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Globales
715 PKK- und PAJK-Gefangene seit mehr als 40 Tagen im Hungerstreik
Türkische AKP-Regierung reagiert nicht
Von Civaka Azad

Aus Protest gegen die Totalisolation von Abdullah Öcalan und staatlicher Barrieren für die kurdische Sprache befinden sich zurzeit mindestens 715 kurdische politische Gefangene in der Türkei und in Kurdistan im unbefristeten Hungerstreik. Der Hungerstreik wurde am 12. September 2012 - also vor mehr als 40 Tagen - von 63 Mitgliedern der Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) und der Partei der Freien Frauen Kurdistans (PAJK) initiiert. Experten sprechen davon, dass ab dem 40sten Tag eines Hungerstreiks der Gesundheitszustand der AktivistInnen akut gefährdet ist

Nach der Aufnahme des Hungerstreiks durch die erste Gruppe schlossen sich in den folgenden Tagen und Wochen hunderte weitere Gefangene der Aktion an. Unter den Hungerstreikenden befinden sich auch der inhaftierte Abgeordnete der Partei für Frieden und Demokratie (BDP) Faysal Sariyildiz und der inhaftierte Bürgermeister von Wan Bekir Kaya. Bis jetzt sind der Öffentlichkeit 715 Gefangene namentlich bekannt, die an dem Hungerstreik teilnehmen.
 

Auch im Hungerstreik – BDP-Abgeordneter
Faysal Sariyildiz
Quelle: yeniozgurpolitika.org
Aufgrund des schlechten Informationsflusses aus den Gefängnissen nach draußen erfährt die Öffentlichkeit allerdings oft erst spät, wer dem Hungerstreik beigetreten ist und wie der Zustand der AktivistInnen ist. Aufgrund dessen wird die tatsächliche Zahl der Hungerstreikenden in den Gefängnissen noch höher geschätzt. Eine Stellungnahme der AKP-Regierung zu der Situation der Hungerstreikenden und ihren Forderungen blieb bis Redaktionsschluß aus.
 
In einem Brief an die Öffentlichkeit betonte die Sprecherin des Hungerstreiks Deniz Kaya, dass sie diesen bis zur Erfüllung ihrer Forderungen fortsetzen werden. Dies sind: die Aufhebung der Isolationshaftbedingungen gegen Abdullah Öcalan, die Gewährleistung seiner Gesundheit, Sicherheit und Freiheit, sowie die umfassende Anerkennung der kurdischen Sprache - einschließlich des Rechtes auf Bildung in der kurdischen Muttersprache und die Aufhebung jeglicher Assimilationspolitik gegen KurdInnen. Zudem ließen die Hungerstreikenden verkünden, dass sie mit großer Entschlossenheit hinter dieser Aktion stehen und dass niemand mit der Absicht, sie von der Aktion abzubringen, an sie herantreten solle.
 
Wegen dieser besorgniserregenden Situation wandte sich die Türkische ÄrztInnenvereinigung (TTB) mit einem Gesuch an das Justizministerium, um die Hungerstreikenden im Gefängnis besuchen zu können. Dieser Brief blieb bis heute unbeantwortet. In einer Erklärung des TTB-Vorsitzenden Özdemir Aktan heißt es: „Dieses Mal ist es nicht wie bei den anderen Hungerstreiks. Die Gefangenen weigern sich, Vitamin B zu sich zu nehmen. Hierbei handelt es sich um keinen Hungerstreik, sondern um "Todesfasten“. Wir müssen schnellstmöglich in die Gefängnisse.“
 
Melda Onur, Abgeordnete der Republikanischen Partei CHP, erklärte zum Hungerstreik: „Die Menschen in der Öffentlichkeit entwickeln keine Empathie. ‚Wer nicht zu mir gehört, der kann ruhig sterben; das interessiert mich nicht weiter‘. Dabei sollte die politische Einstellung der Menschen, die auf den Tod zugehen, nicht Grund für unsere Empfindungslosigkeit sein. Wir dürfen dem Sterben nicht zusehen. Der Preis dessen wäre für die Türkei sehr hoch. Wenn wir nicht wollen, dass der Hungerstreik ähnliche Ausmaße wie im Jahre 2000 (1) erreicht, dann müssen wir sofort handeln.“
 
Am Sonntag wurde in der kurdischen Stadt Diyarbakir (Amed) eine Demonstration, welche auf die Situation der Hungerstreikenden aufmerksam machen sollte, von Polizeikräften angegriffen. Unter den Demonstranten befanden sich auch zahlreiche Abgeordnete der Partei für Frieden und Demokratie (BDP). Die BDP-Abgeordnete Aysel Tuğluk erklärte auf der Demonstration, dass die Forderungen der Hungerstreikenden die Forderungen des gesamten kurdischen Volkes seien. „Dieser Hungerstreik ist für uns alle eine große Prüfung. Entweder werden wir alle für die Forderungen unserer Freundinnen und Freunde aus den Gefängnissen eintreten oder wir werden alle zu Opfern dieser Verleugnungs- und Vernichtungspolitik“, so Tuğluk. (PK)
 
(1) Gemeint ist die "Zurück ins Leben"- Operation türkischer Polizeikräfte, die als Reaktion auf einen Hungerstreik in den Gefängnissen am 19. Dezember 2000 durchgeführt wurde. Die Polizeikräfte stürmten an jenem Tag zeitgleich 20 Gefängnisse, wodurch insgesamt 32 Menschen ums Leben kamen.
 
Civaka Azad ist das Kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit e.V. in Frankfurt/Main.
www.civaka-azad.org
info@civaka-azad.org


Online-Flyer Nr. 377  vom 24.10.2012

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