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Globales
Das erste “Tschernobyl” des 21. Jahrhunderts
Schlimme Folgen von Fukushima
Von Philippe Schockweiler

Seit mehreren Monaten versuchen die japanische Regierung und die staatlichen Medienhäuser die Katastrophe von Fukushima herunterzuspielen. Ähnlich wie bei der Desinformations- und Propagandakampagne der Sowjetunion nach dem Super-Gau in Tschernobyl verschleiern japanische Medien und Autoritäten das wahre Ausmass um die vier havarierten Reaktoren und sechs beschädigten Kühlbecken in Fukushima.

Fukushima-Reaktor im Mai 2011
Quelle: Globovision via Flickr

Spätestens seit einigen Wochen liegt dieses aus Lügen und Verschleierungen aufgebaute Kartenhaus jedoch in Trümmern. Allein in den letzten 14 Tagen überschlugen sich die Nachrichten aus Japan: Eine internationale Studie fand schwerwiegende Mutationen bei mehreren Schmetterlingsarten. Die Schmetterlinge litten an typischen Veränderungen des Erbgutes, die auf überhöhte Cäsium- Aussetzung zurückzuführen sind. Man fand nicht nur überdimensionierte Flügel und deformierte Augen in einer sondern gleich bei mehreren Generationen der japanischen Falterart.

Auch die ersten Studien über die Auswirkungen der Katastrophe auf das Leben im Ozean lassen nichts Gutes erahnen: 21 Meilen entfernt vom Kraftwerk wurden Fische mit Rekordwerten an Cäsium gefangen, 285.000 Becquerel (Bq) pro Kilogramm! Als Gegenbeispiel: in Deutschland maß man nach der Tschernobylkatastrophe einen Wert von rund 4.900 Bq/kg bei bayrischen Wildschweinen. Ähnlich alarmierende Werte wurden bei Makak Affen in der Präfektur Fukushima von der "Nippon Veterinary and Life Science University“ nachgewiesen.
 
Doch auch in Menschen konnte die verheerende Strahlung bereits nachgemessen werden: Japanische Ärzte und Strahlenforscher vom “Medical Science Institute” an der Universität Tokyo, berichteten vor Kurzem über ältere Menschen, die sich nur mit Gemüse, Pilzen und Bambussprossen aus der Nähe des havarierten Atommeilers ernährten. Bei ihnen konnte mittlerweile eine Belastung von 20.000 Becquerel pro Körper nachgewiesen werden. Als Vergleich: Wildschweine welche im Bayrischen Wald geschossen werden und eine Belastung von 600 Becquerel aufweisen müssen als “Sondermüll” entsorgt werden. Auch bei Kindern, deren Immunsystem noch nicht ganz entwickelt ist, sind die verheerenden Folgen der Strahlung bereits nachweisbar: Von 38.000 getesteten Kindern aus der Fukushima Präfektur waren bei rund 13.000 unter ihnen bereits Zyste und Knoten von 5 mm oder weniger nachweisbar, was darauf hindeutet, dass diese Kinder ein erhöhtes Krebsrisiko haben. 

Luftaufnahme des Reaktors 2011
Yamazaki Air Photo
 
Im havarierten Kraftwerk gilt noch immer der Ausnahmezustand: Laut Aussagen von mehreren Liquidatoren, den Mitarbeitern welche die Aufräumarbeiten im Kraftwerk unter unvorstellbaren Bedingungen erfüllen, werden immer mehr Jugendliche und Minderjährige vom Betreiber TEPCO eingesetzt. TEPCO hat mittlerweile auch zugegeben, dass nur die Schichtleiter teilweise mit Dosimetern (Geräte, welche das Ausmaß der täglichen radioaktiven Dosis berechnen) ausgestattet sind, und somit bei Tausenden Arbeitern nicht einmal gewusst wird, welchen Strahlungswerten sie ausgesetzt sind.
 
Die Entscheidung Japans, bis 2040 ganz aus der Atomenergie auszusteigen, kann man unter diesen Umständen schon fast begrüßen. Wäre da nicht der bittere Beigeschmack, dass trotz “Fukushima” zwei weitere neue Meiler in Japan in den nächsten Jahren ans Netz gehen werden. 2050 mag dann Japan “atomfrei” sein, aber das gefährliche nukleare Erbe der Fukushima-Katastrophe wird bis dahin noch immer nicht behoben sein. (PK)
 
 
Philippe Schockweiler aus Luxemburg ist Anti-Atomaktivist und Freelancer und arbeitet an mehreren Projekten in Tschernobyl und arbeitet die Katastrophe von Fukushima in seinem Blog auf: http://schockweiler.blogspot.com/
 


Online-Flyer Nr. 375  vom 10.10.2012

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