen", dem 1165 m hohen "Hausberg" im Badischen, wo sie mit ihrem Mann Benjamin Hecht lebt.
2012 kam ihr Buch "Das elfte Gebot: Israel darf alles" heraus. Erschienen im tz-Verlag ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. 


Online-Flyer Nr. 421  vom 28.08.2013

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