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Lokales
Eine Kölner Kundgebung vom Montag, über die der KStA lieber nicht berichtete
"Verfassungsschutz auflösen!“
Von Peter Kleinert

Der 2006 von der Konrad-Adenauer-Stiftung für seine Verdienste als Journalist ausgezeichnete Kölner Stadt-Anzeiger-Redakteur Tim Stinauer wurde am Montag in einem "offenen Brief" von indymedia (1) gefragt, ob ihn tags zuvor "auf dem Rückweg zur Redaktion eine leichte Amnesie überfallen" habe. Er habe nämlich nicht "zu den Protesten gegen die VS-Ausstellung "Braune Falle“ vor dem Kölner Polizeipräsidium" berichtet, die er "ja eigentlich selbst gesehen und fotografiert" hätte. Damit die KStA-LeserInnen erfahren, was ihnen da - bis auf ein paar Sekunden über die engagierten Proteste in einem Video - vorenthalten wurde, hier der Bericht eines anonymen indymedia-Autoren vom Bündnis "Verfassungsschutz auflösen!“. – Die Redaktion – Die Redaktion

Protest gegen die Verfassungsschutz-Ausstellung "Braune Falle“ vor dem Kölner Polizeipräsidium
Quelle: http://de.indymedia.org/2012/10/336891.shtml


Heute wurde im Polizeipräsidium Köln die Ausstellung “Die Braune Falle… eine rechtsextreme Karriere” von NRW-Innenminister Jäger und dem neuen Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, eröffnet. Dagegen demonstrierten ca. 70 Menschen. Aufgerufen zu dieser Gegenkundgebung hatten das Bündnis "Verfassungsschutz auflösen!" und Antifa Gruppen.
 
Der Zeitpunkt der Ausstellungseröffnung ist nicht zufällig gewählt, denn nahezu täglich sorgen neue Details über die Verstrickung des VS und anderer Sicherheitsorgane in die Morde des rechtsterroristischen NSU für Schlagzeilen. Verfassungsschutz, Polizei und politisch Verantwortliche wollen mit dieser Ausstellung den Eindruck erwecken, dass sie alles tun, um “den braunen Sumpf” trockenzulegen. Das Gegenteil ist der Fall: Verschiedene Ebenen in den Verfassungsschutzämtern unterstützten das Umfeld des NSU mit bezahlten V-Leuten, die z.B. Sprengstoff oder auch Waffen an den NSU lieferten.

Neuer Präsident des Bundesverfassungsschutzes,
Hans-Georg Maaßen
Quelle: Bundesinnenministerium
Daher kritisierten Demonstrationsteilneh-merInnen in verschiede- nen Redebeiträgen und einem Auszug aus dem Theaterstück "V wie Verfassungsschutz“ die rassistischen Ermitt-lungsmethoden der Polizeidienstbehörden, die in Zusammenhang mit dem NSU-Skandal aufgedeckte Deckung von Neonazistrukturen durch den Verfassungs-schutz und die Wei- gerung der Politik, aus dem NSU-Skandal politische Konsequenzen zu ziehen.
 
Dazu erklärte die Pressesprecherin des Bündnisses "Verfassungsschutz auflösen!": „Die heutige Ausstellung dient lediglich dem Zwecke, das angekratzte Image des Verfassungsschutzes und der Polizei aufzupolieren. In Anbetracht des Versagens der Sicherheitsbehörden bzw. des vermutlichen Deckens der Unterstützerszene des NSU durch den Verfassungsschutz ist eine solche Imagekampagne gegenüber den Opfern und deren Angehörigen ein schamloser Zynismus.“
 
Auch der Kölner Polizeiführung kann institutioneller Rassismus attestiert werden. Nach dem Bombenanschlag in der Keupstraße leugneten sie jahrelang die rassistischen Hintergründe der Morde und machten die Opfer darüber hinaus zu Tätern, indem sie ausschließlich in Richtung organisierter “Ausländer-Kriminalität” ermittelte.
 
