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Lokales
Ende des Sonderausschusses "Wasserverträge" im Berliner Abgeordnetenhaus
Direkte Demokratie erforderlich
Von Ulrike von Wiesenau

Der Sonderausschuss "Wasserverträge" des Abgeordnetenhauses von Berlin, der durch das Votum der 666.000 Berlinerinnen und Berlinern mit dem Wasser-Volksentscheid erzwungen werden konnte, hat gestern seine inhaltliche Arbeit beendet. Er ist seiner Aufgabe in keiner Weise nachgekommen. Die durch das Gesetz zur Offenlegung festgeschriebene öffentliche Prüfung der Geheimverträge unter Hinzuziehung von unabhängigen Sachverständigen war der Arbeitsauftrag des Ausschusses. Vorlagen zur juristischen Anfechtung der Wasserverträge sollten erarbeitet werden um eine kostengünstige Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) durchzusetzen. Die exorbitanten Wasserpreissteigerungen, die aufgrund der Gewinnerwirtschaftung der BWB und der jährlichen Renditeausschüttung an die privaten Investoren und den Landeshaushalt entstanden waren, sollten gestoppt werden. Transparenz sollte in die Politik einziehen.


Aktivisten des Berliner Wassertisches kommentieren am Schluss der Sitzung mit Buhrufen und selbstgebastelten Kronen auf dem Kopf ihren Unmut über den Sonderausschuss.
Quelle: Berliner Wassertisch

Doch die Ausschussmehrheit von SPD- und CDU-Fraktion verwandelte den gesetzlichen Auftrag des Volksgesetzgebers in eine Farce. Offen geblieben ist die Forderung nach vollständiger Veröffentlichung aller Beschlüsse und Nebenabreden. Weder eine bedingungslose Prüfung der Verträge noch die Forderungen nach demokratischer Kontrolle und Mitsprache bei den Wasserbetrieben wurden von der Mehrheit der Parlamentarier unterstützt. Mit SPD und CDU bildeten genau die Parteien eine große Koalition, deren Vertreter 1999 die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe und damit die Beteiligung der Konzerne RWE und Veolia durchgesetzt hatten. Die Regierungskoalition hatte die Mehrheit gegenüber den Oppositionsparteien Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und den Piraten. Verschleppung und Blockade einer rückhaltlosen Überprüfung war die Folge.

Während einzelne Mitglieder des Sonderausschusses und geladene Experten bemüht waren, die Papiere auf ihre Verstösse gegen die Verfassung zu untersuchen, zeigte der Berliner Senat keinerlei Interesse an den Ergebnissen, die zu einer juristischen Anfechtung der Verträge hätten führen können. Finanzsenator Ulrich Nußbaum führte währenddessen Verhandlungen über einen Rückkauf  der RWE-Anteile an den Berliner Wasserbetrieben, ohne die Ergebnisse des Ausschusses abzuwarten. Ende Oktober 2012 wurde der überteuerte Rückkauf für insgesamt 654 Millionen Euro durch die Koalitionsmehrheit im Parlament abgesegnet und umgesetzt. Diese sogenannte "Rekommunalisierung" zementierte die Schieflagen von damals und ergänzte sie um neue: Der verfassungswidrige Konsortialvertrag mit Veolia blieb bestehen, den Berliner Wasserbetrieben wurde weiteres Kapital entzogen, die ungleiche Gewinnverteilung zwischen dem Land und den privaten Anteilseignern wurde fortgesetzt. RWE wurde der Rückzug vergoldet, Veolia wird mit der berüchtigten Gewinngarantie weiterbedient und kann trotz des Ausscheidens von RWE weiter die verfassungswidrige betriebliche Führung durchsetzen.

Forderungen von rund 300 Millionen Euro des Landes Berlin an die Konzerne, die sich aus der Umstellung der kalkulatorischen Verzinsung im Jahr 2003 ergaben und über die jahrelang gestritten wurde, sind nun gegenstandslos. Die im Juni 2012 ergangene Verfügung des Bundeskartellamtes, das die Berliner Trinkwasserpreise als »mißbräuchlich überhöht« bewertet und die BWB aufgefordert, sie um 18 Prozent (2012) bzw. 17 Prozent (2013 bis 2015) zu senken und ebenfalls zu einer Minimierung des Anteilswertes hätte führen können, wurde nur unvollständig umgesetzt. Die Wasserbetriebe streiten weiter vor Gericht gegen die Verfügung.

Der Verlauf des Sonderausschusses "Wasserverträge" ist dazu angetan, einem weiteren Vertrauensverlust in die parlamentarische Demokratie Vorschub zu leisten. Erschütternd ist die Folgenlosigkeit demokratisch eingesetzter Gremien. Die im Sonderausschuss "Wasserverträge" des Berliner Abgeordnetenhaus gewonnenen Ergebnisse, die die Analysen des Wassertisch-Untersuchungsausschusses "Klaerwerk" bestätigen und ergänzen, wurden von der Regierungskoalition einfach ignoriert. Damit drängt sich die Forderung nach einem Ausbau direkter Demokratie einmal mehr auf. Alles deutet darauf hin, dass dies das Modell der Zukunft sein wird. Der Berliner Wassertisch hat als demokratisches Forum einen massgeblichen Beitrag dazu geleistet. (PK)
 
Ulrike von Wiesenau gehört zum Sprecherteam des Berliner Wassertisch.
 
 


Online-Flyer Nr. 385  vom 19.12.2012

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