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Inland
Zivilcourage gegen skandalöse Ehrensenatorwürde von Dr. Greifeld gefragt
KIT verschleppt Entscheidung
Von Dietrich Schulze

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete am 29. Dezember 2012 über die vom Karlsruher Institut für Technologie KIT (Zusammenschluss von Universität und Forschungszentrum Karlsruhe) geforderte Annullierung der Ehrensenatorwürde für Dr. Rudolf Greifeld, der 1956 von Franz-Josef Strauß als maßgeblicher Gründer mit geheim gehaltener Nazi-Vergangenheit im ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe eingesetzt wurde. (1) 1969 hatte ihn die Universität Karlsruhe ohne Kenntnis von seiner Vergangenheit zum Ehrensenator benannt.

Rudolf Greifeld, Herrmann Giesler, Albert Speer, Adolf Hitler und Arno Breker  am 28. Juni 1940 in Paris (v.l.n.r.)
Quelle: Bundesarchiv Bild 183-H28708 und NRhZ-Archiv
 
Als in zweierlei Hinsicht überraschende Reaktion auf den FAZ-Artikel meinte die KIT-Leitung am 3. Januar 2013, dass „die Vorwürfe gegen Dr. Greifeld wissenschaftlich belastbar verifiziert“ werden müssten und der hinzugezogene Fachmann dafür einen Zeitbedarf von 1-2 Jahren sieht.
 
Damit werden erstens die in der FAZ benannten Fakten:
 
-     Greifelds dokumentarisch belegter Antisemitismus als SS-Kriegsverwaltungsrat der Nazi-Wehr­macht im besetzten Paris in ranghöchster Funktion (u.a. Organisierung des Hitlerbesuchs in Paris),

In den in Paris zurück gelassenen Akten der Nazi-Wehrmacht aufgefundenes Schlüsseldokument vom 2. Januar 1941. Die Unterschrift wurde durch ein graphologisches Gutachten als die von Greifeld identifiziert
Quelle: Dietrich Schulze
 
 
-     der massive Protest französischer WissenschaftlerInnen am Institut Max von Laue – Paul Langevin ILL in Grenoble und in dessen Folge die Demissionierung Greifelds dort im Lenkungsgremium und
 
-     dessen vorzeitige Entfernung als Geschäftsführer des Kernforschungszentrums durch das Bundesforschungsministerium nach 20-jähriger hochumstrittener Tätigkeit (u.a. Einfädelung von atomaren Kooperationen mit Diktaturen mit Atomwaffenambitionen)
 
schlicht in zu überprüfende Vorwürfe umgefälscht.
 
Damit wird zweitens eine Recherche-Aufgabe für qualifizierte Fachleute von 1-2 Monaten von einem merkwürdigen Fachmann auf 1-2 Jahre aufgeblasen. Eine völlig inakzeptable vorsätzliche Verschleppungstaktik.
 
Wie eigentlich ist dieser Ehrensenator nach so langer Zeit auf die Tagesordnung geraten? Statt die Geschichte aufzuarbeiten, wurde nach Greifelds Entfernung erneut der Mantel des Schweigens über die Affäre gebreitet. Im April 2012 veröffentlichte KIT erstmals die Liste der Ehrensenatoren im Internet. Zuerst machte das Internet-Portal german-foreign-policy.com
(2) darauf aufmerksam. Anfang September wandten sich drei ehemalige Beschäftigte des Kernforschungszentrums mit der Forderung nach Annullierung an die KIT-Leitung (3). Dem Archivar der Universität (KIT Campus Süd) wurden dazu wichtige Dokumente übergeben.
 
Von Beginn an unterstützten die Annullierungsforderung Beate und Serge Klarsfeld aus Paris (Gründer der Vereinigung "Les Fils et Filles des Déportés Juifs de France" FFDJF), die eine tragende Rolle bei der Aufdeckung von Greifelds Nazi-Vergangenheit spielten, die jüdische Kultusgemeinde Karlsruhe, der Verein „LernOrt Zivilcourage e.V.“, Bundestags- und Landtagsabgeordnete und viele andere mehr. Ganz im Gegensatz dazu eine Reihe von Zuständigen in Bund, Land und Technologieregion, die um Unterstützung gebeten wurden. Bundesforschungsministerin Schavan (CDU), Ministerpräsident Kretschmann (GRÜNE), Wissenschaftsministerin Bauer (GRÜNE) und der Karlsruher Oberbürgermeister Fenrich (CDU) schweigen seit einem Vierteljahr lauthals. Dabei wäre es für Ministerin Schavan eine Kleinigkeit, KIT mit den Greifeld-Unterlagen ihrer Vorgänger Ehmke, Matthöfer und Hauff zu versorgen.
 
Der Verfasser des eingangs zitierten Artikels, FAZ-Korrespondent Rüdiger Soldt, hat völlig Recht, wenn er seinen Beitrag mit der Hoffnung schließt, dass das ehemalige Kernforschungszentrum (KIT Campus Nord) mit der Aufarbeitung seiner Geschichte beginnen möge. Der erste notwendige Schritt dazu sollte die Entscheidung über Ehrensenator Greifeld sein, die bei gutem Willen noch in diesem Semester getroffen werden kann.
 

Leon Grünbaum
NRhZ-Archiv
Die Geschichtsaufarbeitung betrifft nach Auffassung der drei UnterzeichnerInnen (4) der Annullierungsforderung sowohl Täter als auch Opfer. Mit tragischen persönlichen Konsequenzen hatte der jüdische Physiker und Heisenberg-Schüler Leon Grünbaum den Stein gegen Greifeld ins Rollen gebracht. In seiner zweiten geschichtswissenschaftlichen Dissertation an der Sorbonne zeichnet er u.a. die anti­semitischen Wurzeln der Affäre Greifeld (5) nach. Grünbaums zweimalige Verfolgung, zuerst seiner Familie durch die Faschisten und später die Diskriminierung durch Greifeld darf nicht in Vergessenheit geraten. In Kürze wird mit der Planung eines Symposions über Leon Grünbaum begonnen.
 
“Those who cannot remember the past are condemned to repeat it,” (George Santayana,
(* 1863 in Madrid, † 1952 in Rom, spanischer Philosoph, Schriftsteller und Literaturkritiker)
(PK)
 
 
Quellen:
 
(1) Geschichte eines Ehrensenators“, Rüdiger Soldt in FAZ 29.12.12 (Printausgabe Seite 2) http://www.faz.net/frankfurter-allgemeine-zeitung/geschichte-eines-ehrensenators-12008671.html
 
(2) „Mehrzweckforschungsreaktor“ 21.06.12 und „Ein Versailles kosmischen Ausmaßes“ 14.06.12 in german-foreign-policy.com http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20120628.pdf
 
(3) Schriftwechsel mit KIT (11.09.12 bis 31.12.12) mit cc an Zuständige http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20121231.pdf
 
(4) Originalbrief 10.09.12 an den KIT-Präsidenten http://www.bruchsaler-friedensinitiative.de/common/download.php?/artikel/2012/20120911_1_schreiben_umbach_wg_greifeld_20120910.pdf
 
(5) “In Memoriam Leon Grünbaum (1934-2004)” mit Hinweisen auf Greifeld, Dietrich Schulze in Neue Rheinische Zeitung 25.05.11 http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=16547
 
Mehr in der Web-Dokumentation http://www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf
 


Online-Flyer Nr. 388  vom 09.01.2013

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