Auf der Kundgebung sprach daher der Sprecher der Interessengemeinschaft Keupstraße, Mitat Özdemir, der noch mal explizit die rassistischen Ermittlungsmethoden der Kölner Polizei im Nachgang des NSU-Nagelbombenattentats kritisierte. So wurden beispielsweise damals Angehörige eines Opfers neunmal als Verdächtige von der Polizei vorgeladen. Verletzte Anschlagsopfer wurden gezwungen, DNA-Proben abzugeben. Diese Maßnahmen fanden in jenem Polizeipräsidium in Köln-Kalk statt, in der jetzt die Ausstellung aufgebaut wurde.
 

NRW-Innenminister Ralf Jäger
Quelle: wikipedia
Während des Redebeitrags des Sprechers der IG Keupstraße stieß NRW-Innenminister Jäger zur Versammlung, um das Streitgespräch zu suchen. Von Kundgebungsteil-nehmerInnen wurden daraufhin die Form der Imagekampagne von VS, Polizei und Politik, der bewusste Verzicht auf die Einbindung migrantischer Gruppen sowie die fehlende Einbindung der Opfer des NSU im Zusammenhang der Aufklärung gegen Rechts kritisiert.
 
Bezeichnend an dieser Situation war, dass verschiedene Pressevertreter- Innen – die zuvor nur wenig Interesse an der Kundgebung zeigten – wie eine aufgescheuchte Meute auf den Innenminister zustürmten, aber den Ausführungen des Sprechers der Betroffenen des Nagelbombenanschlages scheinbar keine Aufmerksamkeit schenkten. Nach kleineren Rangeleien zwischen Personenschutzdienst und KundgebungsteilnehmerInnen, die versuchten, ihre Transparente zu zeigen, stilisierte NRW-Innenminister Jäger seine politischen Maßnahmen der Verbote von rechtsextremen Strukturen in NRW als vorbildhaft für die BRD. Dagegen stellten die KundgebungsteilnehmerInnen fest, dass staatliche Verbote, Geheimdienstmethoden und ein autoritärer Staat keineswegs in ihrem Sinne seien, sondern dass nur die Organisierung des antifaschistischen Selbstschutzes eine Antwort auf den Terror von Rechts ist.
 
Dazu erklärt eine Sprecherin des Bündnisses: „Der Auftritt von Innenminister Jäger offenbart das Interesse politisch interessierter Kreise, den NSU-Skandal und die sich daraus ergebenden Fragestellungen schnellstmöglich zu begraben. Daher ruft das Bündnis umso entschlossener dazu auf, am 10. November nach Köln-Chorweiler zur Demonstration gegen den Verfassungsschutz zu kommen, um dem Treiben von Politik, Polizei und Geheimdiensten entgegenzutreten.“
 
In einem P.S. des Briefes an KStA-Redakteur Stinauer heißt es abschließend: "Sollte es wider Erwarten Ihre volle Absicht gewesen sein, die Proteste nicht zu erwähnen, möchten wir feststellen: Auch in Zukunft werden wir die Verstrickung der Verfassungsschutzämter und anderer Geheimdienste in die Mordserie des "NSU“ öffentlich thematisieren. Die Demonstration "Verfassungsschutz auflösen – Rassismus bekämpfen“ am 10.11.2012 in Chorweiler wird mit großer Beteiligung stattfinden, auch wenn der KSTA sie nicht erwähnt.

Indymedia ist eine weltweite Plattform unabhängiger Medienorganisationen und hunderter JournalistInnen, die eigenverantwortlich nicht hierarchische, nicht kommerzielle Berichterstattung betreiben. Den oben stehenden Bericht finden Sie dort unter http://de.indymedia.org/2012/10/336891.shtml (PK)
 


Online-Flyer Nr. 378  vom 31.10.2012

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